Der unbegründete Hype um die Frauenfußball-WM
Nach dem Tatort war schon klar, dass es anstrengend wird: Am 19. Juni ermittelten die Fernsehkommissare Lena Odenthal und Mario Kopper im Fußballerinnenmilieu. Eine türkischstämmige Kickerin war ermordet in der Gemeinschaftsdusche gefunden worden. Zwar stand halb Ludwigshafen unter Verdacht, doch der Plot kroch dahin wie ein Stürmer mit verstauchtem Knöchel. Es blieb viel Zeit für bedeutungsschwere Kamerafahrten über den nassen Rasen und traurige Erkenntnisse des Platzwarts: Ich seh jeden Tag, wie hart die Frauen trainieren, wie sie Fußball spielen. Aber die meisten interessiert doch nur, was sie unter ihren Trikots tragen. Oh ja, die Welt ist grausam.
Theo Zwanziger, Präsident des deutschen Fußballbunds (DFB), hatte höchstpersönlich die Krimifolge angeregt. Eine Einstimmung auf die Frauenfußball-WM sollte es werden. Und in gewisser Weise ging der Plan sogar auf: Wer den Tatort gesehen hat, kann heute nicht behaupten, dass ihn keiner gewarnt habe.
Seit 26. Juni kicken Frauen aus 16 Ländern gegeneinander. Die Regeln des Spiels sind dieselben wie bei den Männern: Ziel ist das Toreschießen, Fouls sind verboten, Schüsse aus Abseitsposition werden geahndet, ein Match dauert 90 Minuten, zur Halbzeit gibt es eine Pause. Weil die WM in Deutschland ausgetragen wird, hoffen die Deutschen auf einen Sieg ihres Teams. Ganz simpel, eigentlich.
Leider beschloss der Gastgeber in enger Kooperation mit dem Weltfußballverband FIFA , die Frauenfußball-WM zu einem Ereignis von historischer Bedeutung zu machen. Spätere Generationen sollen einmal mit der gleichen Andacht über den Juli 2011 reden wie über den Jänner 1919. Damals eroberten die Frauen das Wahlrecht, 92 Jahre später das Public Viewing.
Schon im Vorfeld war die Veranstaltung weniger auf den Sportseiten besprochen worden als im Feuilleton. Durchaus ernsthaft wurde diskutiert, ob es eigentlich korrekt sei, von Mannschaften zu reden, wenn nur Frauen auf dem Feld stehen. Das Problem ist nicht letztgültig gelöst, weil Frauschaften doch ziemlich bescheuert klingt. Gerne beschworen wird auch die angeblich förderliche Wirkung des Events auf den Feminismus. Fußball galt lange als reine Männerdomäne. Wenn die Frauen nun auch in diesem Bereich mitmischen, so der Plan, werde bald der Rest der Gesellschaft folgen. Frauenfußball sei ein Beweis für den Triumph des Gleichheitsfeminismus, textete die deutsche Grünen-Chefin Claudia Roth im Vorwort einer Broschüre. Mit anderen Worten: erst die Viererkette, dann die Aufsichtsräte.
Außerdem steht die WM für gelungene Integrationspolitik (Lira Bajramaj, das Cover-Girl des deutschen Teams, kommt aus dem Kosovo) und für einen entspannten Umgang mit der Homosexualität (nicht wenige der Kickerinnen leben in lesbischen Beziehungen). Dass eine Sportveranstaltung auch ein bisschen Spaß machen soll, wurde in den Planungen vergessen. Der Humor hat leider Pause. Bei all ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen kann die Fußball-WM nicht auch noch lustig sein.
Das Projekt Sommermärchen reloaded war dennoch so attraktiv, dass sich auch bekennende Machos bereitwillig instrumentalisieren ließen. Ich habe selbst miterlebt, wie dynamisch und elegant die Frauen inzwischen Fußball spielen, behauptete Franz Beckenbauer. Er freue sich auf die Frauen-WM, flunkerte Günter Netzer war aber immerhin ehrlich genug hinzuzufügen, dass er sich auf den Start der (Männer-)Bundesliga noch ein bisschen mehr freut.
Mittlerweile sind zwei Drittel der WM vorbei, und jeder konnte sehen, warum der Jubel gesamtstaatlich verordnet werden musste: Frauenfußball ist einfach nicht gut. Jedenfalls nicht gut genug im Vergleich zum Männerfußball. Und auf gar keinen Fall gut genug für den nationalen Hype, zu dem vor allem die armen Deutschen verdonnert wurden.
Natürlich fehlt die Athletik, aber das wäre zu verkraften. Fußball bezieht seine Faszination nicht nur aus roher Kraft; der FC Barcelona müsste sonst vor leeren Rängen in der Regionalliga Dienst schieben. Viel schlimmer ist die Tatsache, dass es für die mangelnde Muskelmasse im Damenfußball keine Kompensation gibt. Frauen spielen langsamer, weniger kreativ und mehrheitlich auf einem bestürzend niedrigen technischen Niveau. Acht von zehn Ballannahmen verunglücken selbst nach österreichischen Maßstäben. Gelungene Pässe über mehr als fünf Meter gelten als rare Meisterstücke. Nur in seltenen Fällen kommt eine Flanke dort an, wo sie gebraucht wird. Schnelle Konter, überraschende Kombinationen, fintenreiches Kurzpassspiel: alles nicht im Angebot.
Ihren schaurig-schrägen Höhepunkt hatte die WM in der 16. Minute des Spiels Australien gegen Äquatorialguinea, als die Abwehrspielerin Bruna nach einem Gestocher im Strafraum den Ball einfach mit beiden Händen auffing so wie beim Völkerball. Bestraft wurde sie dafür nicht; die Schiedsrichterin hatte das Handspiel entweder nicht gesehen oder nicht als Verstoß definiert.
Jeder, der schon einmal ein, pardon, richtiges Fußballmatch verfolgt hat, sieht die Defizite in wenigen Minuten. Doch die seriöse Fachwelt einigte sich darauf, solche Erkenntnisse für sich zu behalten. TV-Kommentatoren berichten ausführlich über die Gemütslage der deutschen Rekord-Nationalspielerin Birgit Prinz, die jetzt auf der Ersatzbank sitzen muss und furchtbar darunter leidet. Dabei wäre die Analyse der meisten Matches so einfach: Liebes Publikum, das ist ein grauenhaftes Spiel. Vielen Dank, dass Sie trotzdem dabeibleiben. Besonders gerne wird in der WM-Berichterstattung auch über die schlechte Bezahlung der Fußballerinnen lamentiert, die großteils nebenbei noch einem Job nachgehen müssen. Die gute alte Doppelbelastung: Was täten wir ohne sie?
Die simple Wahrheit ist, dass Frauenfußball erst seit ein paar Jahrzehnten existiert. Die Damen sind mehrheitlich Amateure, trainieren entsprechend weniger und haben in ihren Ligen auch weniger Konkurrenz als die Männer. Natürlich schlägt sich das auf die Qualität des Gebotenen nieder. In zehn, zwanzig Jahren wird es besser sein aber so lange mag die PR-Maschine der FIFA nicht warten. Es geht darum, die Geschäftsbasis möglichst schnell auszubauen. Wenn Frauen spielen, so das Kalkül, schauen mehr Frauen zu. Das vergrößert den Markt dann vielleicht auch im Männerfußball.
Die Quoten im deutschen Fernsehen scheinen diese Überlegung zu bestätigen. Das Spiel Deutschland gegen Nigeria verfolgten zeitweise über 18 Millionen Seher. Allerdings ist das Phänomen auf Deutschland beschränkt. In den meisten anderen Ländern wird die Veranstaltung bestenfalls in Spartenkanälen übertragen und in Randnotizen beschrieben. Den Deutschen geht es mit ihrer Fußball-WM wie den Österreichern mit ihren Skifahrern: Der Rest der Welt kann die Begeisterung nicht ganz nachvollziehen.
Gar keine Schuld an der künstlichen Aufregung tragen die Kickerinnen. Sie sind selbst überrascht, dass sie plötzlich im TV-Hauptabendprogramm auftreten dürfen. Ich dachte, wenn schon 75.000 im Stadion sind, wie können dann noch 18 Millionen vor dem Fernseher hocken?, meinte vor Kurzem die deutsche Abwehrspielerin Linda Bresonik.
Wirklich absurd ist die Annahme, das Gemurkse auf dem Rasen sei ein Beitrag zur Frauenförderung. Wer ist bloß auf diese Idee gekommen? Es kann dem Feminismus doch nicht dienen, wenn Frauen vor großem Publikum drei Wochen lang einer Tätigkeit nachgehen, die sie nur mangelhaft beherrschen. Niemand hat etwas von geschützten Werkstätten, in denen Leistung nebensächlich und Kritik verboten ist. Hinter der stillschweigenden Übereinkunft der Männerwelt, kickende Frauen bei ihren Bemühungen nur ja nicht zu tadeln, steckt viel onkelhafte Herablassung: Sind sie nicht lieb? So fleißig haben sie trainiert! Und nach der WM geben sie dann hoffentlich eine Zeit lang Ruhe.
Sollte demnächst wieder einmal über Frauenquoten in Aufsichtsräten, Vorständen und politischen Gremien diskutiert werden, kann man die Damen an ihre Sternstunden auf dem Rasen erinnern. Einmal muss es ja genug sein mit der Gleichberechtigung.
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek lädt trotzdem zum gemeinsamen Fernsehen beim Finale am 17. Juli ein. Die Frauenfußball-WM beweist eindrucksvoll: Beim Kicken stehen Frauen ihren männlichen Kollegen um nichts nach, heißt es in der Einladung.
Na, dann noch viel Spaß.