Handel: Billas Bio-Boy sagt bye-bye

W. Lampert verlässt den Rewe-Konzern

Drucken

Schriftgröße

Post vom Chef. Am Donnerstag, den 14. August, erreichte die österreichischen Führungskräfte des Handelskonzerns Rewe eine trocken formulierte Mitteilung von Veit Schalle. „Nach dem Ausscheiden von Herrn Lampert ergibt sich die Möglichkeit einer Neustrukturierung der Ja!Natürlich-Abteilung“, richtete der Rewe-Austria-Boss per E-Mail aus.

Für Österreichs Supermarktkonzern Rewe mit seinen beiden großen Handelsketten Billa und Merkur stellt der Abgang des langjährigen Ökostrategen Werner Lampert eine bedeutende Zäsur dar. Für zahlreiche Manager im Konzern kam die Nachricht von der Trennung dennoch nicht überraschend. „Das hat sich schon länger abgezeichnet“, meint einer der Adressaten des E-Mails.

Werner Lampert, 58, gilt weit über die Rewe-Gruppe hinaus als unkonventioneller, wenn auch keineswegs unumstrittener Vordenker. Wie kaum ein anderer hat er es verstanden, den Trend zu gesunden, natürlichen Lebensmitteln rechtzeitig zu erkennen und in geschäftlichen Erfolg umzumünzen.

Querdenker. Als Erfinder der von Billa und Merkur exklusiv vertriebenen Biomarke Ja!Natürlich gelang es dem gebürtigen Vorarlberger und anthroposophischen Querdenker, Bioprodukte vom Image schrumpeliger Kartoffeln und erdverkrusteter Karotten zu befreien. Er verschaffte Bioware den Glanz einer echten Marke und machte sie massenfähig. Damit veränderte er einerseits nachhaltig das Kaufverhalten der österreichischen Konsumenten; gleichzeitig verhalf er dem Rewe-Konzern innerhalb von neun Jahren zu einem umsatzstarken und von der Konkurrenz nicht leicht zu kopierenden Sortiment.

Im Geschäftsjahr 2002 verkaufte Rewe Ja!Natürlich-Produkte im Wert von 230 Millionen Euro. Oder anders ausgedrückt: Jeder dritte von Billa und Merkur verkaufte Liter Milch und gar 80 Prozent des Brotes tragen das Etikett „Ja!Natürlich“. Eine Entwicklung, auf die Lampert „außerordentlich stolz“ ist.
Lampert, dessen Äußeres mit zerzaustem grauem Haar und Rauschebart seinen guruartigen Status unterstreicht, hätte Schalles Schreiben auch erhalten sollen. Doch er ist seit Ende Juni nicht mehr in seinem Büro erschienen. Vor einem Monat hat er sich einer Operation unterzogen, bis Ende September ist er im Krankenstand: Stirnhöhlenentzündung und chronische Bronchitis. „Der Job hat ihn krank gemacht“, meint ein guter Freund. Lampert selbst gibt unumwunden zu, dass seine Tätigkeit zuletzt nicht sehr erquicklich verlaufen ist: „Ich habe jahrelang sieben Tage die Woche gearbeitet. Das hat mir auch Spaß gemacht. Aber das letzte Jahr war nicht erfreulich.“

Näher will der gelernte Ethnologe auf das Ende seiner neun Jahre bei Billa und Merkur nicht eingehen. Schließlich stecken er und der deutsche Handelskonzern mitten in den Verhandlungen zur Auflösung seines Konsulentenvertrages, der eigentlich erst Ende August 2005 ausgelaufen wäre. Angestellt war Lampert nie. Ende August 2003 soll nun sein Engagement vorzeitig enden. Veit Schalle ist dazu kein Wort zu entlocken. „Ich habe nichts zu sagen“, blockt der Rewe-Austria-Chef ab.

Tatsächlich aber trennen mittlerweile unüberbrückbare Differenzen die beiden ehemaligen Freunde. Mitarbeiter in Wiener Neudorf wissen zu berichten, dass Schalle dem Bauernspross aus Götzis zunehmend die Rückendeckung für dessen Projekte verwehrte. Zum Beispiel für Alpha Pan, eine Biomarke für hochpreisige Milchpodukte und Müslis. Den darin enthaltenen Wirkstoffen aus Weizengras wird eine gesundheitsfördernde Wirkung attestiert.

Erfolglos. Der Raiffeisenverband Salzburg, dessen Tochterunternehmen Vis-Vitalis die Weltneuheit Alpha Pan entwickelt hat, suchte vor zwei Jahren nicht lange, um einen geeigneten Mann für die Vermarktung zu finden: Die Raiffeisen-Manager klopften gleich bei Lampert an und machten ihn kurzerhand zum Geschäftsführer von Vis-Vitalis. Die neue Biolinie sollte ein Verkaufshit werden und an den Erfolg von Ja!Natürlich anschließen. Billa und Merkur erhielten die exklusiven Vertriebsrechte.

Doch der erwartete Erfolg stellte sich nicht ein. Die 18 Alpha-Pan-Produkte trafen im wahrsten Sinne des Wortes nicht den Geschmack der Konsumenten. Sie gerieten zum Flop und wurden vor einigen Monaten überarbeitet. Bisheriger finanzieller Aufwand: 18 Millionen Euro.

„Man muss einfach dranbleiben. In zwei, drei Jahren kommt auch Geld zurück“, gibt sich Lampert nach wie vor zuversichtlich. Und auch Manfred Holztrattner, Chef des Salzburger Raiffeisenverbandes, versichert: „Wir sind jetzt mit der Entwicklung zufrieden.“

Doch die Supermarktketten Billa und Merkur weigern sich hartnäckig, Alpha Pan großflächig zu bewerben. „Die glauben nicht mehr daran“, so ein Kenner der Verhältnisse, der es für möglich hält, dass Alpha Pan nach dem Abgang von Lampert bei Rewe schon bald aus den Billa- und Merkur-Regalen entfernt werden könnte.

Durch den Fehlstart von Alpha Pan hat Lampert im Rewe-Konzern jedenfalls Vertrauen eingebüßt. So konnte er Schalle bis heute nicht dazu bewegen, die Fertiggerichte von „Chef Menü“ alternativ auch als Biolinie anzubieten oder bei den Rewe-Supermärkten in Italien die Biomarke Si!Naturalmente – ein Pendant zu Ja!Natürlich – stärker zu forcieren. Außerdem, berichten Mitarbeiter der Rewe-Zentrale, hätten ihm die bäuerlichen Lieferanten zunehmend die Gefolgschaft verweigert. Für gewöhnlich verhandelt der Purist Lampert persönlich die Lieferverträge mit den Bioproduzenten für Billa und Merkur – allerdings mit zunehmender Ungeduld. „Im Biomarkt“, so Lampert unlängst, „geht es bereits so toll zu wie im konventionellen Markt. Aber mit mir kann man in der Sache nur schwer Kompromisse machen.“

Doch nicht nur renitente Lieferanten und ein abrückender Chef machten dem Biostrategen das Leben in der jüngeren Vergangenheit ungemütlich. Der einst hoch geschätzte Biopionier geriet im Unternehmen immer mehr ins Schussfeld von Neidern. Kolportierte 580.000 Euro Jahreshonorar soll Lampert, bemessen nach dem Umsatz der Bioprodukte in den beiden Supermarktketten, zuletzt erhalten haben. Der genannte Betrag übersteigt die bei Rewe Austria üblichen Managergehälter bei weitem.

Zenit. Zu guter Letzt scheint auch Lamperts Erfolgskonzept Ja!Natürlich seit einiger Zeit an seine Wachstumsgrenzen zu stoßen. Thomas Huber, ehemaliger Rewe-Manager und heute Marktforscher beim Beratungsunternehmen Accenture, konstatiert, dass „der Anteil der Bioprodukte am Gesamtmarkt in Österreich den Zenit bereits überschritten“ habe. Und selbst Lampert sieht rückläufige Tendenzen: „Das Interesse an Bioprodukten hat abgenommen.“

All diese Entwicklungen sollen Lampert schließlich amtsmüde gemacht haben. Zumindest was den Supermarktkonzern Rewe betrifft. Rewe-Konzernsprecher Wolfram Schmuck fällt dazu bloß eine gängige Phrase ein: „Herr Lampert verlässt das Unternehmen auf eigenen Wunsch.“

Doch Lampert wird dem Konzern auch künftig verbunden bleiben – und zwar als Chef eines Biobetriebs unweit von Wien: dem Csardahof. Der Gutshof im burgenländischen Pama gehört der Familie von Hans Dichand, dem Gründer und Herausgeber der „Kronen Zeitung“. Dessen Sohn Michael war mit der großen Biolandwirtschaft mäßig erfolgreich, die Familie sprang finanziell ein. Auf Empfehlung von Billa-Gründer Karl Wlaschek übernahm daraufhin Lampert die Leitung und machte den Csardahof zum größten Gemüselieferanten von Ja!Natürlich. Radieschen, Zucchini, Kohlrabi und viele andere Gemüsearten, aber auch Weizen und Gerste werden exklusiv für Billa und Merkur produziert. Dabei soll es bleiben.

Für Lamperts immer noch beträchtlichen Tatendrang ist der Csardahof freilich kein ausreichendes Betätigungsfeld. „Ich will wieder die Glut des Herzens spüren“, sagt er. „Am liebsten würde ich das ganze Marchfeld auf biologische Landwirtschaft umstellen. Das wäre mein Traum.“