Geheimes Netzwerk beim Eurofighter-Deal

Geheimes Netzwerk beim Eurofighter-Deal: Millionenbeträge an Wiener Waffenhändler

Millionenbeträge an Wiener Waffenhändler

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London W1S 4ND, 31 Dover Street: Wer der Vector Aerospace LLP einen Besuch abstatten möchte, kommt nicht weit. Am Eingang kein Schild, im Telefonbuch keine Nummer, an der Gegensprechanlage keine Auskunft – und schon gar kein Einlass. Dabei brennen oben im dritten Stock, wo das Unternehmen angeblich residiert, die Deckenleuchten, die Fenster sind frisch geputzt. Dort wird offenbar gearbeitet. Die Tür bleibt dennoch geschlossen. Warum diese Heimlichtuerei? profil vorliegenden Gründungs- und Firmenbuchdokumenten zufolge spielt Vector die Schlüsselrolle bei einem Megadeal, dem in Österreich auf höchster politischer Ebene vordringliche Bedeutung zugemessen wird: den so genannten Eurofighter-Gegengeschäften. Sie sollen im Gegenzug für den Ankauf von 15 Abfangjägern durch die Republik der heimischen Wirtschaft Aufträge in Milliardenhöhe einbringen – Flugzeugproduzent EADS hat sich verpflichtet, das einzufädeln.

Wesentlicher Geschäftszweck von Vector ist eigenen Angaben zufolge, „die Erfüllung der von EADS-D (D steht für Deutschland, Anm.) gegenüber der österreichischen Regierung übernommenen, aus dem Verkauf von Flugzeugen entstandenen Verpflichtungen wahrzunehmen und zu gewährleisten“, heißt es in ihrer Bilanz 2006. Damit seien „die Entwicklung, Präsentation und Verhandlung von Gegengeschäften mit der österreichischen Regierung“ gemeint. Klingt hochoffiziell. Ist es aber nicht. Und das könnte eine Erklärung für die absolute Auskunftsunwilligkeit an der Londoner Adresse 31 Dover Street sein. In Österreich will auf Anfrage von profil niemand etwas mit einem Unternehmen namens Vector Aerospace LLP zu tun haben. Weder das Wirtschaftsministerium, das für die Gegengeschäfte verantwortlich zeichnet. Noch das Verteidigungsministerium, das den Abfangjägerkauf abwickelt. Und schon gar nicht jener Wiener Waffenhändler, dessen Gesellschaft von Vector bereits mehrere Millionen Euro erhalten hat – obwohl er offiziell mit den Gegengeschäften gar nicht befasst ist.

Geheimer Geldkreislauf. Nur ein einziges Mal ist Vector bislang aufgetaucht: im Eurofighter-Untersuchungsausschuss. Bloß konnte oder wollte dort keiner der Befragten etwas dazu sagen, die Nachforschungen schliefen ein. Jetzt wecken Recherchen des Grün-Abgeordneten Peter Pilz und von profil einen Verdacht: Vector könnte Teil eines inoffiziellen Finanzkreislaufs außerhalb der Eurofighter-Gegengeschäfte sein, der bislang erfolgreich geheim gehalten wurde – vor der österreichischen Regierung und den Partnern der Gegengeschäfte. Mindestens 40 Millionen Euro sind auf diese Art und Weise bereits über ein Firmennetzwerk geflossen, das sich jeglicher Kontrolle durch heimische Ministerien und österreichische Behörden entzieht. Pilz zieht daraus in einer parlamentarischen Anfrage den Schluss, dass das Geld über Scheinfirmen und Strohmänner für nicht im Gegengeschäftsvertrag „vorgesehene und nicht durch den Vertrag erlaubte Tätigkeiten verwendet wurden“. Aber für welche? Die Suche nach einer Antwort beginnt bei Klaus-Dieter Bergner. Der ehemalige EADS-Manager fungiert derzeit als Geschäftsführer der Euro Business Development GmbH (EBD), die offiziell genau das macht, was eigentlich Vector zu tun angibt: Gegengeschäfte abwickeln. Im Gegensatz zu Vector ist die EBD aber immerhin im österreichischen Firmenbuch unter Nummer 255711x eingetragen. Als 100-Prozent-Eigentümer wird die ALTA Wirtschaftstreuhandgesellschaft, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m. b. H. genannt. Hier endet die Transparenz aber auch schon.

Denn über die Eigentümerstruktur der EBD wollte Bergner im Eurofighter-Ausschuss partout keine Auskunft geben. Erst über Umwege fand Pilz heraus, dass es sich bei den EBD-Eigentümern um zwei Rüs­tungsfachleute handelt, die ihre Anteile treuhändisch von der ALTA verwalten lassen: den EADS-Lobbyisten Alfred Plattner und den Wiener Waffenhändler Walter Schön, Eigentümer der in Wien domizilierten Schön Aerospace GmbH. Sonderlich auskunftsfreudig sind beide nicht: Plattner sorgte schon im parlamentarischen U-Ausschuss durch Schweigsamkeit für Unmut. Er sei nur ein besserer Chauffeur gewesen – viel mehr war ihm nicht zu entlocken. Und Walter Schön? Schweigt ebenfalls. Dabei könnte wahrscheinlich gerade er einiges zur Klärung der Frage beitragen, was es mit dem seltsamen Finanzkreislauf am Rande der Eurofighter-Gegengeschäfte auf sich hat. Denn über ihn führt die Spur in ein Firmennetzwerk, das sich über Luxemburg und Malta bis nach Washington D. C. und auf die Virgin Islands verzweigt. Schön ist nicht nur Hälfteeigentümer der EBD. Über seine in Österreich nicht registrierte Centro Consult Ltd. kassierte er nach Informationen von profil binnen zwei Jahren immerhin rund 7,6 Millionen Euro.

Und zwar von Vector Aerospace. Für nicht näher definierte „services“.
Hier kommt ein geheimnisvoller Italiener ins Spiel, der sich beim Gründen von Gesellschaften und Firmennetzwerken auskennt. Gianfranco Lande, Geschäftsführer von Vector Aerospace – dem offiziellen Geschäftszweck des Unternehmens zufolge sollte er Ansprechpartner für die Republik Österreich sein. Die Bilanzen von Vector weisen für die Geschäftsjahre nach der Unterzeichnung des Eurofighter-Vertrags Umsätze von rund 40 Millionen Euro aus. Allerdings beschäftigt das Unternehmen keinen einzigen bezahlten Mitarbeiter. Und wer nach den Eigentümern von Vector sucht, stößt bloß wieder auf ein schwer durchschaubares Firmennetz. Es überrascht kaum, dass weder im österreichischen Wirtschafts- noch Verteidigungsminis­terium jemand von Lande gehört hat. Geschweige denn Lande je persönlich kennen lernen durfte. profil stöbert ihn vergangene Woche zwar auf – nicht in London, sondern in Bordeaux. Fragen will er aber nicht beantworten. Von Frankreich aus sei das unmöglich, lässt Lande ausrichten. Vielleicht von Rom aus, nächste Woche.

Verschwiegen. Lande und Schön verbindet mehr als der Hang zur Verschwiegenheit. Unternehmen im Einflussbereich der beiden firmieren an denselben Adressen in London, Lande führt zudem eine Gesellschaft, die wiederum an Schöns Centro Consultant Ltd. beteiligt ist. Verwirrend? Soll es auch sein, vermutet der Grün-Abgeordnete Peter Pilz in seiner aktuellen parlamentarischen Anfrage: „Es besteht der Verdacht, dass durch die Kons­truktionen der Scheinfirmen, ihre wechselseitige Verschachtelung sowie durch den Einsatz sogenannter ,Strohmänner‘ wie etwa Gianfranco Lande der eigentliche Zweck der verschiedenen Zahlungsflüsse von Anfang an verschleiert werden sollte.“ Von profil mit 18 Fragen zu den Vector-Centro-Millionen und EADS-EBD-Deals konfrontiert, antwortete Schön vergangene Woche mit einem einzigen knappen Satz via E-Mail: „Die Schön Aero­space GmbH und Dr. Walter Schön waren weder an der Typenentscheidung für Eurofighter beteiligt, noch sind sie im Bereich der Eurofighter-Gegengeschäfte in Österreich operativ tätig.“ Er ersuche daher, diesbezügliche Anfragen an die zuständige Euro Business Development GmbH (EBD) zu richten.

Also an jenes Unternehmen, bei dem die Suche nach Antworten begonnen hat. EBD-Geschäftsführer Bergner will aber auch nicht viel über Lande, London und Limited-Gesellschaften sagen. Dabei hat auch die EBD Geld von Vector bekommen – 120.000 Euro im Jahr 2005. „Ich habe Berichte für Lande verfasst“, so Bergner. Deren Inhalt: „Unterliegt dem Geschäftsgeheimnis.“ Nur so viel: Er melde nach London Geschäftsopportunitäten in Österreich. Vector sei die zentrale Schaltstelle zum Eurofighter-Konsortium. Also brüstet sich die Briefkastenfirma ohne Angestellte ihrer Schlüsselrolle doch zu Recht? „Ich glaube, die Firma Vector koordiniert für das Eurofighter-Konsortium die Entwicklung der Gegengeschäfte – was weiß ich“, sagt Klaus-Dieter Bergner, jener Mann, der seit 2005 für sämtliche Behörden in Österreich hochoffizieller Ansprechpartner für Gegengeschäfte war: „Zumindest nehm ich das an.“ n

Von Josef Barth und Martin Staudinger; Mitarbeit: Marliese Andexer, London