Privatvergnügen

Porträt. Die widerspenstigen Menschenbilder der Künstlerin Friedl Kubelka

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Intimität und Distanz gehen im Werk der Künstlerin Friedl Kubelka eigenartige Mischverhältnisse ein. Ihre Fotografien und Filme, in denen Menschen den Blick der Kamera meist sehr entschieden erwidern, halten die Balance zwischen Vertrautheit und Unnahbarkeit. Sie sind mysteriös, dabei alles andere als künstlich verrätselt; sie verführen, ohne zu idealisieren. Vorteilhaft muss hier niemand aussehen (vor allem mit sich selbst geht die Fotografin gern hart ins Gericht) – schön sind gerade deshalb viele derer, die sie seit 1963 abgelichtet hat, dennoch.
Dabei kennt sie auch die andere, die kommerzielle Seite ihrer Kunst. Als Modefotografin arbeitete sie in den 1970er-Jahren, auch auf kreativen Fotojournalismus hätte sie damals Lust gehabt.

Um 1977, so erinnert sie sich, habe sie profil kontaktiert und angeboten, Politiker per Serienfotografie abzubilden. Man könne sich doch, wenn man einen Menschen nicht auf einen einzigen Gesichtsausdruck festnagle, ein viel genaueres Bild von diesem machen, argumentierte sie. Ihr Ansinnen wurde abgewiesen – eine solche Idee sei nicht umzusetzen, ein Politikerporträt müsse mit großem, repräsentativem Foto erscheinen. So blieb sie mit ihrer Methode bei der Kunst: Mit ihren vielteiligen Tagesporträts rückt sie seit 1974 Freunden, ihrer Familie, Künstlern, auch Kindern, einmal sogar einem Esel zu Leibe. Ihre Jahresporträts, die sie seit 1972 im Fünf-Jahres-Rhythmus anfertigt, sind konzeptuell aufwändiger: Ein ganzes Jahr lang fotografiert Friedl Kubelka sich dafür täglich selbst, egal wo, daheim oder auf Reisen, am Fenster, im Bett, bei der Arbeit, öffentlich, privat. Erst vor wenigen Tagen hat sie ihr neuntes Jahresporträt abgeschlossen.

Angst vor zu viel Anerkennung
„Das menschliche Gesicht interessiert mich am allermeisten, mehr noch als der Körper“, stellt sie fest: „In meinen Filmen geht es darum, ein Gefühl entstehen zu sehen in den Gesichtern derer, die ich filme. Meine Fotos sind insofern problematischer, als ich dort ein Gefühl nur festhalten kann.“ Inzwischen nehme sie die filmische Arbeit, die sie 1968 begonnen hat (und zwischen 1974 und 1993 auf Eis legte), sogar wichtiger als die Fotografie. Die Länge des Materials definiert die Dimension ihrer Werke: „Eine Rolle 16mm-Film dauert knapp drei Minuten, das ist das Zeitmaß jeder meiner Arbeiten.“ Ihre Kinowerke sind in der Regel ungeschnitten, bereits in der Kamera montiert – „weil ich das Chaos nicht aushalte, wenn ich einen Film einmal zerschnitten habe“. Für ihre bewegten Bilder hat sich Kubelka 2009 einen neuen nom de guerre gegeben: Friedl vom Gröller, abgeleitet von ihrem Mann, dem Psychoanalytiker Georg Gröller.

Ein stattliches, von Dietmar Schwärzler ediertes Buch, das Hunderte Fotoarbeiten (und per beigelegter DVD auch 23 ihrer kurzen Filme) reproduziert, wird diese Woche in Wien vorgestellt. Das Cover zeigt das erste Selbstporträt, ein Spiegelbild der 19-jährigen Künstlerin, die mit seltsam abgeklärtem Blick ihre zweiäugige 6x6-Rolleiflex-Kamera bedient, mit der sie übrigens heute noch arbeitet. Die Skepsis ist ihr geblieben, aber auch die unbedingte Fähigkeit zur Leidenschaft, eine ungewöhnliche Mischung aus Selbstkritik, Scheu und Durchsetzungsvermögen. Sie lege Wert auf das „Fehlerhafte“ in ihren Werken – auch weil sie „Angst davor habe, dass zu viel Anerkennung mich von meinem spielerischen Umgang mit Film ablenken könnte. Ich setze alles daran, mich vom Erfolg unabhängig zu machen, versuche, Erwartungshaltungen nicht zu entsprechen und will von der Kunst auch nicht leben müssen.“ Es falle ihr ohnehin äußerst schwer, sich von ihren eigenen Werken zu trennen. „Meine künstlerische Arbeit muss unbedingt ein privates Vergnügen bleiben, ähnlich wie der Liebesakt: Den sollte man auch nicht zu öffentlich machen, sonst liefe er Gefahr, sich entscheidend – und nicht zum Besseren – zu verändern.“

Dietmar Schwärzler (Hg.): Friedl Kubelka vom Gröller. Photography & Film, (JRP | Ringier und Christoph Keller Editions), 368 Seiten, 40 Euro.
Buchpräsentation am 10.4., 19 Uhr, mit Filmen, Dias und Gesprächen im Kino des Museums moderner Kunst im Wiener MQ.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.