"Wir wollen die Politik erobern“

Interview. Die Frauenrechtsgruppe "Femen“ über die Ketten der Frauen, Blumenkränze und das Patriarchat

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Interview: Robert Treichler

profil: Ihre Forderungen sind weniger bekannt als Ihre Nacktfotos.
Sascha Schewtschenko: Schade. Dennoch sind Sie nicht gekommen, weil Sie unsere Nacktfotos gesehen haben, sondern deshalb, weil Sie interessiert, wogegen wir demonstrieren, oder?

profil:
Sagen wir so: Femen hat international einen hohen Bekanntheitsgrad, und deshalb ist Ihre Gruppe auch für ein österreichisches Nachrichtenmagazin von Bedeutung. Und Ihre Popularität verdanken Sie ganz offensichtlich Ihrem offensiven Einsatz von Nacktheit.
Sascha: Also was möchten Sie uns fragen?

profil:
Was ist denn Ihre Hauptforderung?
Sascha: Wir sind überzeugt, dass sich eine Frau nicht nur mit Kindererziehung, Kosmetik, Mutterschaft und dergleichen beschäftigen soll, sondern mit Politik und Wirtschaft. Unser größter Gegner dabei ist die patriarchale Prägung unserer Gesellschaft. Dagegen protestieren wir.
Inna Schewtschenko: Ich würde unseren Protest bildhaft so darstellen: Die Männer haben die Frauen in Ketten gelegt, und die Ketten sind die Kleider der Frauen. Wenn ich eine verschleierte Muslimin betrachte, sieht sie für mich wie eine in einen Sack gesteckte Frau aus. Frauen sollen befreit werden von der Sklaverei der Männer. Jeder unserer Proteste ist ein Schrei gegen die Ketten, die wir immer noch tragen.

profil:
Steckt dahinter ein konsistentes Programm? Sie wenden sich etwa gegen die Prostitution. Verlangen Sie ein generelles Verbot?
Sascha: Wir kämpfen in der Ukraine gegen Sextourismus. Und wenn wir in einem zivilisierten Land wie Österreich sind, können wir nicht verstehen, dass hier die Prostitution - eine der schlimmsten Formen der Sklaverei - erlaubt ist. Wir wollen, dass die Kunden der Prostituierten kriminalisiert werden. Sie sind die Schuldigen.

profil:
Was gehört denn alles zum Erscheinungsbild einer Femen-Aktivistin? Nackte Brüste, Blumenkränze, blonde Haare, High Heels?
Inna: Das ist das Stereotyp, das Sie von Femen haben.

profil:
Stimmt.
Inna: Wir sind sehr medienbewusst und wollen ein provokantes, spektakuläres Bild abgeben. Deshalb die Blumenkränze, die High Heels, die langen Beine. Das bedeutet aber nicht, dass alle Femen-Aktivistinnen blonde, schlanke Schönheiten sein müssen. Wir haben auch eine 63-Jährige, die schon mal oben ohne protestiert hat.

profil:
Wollen Sie in der Ukraine eine Partei gründen? In Österreich sind Sie auf Einladung der Grünen. Ist das in etwa die politische Richtung von Femen?
Sascha: Wir machen vorerst Politik auf der Straße. Um in der Ukraine eine ernsthafte Partei zu gründen, braucht man viel Geld. Wir müssten einen Oligarchen finden, der uns finanziert. Wir wollen uns aber nicht verkaufen und in jemandes Interesse agieren. Aber wenn wir die Möglichkeit haben, dann werden wir das machen. Wir wollen die Politik erobern.

profil:
Werden in Ihrer Partei auch Männer zugelassen sein?
Inna: Ja.
Sascha: Nein.

Fotos: Michael Rausch-Schott für profil