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Helmut A. Gansterer Bit und Byte und USA

Bit und Byte und USA

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„So wie die Wirtschaft kennt unser ganzes Leben die Konjunktur“ Nikolai Kondratieff

Ich verehre meine Freunde, die danach ausgesucht wurden, gescheiter zu sein als ich. In spezieller Weise trifft dies auf Georg Hoffmann-Ostenhof zu. Er pölzt mein Wissen und verlangt nichts dafür. Er bürstet die Agenden der Weltpolitik so unberechenbar gegen den Mainstream, dass Erfrischung garantiert ist, siehe seine profil-Kolumnen. Und persönliche Begegnungen zeigen seinen links-humanistischen Kern so unverletzt, dass ein Reaktionär wie unsereiner sich als Hunnen-Mephisto empfindet.

Das Humanistische wird gottlob abgefedert durch seine ­Abscheu, wie andere Herzens-Linke dumpf alles abzulehnen, was vom bürgerlich-konservativen Lager geleistet wird. Ostenhof ist mit intellektueller Redlichkeit bemüht, alle guten Taten von Mitte-rechts in ein schönes Licht zu stellen. Was ihn bei starren Linken logisch in den Verdacht des Verräters rückt.

Als Beobachter, dem Schadenfreude nicht fremd ist, freut mich das. Von Robert „Telemax“ Löffler wissen wir: „Es gibt auch im Leid des Freundes manches, das uns nicht gänzlich missfällt.“ Mir gefällt auch, dass Freund Ostenhof den Jugend­spitznamen „Hasi“ bis heute nicht abwerfen konnte. Das zinst die Würde des interessantesten Außenpolitikjournalisten ­Österreichs ab. Und macht insofern extra lange Löffel, als „Rabbit“ in den Romanen von John Updike als Synonym für langweiliges Mittelschichtproletariat befestigt wurde.

Dieser also geschundene, exzellente Mann Georg Hoffmann-Ostenhof schrieb hierorts jüngst die Kolumne „Yes, We Pad.“ Grundtenor: „Die Auftritte von Barack Obama und ­Steve Jobs zeigen: Vernunft, Dynamik und Innovation sind noch immer häufig made in USA.“ Diese helle Botschaft ­bewog mich, die eigene USA-Sicht zu überdenken.

Ich bin zunächst eher mit Instinkt als Verstand aufseiten ­Ostenhofs. Mich stört ja längst, dass ich die USA eigentlich wegen Bush nicht mehr mochte, und weil ich während der Security-Scannings auf den Airports nicht rauchen durfte und weil die Leistungsbilanzen schamlos frisiert sind und weil der Dollar eine Leidwährung ist. Ich möchte die USA auch wieder gernhaben. Die Generation vor mir hatte keine Probleme mit den USA. Im Gegenteil. Von meiner Mutter und dem kürzlich verstorbenen Vater weiß ich, dass man nie aufhörte, für den Weltkriegseintritt der USA, das damit erwirkte „richtige Ende“ und Wohltaten der unmittelbaren Nachkriegszeit wie den Marshall-Plan dankbar zu sein. Diese Generation hat Vietnam nie wahrgenommen und war zeit des Kalten Kriegs selbstverständlich aufseiten der USA, erst recht wieder nach der Ungarn-Revolution 1956 und dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag 1968. Die Geschehnisse nach Nine-Eleven führten zu einem vagen Unwohlsein gegenüber den USA, das man aber verdrängte. Man hatte dafür das Recht des Alters.

Rückblick 1968: Meine Generation, durch die Jugend­revolte an eigene Hauptorte wie Frankfurt und Paris gebunden, ist den USA dieser Zeit eher indirekt zugetan. Nur wenige waren wirklich in Woodstock. François Jenewein, später Personalberatungspionier Österreichs, schenkte mir die erste Seidenkrawatte mit Flower-Power-Motiv. Seine Frau Rita trug affengeile, irrwitzig weit ausgestellte US-Hosen. Man las Kerouacs „On the Road“, Ginsbergs Gedicht „Howl“ und schrieb, wie in meinem Fall, dennoch kapitalistische Werbetexte und TV-Spots für Shell, Mars und Mercedes.

Die wirklich große, bewundernde Liebe zu Amerika kam mit den achtziger Jahren. Nach dem IBM-Microsoft-PC (1981) und dem Apple-Mac (1984) haben Alfred Worm für profil und ich für „trend“ praktisch in Silicon Valley gewohnt. Wir erlebten die Demokratisierung der Digitaltechnik. Wir trafen alte Legenden wie William Hewlett (Hewlett & Packard, heute HP) und DEC-Chef Ken Olsen, der sich als Märtyrer der „Mittelcomputer“ am PC zu Tode lachte. Wir nützten in jedem Uni-Campus unseren Reiz als exotische Euro­päer. Wir erlebten Kinder, die Firmen gründeten. Mit der schlechtesten Menschenkenntnis, die je ein Journalist einbrachte, hielt ich Steve-Jobs-Killer John Sculley für wichtiger als Steve Jobs, und Sculleys Handheld-Computer „Newton“ für jene Revolution, die wir erst heute mit dem ­Apple-iPad (nun wieder unter Steve Jobs) erleben.

Die letzte Erinnerung an die wild-schönen US-Jahre: Ich sehe von meinem Zimmer im „Fairmont“ auf dem Nob Hill in San Francisco (wo man die TV-Serie „Hotel“ drehte) im Morgengrauen lange Menschenschlangen, die sich vom ­Russian Hill hinabwinden zum Union Square, wo man um neun Uhr Windows 3.0 ausliefern würde, als erstes Microsoft-Betriebsprogramm mit GUI-Geschmack (GUI = Graphical User Interface). Es war ärger als jeder Auflauf für neue Sony-­Playstations in Tokio und undenkbar fürs elegante Europa.

Jetzt erst, in Erinnerung daran und verbunden mit Hasis ­Kolumne, erkenne ich ein Grundmuster, das uns helfen ­könnte, manches Wichtige zu begreifen. Die USA sind der Kontinent der Jungen und Kinder, unfassbar begeisterungsfähig, ausgerichtet aufs Neue und gleichgültig gegenüber dem Alten, auch wilde Käufer des Neuen, notfalls auf Kredit. Die reine Horizontale. Im Vergleich dazu sind die alten Kontinente Europa und Asien (Japan) vertikal ausgerichtet, auf Befestigung und Qualität. So verloren die USA das Auto, blieben aber unerreicht in allem, was Computer betrifft. Japan glänzt bei Digitalkameras (wie schon zuvor beim Fax), weil es auf Bild, nicht Text ausgerichtet ist. Europa liegt als wägendes Pendel mittendrin.

Wie dies weitergeht, werden Georg Hoffmann-Ostenhof und ich – getrennt marschierend, vereint schlagend – in ferneren profil-Kolumnen darstellen.

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