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Klub Ost: Das heikle Geschäft mit russischen Klienten in Wien

Anwälte. Das heikle Geschäft mit russischen Klienten in Wien

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Von Andreas Knapp und Josef Redl

Am 14. Juli 2011 erhielt der Wiener Rechtsanwalt Gabriel Lansky spätabends einen Anruf. Am Apparat: ein Mitarbeiter der russischen Botschaft in Wien. Der Grund seines Anrufs: Am Flughafen Wien/Schwechat saß zeitgleich ein gewisser Michail Golowatow aufgrund eines litauischen Haftbefehls in Polizeigewahrsam. Golowatow war zu Sowjetzeiten ein hochrangiges Mitglied des Geheimdienstes KGB gewesen. In Litauen gilt er als Kriegsverbrecher, weil er als Leiter einer Spezialeinheit im Jahr 1991 in Vilnius einen Aufstand von Gegnern des Sowjetregimes niederschlagen ließ. Bei dem Einsatz kamen unter nicht restlos geklärten Umständen mehrere Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt.

Der Ex-KGB-Mann durfte nach nur wenigen Stunden wieder nach Moskau ausreisen. Der Haftbefehl aus Litauen hatte den hohen formalen Ansprüchen Österreichs nicht genügt.

Dass ausgerechnet Lansky, Ganzger und Partner zu dem heiklen Fall hinzugezogen wurde, ist kein Zufall. Laut Rechtsanwaltskammer gibt es in Wien zwar nicht weniger als 51 russischsprachige Anwälte - das Geschäft boomt offensichtlich. Tatsächlich gibt es allerdings nur wenige Kanzleien, die sich wirklich auf Mandanten aus Russland und den übrigen ehemaligen Sowjetrepubliken spezialisiert haben. Verdienen lässt sich mit dieser Klientel zwar prächtig. Für Anwälte besteht in dem Biotop aus Ex-Geheimdienstlern, Oligarchen und despotischen Regierungschefs allerdings stets das Risiko, in juristische Grauzonen vorzudringen oder selbst in Gefahr zu geraten. Wie der kürzlich ermordete Erich Rebasso.

Die Leiche von Erich Rebasso wurde am Donnerstag der vergangenen Woche in einem Waldstück in der Nähe von Wien gefunden. Seine Ermordung steht nach derzeitigem Stand der Ermittlungen im Zusammenhang mit einem Anlagebetrug, der vor einigen Jahren in Russland begangen worden war. Damals dürften bis heute unbekannte Betrüger eine ganze Reihe von Privatanlegern um mehr als eine Million Euro geprellt und dabei Namen und gefälschtes Briefpapier von Rebasso verwendet haben.

Dass ausgerechnet Rebassos Name für die Malversationen verwendet wurde, dürfte allerdings kein Zufall sein. Just in jenem Zeitraum, als das zwielichtige Geschäft ausgeheckt wurde, bewarb die kleine Wiener Anwaltskanzlei offensiv ihre Dienste in Russland. Eines der Spezialfelder von Rebasso soll es gewesen sein, für russische Gesellschaften Holdingstrukturen in Österreich zu entwickeln. "Haben Sie schon daran gedacht, dass es internationale Steuerprivilegien gibt und Ihnen eine ausländische Holding-Konstruktion bis zu 50 Prozent Ihrer Steuerlast abnehmen kann?“, heißt es dazu in einer Selbstdarstellung der Kanzlei aus dem Jahr 2008, die mittlerweile von der Homepage entfernt wurde. Dass Österreich durch sein Doppelbesteuerungsabkommen und die Gruppenbesteuerung für Unternehmen ein attraktiver Standort ist, ist die eine Sache. Aber: "Sie selbst können sich aus dem österreichischen und europäischen Steuerschraubstock losreißen … Unsere Kooperationspartner in der Schweiz, Liechtenstein, Monaco, den Kanalinseln, der Karibik und anderen weniger besteuerten Staaten werden Ihnen die besten Ratschläge erteilen“, preist die Kanzlei ihre Dienste an. Rebasso war offenbar ein Spezialist für Steuervermeidung. Aber auch im operativen Geschäft gab sich Rebasso hemdsärmelig: "Die Mitarbeiter verlangen eine Gehaltserhöhung, einige wenden sich ans Arbeitsgericht? Wir übernehmen alle Sorgen. Alle Ihre Probleme sind für uns lösbar.“

Die angebotenen Dienstleistungen bescherten Rebasso eine schillernde Klientel. Wie profil in der Vorwoche berichtete, verkehrte unter anderem der russisch-georgische Oligarch Alexander Josifowitsch Ebralidze in Rebassos Kanzlei. "Alle Russen in Wien haben Rebasso gekannt“, sagt der georgische Unternehmer Levan Pirveli. Pirveli lieferte sich vor einigen Jahren eine juristische Auseinandersetzung mit seinem Landsmann. Nun fürchtet der in Wien lebende Unternehmer deswegen um sein Leben.

Auch der Oligarch Roman Abramowitsch soll bei einem Immobiliendeal in Wien Rebassos Dienste in Anspruch genommen haben. Bestätigt wurde dies allerdings nie. Mandantenverhältnisse zu derart prominenten Klienten werden kaum je offengelegt. Dass eine ganze Reihe der Superreichen in Wien Rechtsbeistand sucht, ist aber kein Geheimnis. Oleg Deripaska wickelte seinen Einstieg beim österreichischen Baukonzern Strabag beispielsweise über die Kanzlei Schönherr ab. Auch der ÖBB-Aufsichtsrat Leopold Specht hat sich stark auf das Russland-Geschäft verlegt. Seine prominenteste Klientin ist die Milliardärin Elena Baturina, die Frau des politisch in Ungnade gefallenen Moskauer Ex-Bürgermeisters Juri Luschkow. Baturina hat in den vergangenen Jahren mehrere Immobilien in Wien und Kitzbühel erworben. 2008 gründete die reichste Frau Russlands eine Privatstiftung nach österreichischem Recht. Im Stiftungsvorstand der am Wiener Kärntner Ring 17 domizilierten Beneco Privatstiftung sitzt seitdem Leopold Specht. Der SPÖ-nahe Advokat, der gemeinsam mit Ex-Kanzler Gusenbauer ein Consultingunternehmen führt, überwacht damit ein beachtliches Vermögen. Die Beneco Privatstiftung ist Alleinaktionärin der Inteco Beteiligungs AG und der Inteco Management AG. Inteco, das ist der Baukonzern, dem Baturina ihr Milliardenvermögen zu verdanken hat. In der Amtszeit von Juri Luschkow als Bürgermeister soll Inteco an die 20 Prozent aller öffentlichen Ausschreibungen für sich entschieden haben. Seit Luschkow im Kreml nicht mehr wohlgelitten ist (er musste sein Amt 2010 zur Verfügung stellen), dürfte das Geschäft bei Inteco etwas zäher verlaufen.

Im vergangenen Jahrzehnt hat eine ganze Reihe von russischen Unternehmen Holdinggesellschaften in Wien gegründet. Teils, um Steuern zu sparen, teils, um Unternehmen und Vermögen zumindest teilweise vor staatlichem Zugriff oder vor verärgerten Ex-Gesellschaftern zu schützen. Derlei Mandate sind für eine mittelständische Kanzlei ein lohnendes Geschäft. "Hat sich ein österreichischer Anwalt mit russischen Klienten erst mal einen Namen gemacht, läuft die Akquirierung weiterer Kunden nur mehr über Mundpropaganda“, so Dietmar Fellner, Österreichs Außenhandelsdelegierter in Moskau.

Leopold Specht kann sich selbst ganz gut Mundpropaganda verschaffen: Der Rechtsanwalt spricht perfekt Russisch und unterhält mittlerweile sogar eine Niederlassung in Moskau. Das Gros des Geschäfts mit russischen Unternehmern teilen sich in Wien Specht, Lansky sowie die Kanzlei Hasberger, Seitz und Partner auf - und bis vor Kurzem Erich Rebasso. "Wir können uns die Klienten praktisch aussuchen. Deswegen kommen wir auch nicht in die Verlegenheit, Leute mit einem zweifelhaften Hintergrund zu vertreten“, so Helmut Seitz, Teilhaber der Kanzlei Hasberger, Seitz und Partner, "ich besuche vor einem Vertragsabschluss jeden potenziellen Klienten persönlich in Russland. Wenn jemand Bodyguards vor der Tür stehen hat, lehne ich beinahe kategorisch ab. Das kann nämlich bedeuten, dass irgendwann auch der Anwalt einen Bodyguard braucht.“ Ebenso angeblich ein No-go: russische Beamte, deren Vermögenswerte ihr Einkommen bei Weitem übersteigen.

Wer sich auf das Geschäft mit den Russen verlegt, muss mit Grenzüberschreitungen rechnen. Hinter vorgehaltener Hand erzählen Anwälte reihenweise Geschichten von entführten Klienten und Kidnappern, die in Wien geführte Treuhandkonten leerräumen wollten. Von Geldkoffern, die zur Veranlagung nach Wien gebracht werden. Und von Kollegen, die sich an allzu zwielichtige Geschäftsleute wagten und darüber ihre Anwaltslizenz verloren haben.

Bei Lansky, Ganzger und Partner unterhält man mittlerweile eine eigene Russland-Abteilung mit 30 Personen. "Wir können sehr umfassende Leistungen anbieten. Das fängt bei unserem kleinen Privatinvestorenpaket an und geht bis zu großen Wirtschaftscausen vor internationalen Schiedsgerichten“, so Anna Zeitlinger, Leiterin der Abteilung. Das "kleine Privatinvestorenpaket“ ist das Standardangebot an den vermögenden Russen, der seinen Lebensmittelpunkt nach Österreich verlagern will: Aufenthaltsgenehmigung, Immobilienkauf, Familienbetreuung. Solche Dienstleistungen bieten mittlerweile alle größeren Sozietäten in Wien an. Verdienen lässt sich damit nicht allzu viel. Trotzdem zieht das Geschäft Glücksritter an: Berater, die behaupten, gegen Geld die österreichische Staatsbürgerschaft besorgen zu können. Ganz so weit ist das von der geltenden Rechtslage nicht entfernt. Wer sich besondere Verdienste um die Republik erworben hat und politische Unterstützung genießt, kann per Ministerratsbeschluss im Schnellverfahren eingebürgert werden. Diese Regel findet zumeist bei Sportlern und Künstlern Anwendung. Aber auch großzügige Investitionen und Sponsoring werden gelegentlich als verdienstvoll genug angesehen. Der saudische Ringstraßenhotelier Mohamed Bin Issa Al Jaber erhielt beispielsweise so seine österreichische Staatsbürgerschaft. Und auch zwei Russen wurden nach großzügigen Investitionen in Kärnten in den letzten Tagen der schwarz-blauen Regierung eingebürgert.

Bei Lansky hat man sich zunehmend auf die Vertretung ganzer Nationen verlegt: Die Kanzlei ist Vertrauensanwalt der Russischen Föderation, vertritt Aserbaidschan vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit einer Klage im Zusammenhang mit dem Bergkarabach-Konflikt gegen Armenien - und die Regierung Kasachstans. Den Konflikt zwischen dem kasachischen Despoten Nursultan Nasarbajew und seinem in Wien untergetauchten Ex-Schwiegersohn Rakhat Aliyev führt Lansky seit Jahren - und unter großer medialer Anteilnahme. Gegen Aliyev, einst geschätzter Teil der Nomenklatura und Mehrheitseigentümer einer Bank in Kasachstan, gibt es Vorwürfe, die von Millionenveruntreuung bis hin zu Mord gehen. Da Aliyev in Kasachstan kein faires Verfahren zu erwarten hat, verweigert die Republik Österreich allerdings die Auslieferung. Dem Rechtsanwalt Gabriel Lansky bringt das Engagement offensichtlich zahlreiche Folgegeschäfte. Im Dezember des Vorjahrs koordinierte Lansky, Ganzger und Partner die Übernahme eines Wiener Innenstadthotels durch den kasachischen Investmentfonds Verny Capital Group. Das Ostgeschäft macht mittlerweile 30 Prozent des Umsatzes aus und ist ein Grund dafür, dass die Kanzlei seit Jahren durchwegs Millionengewinne schreibt und demnächst eine größere Innenstadtimmobilie beziehen wird.

Konkurrenzgefühle kommen trotzdem gar nicht erst auf, zumal Spezialisten wie Hasberger, Seitz und Lansky, Ganzger sich oft genug beide einen Teil vom Kuchen abschneiden dürfen. In Wien wurde vor Kurzem ein seit 2007 schwelender Konflikt zwischen zwei Moskauer Unternehmern gelöst. Ein ehemaliger Weggefährte des russischen Oligarchen Michail Chodorkowski hatte sich über Jahre hinweg eine Auseinandersetzung mit seinem Mitgesellschafter geliefert. Beide wollten ihren Einfluss auf eine in Wien eingetragene Gesellschaft namens Makarios Holdings GmbH geltend machen. Die russischen Makarios-Firmenbeteiligungen werden auf mehr als 200 Millionen Euro taxiert, allerdings waren die Anteilsverhältnisse zwischen den beiden Gesellschaftern strittig. Obwohl beide in Moskau wohnhaft, wurde die Auseinandersetzung von Wiener Rechtsanwälten geführt. Alleine am Wiener Handelsgericht waren zeitweise zehn Verfahren anhängig. Mittlerweile haben sich beide Parteien verglichen. Gekämpft wurde aber mit harten Bandagen: Bei einer Generalversammlung der Makarios Holding beschlossen die Mehrheitsgesellschafter den Ausschluss von Lansky-Rechtsanwältin Anna Zeitlinger. Diese musste ihren Mandanten über Stunden hinweg aus dem eiskalten Stiegenhaus per SMS beraten.

Immerhin trug sie dabei Pelz.