Freiwilligkeit bewirkt nichts
Es ist noch nicht lange her, dass Frauenquoten als sinistres Teufelswerkzeug des Feminismus galten, verhöhnt von Männern, verachtet von vielen Frauen, die nicht als Quotenfrau gelten wollten. Doch neuerdings gewinnt das böse Q-Wort unerwartete Unterstützer, quer durch Europa. Selbst auf EU-Ebene preschte Justizkommissarin Viviane Reding, eine christlich-soziale Politikerin, vor und will nun über Frauenquoten für die Wirtschaft diskutieren.
Nur die Regierung in Österreich hatte sich bei diesem Thema wie bei vielen anderen festgefahren. Für die SPÖ drängte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek seit über einem Jahr darauf, Frauenquoten festzuschreiben. Doch die ÖVP blockte ab: Man dürfe die Handlungsfreiheit der Wirtschaft nicht beschränken.
Nun die überraschende Wende: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ließ sich davon überzeugen, dass ohne Zwang Aufsichtsräte Herrenrunden bleiben. Er präsentiert im profil-Interview sein Modell: Für staatliche Unternehmen soll eine Frauenquote vorgeschrieben, für private börsennotierte Unternehmen die freiwillige Selbstverpflichtung in den Benimmregeln verschärft werden. Damit scheint eine rasche Einigung in der Regierung möglich, denn Mitterlehner ist von Heinisch-Hoseks Vorstellungen nicht weit entfernt. Ihr wäre eine allgemeine Quote zwar lieber gewesen. Zunächst plädiert aber auch sie für Quoten in Staatsbetrieben und die Selbstverpflichtungen Privater. Nur bei der Höhe der Quote würde die Frauenministerin weiter gehen: Ihr schweben 40 Prozent vor, Mitterlehner hingegen 30 Prozent.
Davon sind die staatsnahen Betriebe weit entfernt. Hunderte Unternehmen im (Mit-)Eigentum von Bund, Ländern und Gemeinden listet der Rechnungshof auf, von der Agrarmarkt Austria bis zur Wiener Zeitung. Von den 1202 Aufsichtsräten sind 16 Prozent Frauen. Der Durchschnitt wird von den Universitäten und ihrem großen Frauenanteil angehoben im Bereich Luftverkehr, der Branche mit den höchsten Gehältern, liegt der Frauenanteil bei null.
Die Frauenquote für Staatsbetriebe könnte relativ leicht fixiert werden. Da der Staat Eigentümer ist, soll es eine Selbstverpflichtung des Staates sein. Dazu braucht es kein Gesetz. Die kann mit Ministerratsbeschluss getroffen werden, sagt Mitterlehner. An Strafen denkt er vorerst nicht: Wenn ein Unternehmen die Frauenquote nicht einhält, winkt als Sanktion gesellschaftliche Kritik. Andere Sanktionen kann ich mir im ersten Schritt nicht vorstellen. Er hofft aber, dass die Regelung Folgewirkungen hat: Mehr weibliche Aufsichtsräte könnten mehr weibliche Vorstände bestellen, da liegt der Frauenanteil in Staatsbetrieben bei 11,6 Prozent.
Noch deutlicher sind Männer in privaten Unternehmen unter sich: Die Arbeiterkammer errechnet für die Top-200-Unternehmen einen Frauenanteil in der Geschäftsführung von 4,4 Prozent, in den Aufsichtsräten sitzen 10,3 Prozent Frauen.
Erst als Ultima Ratio sollen auch für Private Quoten gelten, sagt Mitterlehner. Andere EU-Staaten gehen weiter: Die konservative Regierung Frankreichs beschloss vor wenigen Wochen, allen großen Unternehmen eine Frauenquote von 40 Prozent vorzuschreiben bei Nichterfüllung soll es finanzielle Sanktionen geben. In Spanien gilt seit 2007 eine Frauenquote von 40, in den Niederlanden von 30 Prozent, Strafen sehen beide Staaten nicht vor. Am strengsten ist Norwegen: Börsennotierten Unternehmen, die weniger als 40 Prozent Frauenanteil aufweisen, droht die Zwangsauflösung.
Die längste Tradition haben Frauenquoten in der Politik: Bis auf die Rechts-außen-Parteien verordneten sich fast alle Gruppierungen ein Mindestmaß an Frauen. Quer durch Europa erreichen Regierungen und Parlamente Frauenanteile, von denen die Wirtschaft nur träumen kann. Die ehemalige Außenministerin Ursula Plassnik formulierte die Lehre daraus einmal so: Die Quote ist unelegant. Aber sie wirkt.
Das ausführliche Interview mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner finden Sie im aktuellen profil 11/08!