Helmut A. Gansterer Lob des Fremdenverkehrs
Der beste Kenner eines Landes ist der Fremde, der bleibt Georg Simmel
Es gab eine Zeit, da kamen Minister, um zu bleiben. Die Halbwertszeit ihrer Existenz lag hoch. Aufgrund ihrer voraussichtlichen Verweildauer lohnte es sich für Journalisten, die neuen MinisterInnen genauer zu studieren. Man suchte das lange Gespräch. In interessanten Fällen scheute man nicht die Mühe eines gründlichen Porträts.
Ich hörte damit auf, als die Verweildauer immer kürzer wurde, vor allem durch die schwarz-blaue Einbindung der Rechtspopulisten, die zeitweise mehr Minister und Staatssekretäre stellen durften, als sie konnten. Man fand nicht genug Köpfe, die lesen, schreiben und verständlich sprechen konnten.
Allerdings: Auch die früheren Haltbar-Minister machten nicht nur Freude. Auch sie bewiesen, dass wir in der gesetzgebenden wie auch exekutiven Politik zu viele Beamte haben und zu wenige, die etwas von Ökonomie verstehen.
Als ich noch jeden neuen Minister fragte, warum Österreich wirtschaftlich eine Erfolgsstory sei, bekam ich fast nie die richtige Antwort. Die häufigste Antwort war eine Art Gegenfrage: Schönes Land? Hoch entwickelter Tourismus?
Das war natürlich erschütternd, weil unfair zu den KMUs und Industriellen, speziell jenen der weltmeisterlich bespielten, weitgehend unsichtbaren Investitionsgüterindustrie, die uns im Einkommen pro Kopf weltweit in die Top Ten hoben.
Heute sehe ich das lockerer. Ich vergönne den heimischen Tourismusunternehmern diese Überschätzung. Sie schaffen zwar nur etwa zehn Prozent der Arbeitsplätze, aber ihre positiven Sekundäreffekte liegen weit darüber.
Allerdings wissen auch unsere ausgezeichneten Wirtschaftsforscher nicht wirklich genau, mit welchem Hebelarm die Tourismuserfolge auf die Fabrikantenerfolge einwirken. Sicher ist nur: Die Musikliebe, die japanische, amerikanische und europäische Konzernchefs nach Wien, Salzburg, Bregenz, Lockenhaus und Grafenegg zieht, erleichtert die grenzüberschreitenden Geschäfte ebenso wie die loyale Zuneigung Zehntausender deutscher Unternehmer zu den Urlaubsqualitäten des ländlichen Österreich: Land der Berge, Land der Seen.
Auch Österreichs Tourismusgeschäfte wirft es im Wechselspiel der Konjunkturen und Krisen hin und her. Doch das grundsätzliche Geschenk eines allerhöchsten Gastgebertalents der Österreicher zeigt sich sowohl dem Weltreisenden wie dem Inlandstouristen.
Als Sammler internationaler Traditionshotels fand ich in allen Kontinenten vorwiegend zwei Nationalitäten im Rang eines Generaldirektors (oder dem eines Spiritus Rector, wenn der GD partout ein Einheimischer oder Eigentümervertreter sein musste): Österreicher und Schweizer. Sie halten sich vermutlich weltweit die Waage, allerdings mit zunehmender Begleitung deutscher Kollegen, da die jüngste CEO-reife Generation Deutschlands nicht mehr so polternd-kolonialistisch auftritt wie jene der Väter.
Bezüglich der Heimathotels beneiden viele Schweizer Hoteliers die Österreicher. Ich gebe hier wieder, was ich in Zürich (Baur au Lac, Dolder Grand Hotel, Hotel zum Storchen) und Interlaken (Beau Rivage) von Führungskräften hörte. Sinngemäß zusammengefasst: Die Schweizer sind durch zwei vermiedene Weltkriege verwöhnt. Man kriegt sie als Mitarbeiter nur noch für relativ hohe Positionen. Auch im heiklen Kundenverkehr sind wir auf Fremdarbeiter angewiesen. Österreichische Hotels wirken authentischer. Sie können viele wichtige Positionen noch selbst besetzen.
Zur Illustration der schweizerischen Klage missbrauche ich das weltberühmte Dolder Grand Hotel und seine sauerstoffdurchflutete Dependance Waldhaus. Dort, so sagt man, habe ein unendlich kultivierter Ägypter als Barkeeper gewirkt, bei dessen Anblick ein reicher Ägypter schrie: Ich bin nicht in die Schweiz gefahren, um Ägypter zu treffen. Eine Anekdote. Wenns nicht wahr ist, ist es gut erfunden. Das Dolder hält so was aus. Zumal es auch im Positiven allezeit von Schriftstellern wie Hans Habe und John Le Carré besungen wurde. So wie Singapurs Raffles, Hongkongs Peninsula, New Yorks Plaza und Wiens Sacher zählt es zu den sagenumwobenen Häusern, die von den Sagen gut leben.
Meine jüngsten Hotelaufenthalte in österreichischen Landhotels erfreuten durch zwei Neuerungen, beide GOOD NEWS. Erstens: Avantgardistische Hoteliers setzen nun neben der körperlichen Verwöhnung auch auf geistige Erfrischung der Gäste. Zweitens: Ein Hi-Tech-Produkt, das gerade unerwartet heftig einschlägt (es handelt sich nicht um Apples iPad), könnte den Sommertourismus der alpinen Häuser dramatisch beleben. Genaueres in der nächsten Kolumne.