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Helmut A. Gansterer Das Glück ist ein Hund

Das Glück ist ein Hund

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Hundebesitzer sind, neben Lehrern und Nichtrauchern, die schärfsten Leserbriefschreiber. Sie haben mich eh schon Kimme auf Korn, weil ich mit Entzücken W. C. Fields zitierte: „Wer Hunde und kleine Kinder hasst, kann kein schlechter Mensch sein.“ Um die reine Liebe, die mich mit den LeserInnen verbindet, nicht weiter zu gefährden, ein paar besänftigende Worte zum Hund im Titel. Er rutschte hinein, weil diese Kolumne in Graz geschrieben wurde. Man anverwandelt sich die Sprache der Umgebung. Und die Steirer bellen halt gerne Sätze wie „Die Gier ist ein Hund“, „Der Durst ist ein Hund“ und eben auch „Das Glück ist ein Hund“.
Außerdem: Man kann den alten Satz „Das Glück ist ein Vogerl“ nicht mehr schreiben, ohne zu klecksen. Obwohl er wie viele Altwiener Sprüche weise ist. Manche halten ihn überhaupt für das Einzige, was wir vom Glück wissen: dass es her­anfliegt, wenn du es nicht rufst, und wegfliegt, wenn du nach ihm greifst.
Wohl deshalb hat auch Dr. Georg Schildhammer in seinem wissenschaftlich tiefen, dennoch verständlich geschriebenen Werk „Glück“1 das Vogerl noch einmal flattern lassen. Das dünne Taschenbuch, rund 120 Seiten, fängt schon gut an, mit einer feinen Widmung: „Für meine Mädels und Jungs. Glücklich, wer solche Freunde hat!“ Erstklassig auch das Inhaltsverzeichnis. Auf einer einzigen Seite kartografiert der Autor die ausgedehnten Ländereien des Begriffs Glück, darunter das profanisierte Glück (zum Beispiel Aberglauben), das erdachte Glück (Philosophiegeschichte), das erglaubte Glück (Religionsgeschichte) bis zum künstlichen Glück (Drogen) – aber lesen Sie besser das Original, siehe Fußnote.

Jenes Glücksbuch ist eine von wenigen Inseln im Meer des derzeit publizierten Glücks-Schwachsinns. Darin zu segeln war elende Pflicht, nicht heitere Kür. Glücksliteratur macht meist unglücklich. Allen voran, nicht unerwartet, die zirka 500 Abhandlungen konservativer Frauenmagazine über Glück & Diät, Glück & Liebe und „Glück & Universum“. Bestsellerautor Dr. med. Eckart von Hirschhausen („Glück kommt selten allein …“) spottet in seinem aktuellen Kabarettprogramm: „Bitte das Universum einmal um einen freien Parkplatz in der Innenstadt.“ Aristokrat Hirschhausen ist gar nicht unangenehm. Er blödelt sich ohne Anspruch auf heilige Tiefe durchs Thema, fühlt sich auf der Bühne wohl, ist als deutscher Kabarettist verblüffend unpeinlich, ohne Österreichs Weltklasse-Rampenschweine zu erreichen, hat als Schriftsteller einen Sinn für gute Titel („Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“) und klaut unbekümmert vom Wiener Seminar-Kabarettisten Bernhard Ludwig: beispielsweise das Abstimmungs-Gesumme, getrennt nach Männern und Frauen, und den „Erwartungs-Ansatz“. Je weniger du erwartest, desto größer wird deine Zufriedenheit sein – im Sex und in der Glückssuche.
Eine Sonderkategorie von Glücksbuch setzt auf schein-­
naive Erzählungen und Gleichnisse. Antoine de Saint-Exupéry ging mit „Der kleine Prinz“ voran. Die Bücher von François Lelord (Piper Verlag), beispielsweise „Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“, setzen zeitgemäß fort, wo Exupéry aufhörte. Lelord ist psychologisch gut, man darf von Hector nur nicht zu viel auf einmal lesen. Was Paulo Coelhos Erzählungen betrifft, haben Millionen Leser offenbar eine bessere Galle als ich. Ich ersticke mittlerweile an seiner Innigkeits-Mayonnaise.
Auch Radio und TV sind voll aufs Thema abgefahren. Kollege Gert Scobel fand in „Scobel“, einer der guten Sendungen von 3sat, ein Land, das angeblich das „Glücksnationalprodukt“ als Messlatte künftiger Politik wählte (Bhutan), und einen Zürcher Wissenschafter, der Wirtschaft und Glück neu verknüpft. Letzteres habe ich noch nicht ganz verstanden. Ich habe es aber auf der Festplatte meines Videorekorders und werde mich weiter bemühen. „Ohne Fleiß kein Preis“, sagen ja viele Glücksforscher. Was allerdings ein fundamentaler Irrtum sein könnte. Ich liebe den Müßiggang, bin faul wie Fu Long und dennoch recht zufrieden.

Im Rückblick blieb mir „Glück!“ von Wolf Schneider (Rowohlt), obgleich uralt, die stimmigste Anleitung für die Glückssuche. Eine ideale Balance beider Gehirnhälften, sprachlich unfehlbar. Ich melde aber Befangenheit an. Schneider ist nach hohen Stationen in der „Süddeutschen Zeitung“, in „Stern“ und „Welt“ der beste Sprachlehrer aller deutschsprachigen Journalisten geblieben.
Im süßen Brei des Glücks erwarb ich eine Sehnsucht nach Unglück, wie ein Überfressener nach Kasteiung. Plötzlich bezaubern Unglückssätze. Beispielsweise folgender, dessen ­Autor ich leider vergaß: „Wenn ich dir etwas Wertvolles schenken wollte, wählte ich ein wenig Unglück.“ Bei Ex-Top-Manager Lee Iacocca liest man: „Im Leben eines jeden Menschen gab es nach Unglück Fortschritt.“ Goethe erkannte: „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.“ Im grantigen Weisheitswerk Schopenhauers ist Glück ohnehin nur die vorübergehende Abwesenheit von Unglück. Echt gut auch Friedrich Nietzsche: „Der Mensch strebt nicht nach Glück, nur der Engländer tut das.“
Ein Buch „Lob des Unglücks“ wäre angebracht. Ich kann es leider nicht schreiben. Als Psychosomatiker würde ich ­daran zugrunde gehen. Ich werde den schönen Titel Konrad Paul Liessmann schenken. Der hält so was aus. Er schrieb auch ­seinen Bestseller „Theorie der Unbildung“, ohne gleich zu verblöden.

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