Henry Metternich

Henry Kissinger feiert 90. Geburtstag

Aktuell.Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger feiert seinen 90. Geburtstag

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Als der 15-jährige Gymnasiast Heinz Alfred Kissinger 1938 aus dem mittelfränkischen Fürth mit seiner Familie vor dem Nazi-Mob flüchten musste, konnte niemand ahnen, dass dieser junge, deutsche Jude dereinst einer der bedeutendsten Diplomaten des 20. Jahrhunderts werden sollte. Diesen Montag feiert Henry Kissinger, der ehemalige US-Außenminister, seinen 90. Geburtstag.

Seine Kindheitserinnerungen waren gewiss prägend für sein politisches Denken und Handeln. Wenn Massen in Bewegung geraten, dann wird es gefährlich, war seine frühe Erfahrung. Das ließ ihn auch zu einem großen Bewunderer des habsburgischen Fürsten Klemens Metternich werden, der vor fast 200 Jahren jene Heilige ­Allianz baute, die jegliche Freiheitsbestrebung der Völker unterdrückte, aber Europa jahrzehntelang Stabilität und Frieden brachte.

Mit Metternich, dessen Wirken Kissinger bereits in seiner Dissertation behandelte, teilt er den Grundsatz, wonach Unordnung schlimmer als Unrecht sei. Unrecht bedeute bloß, dass die Welt unvollkommen ist. Im Chaos aber gebe es Gerechtigkeit für niemanden.

Und so wird Kissinger von den einen nun für seine antirevolutionäre, auf Stabilität ausgerichtete Machtpolitik gefeiert: Er schmiedete mit Präsident Richard Nixon ein Bündnis mit dem kommunistischen China, schuf durch Abrüstungsverträge mit Moskau die Grundlagen für die deutsche Entspannungspolitik und bereitete mit seiner berühmt gewordenen Pendeldiplomatie und Geheimverhandlungen den Boden für nahöstliche Friedensschlüsse. Für seinen Beitrag zur Beendigung des Vietnamkriegs erhielt er den Friedensnobelpreis.

Für andere hingegen ist Kissinger ein Kriegsverbrecher, der den Sturz des demokratisch gewählten chilenischen Präsidenten Salvador Allende betrieb, die wüstesten Diktatoren Lateinamerikas unterstützte und durch Geheimbombardements in Indochina für den Tod von hundertausenden verantwortlich ist.

Die Bilanz der superrealistischen, vielfach als zynisch verschrienen Außenpolitik Kissingers kann widersprüchlicher nicht sein. Die Lektüre seiner Schriften sei aber dringendst empfohlen: Kissinger ist ein brillant schreibender Historiker und politischer Denker von Rang.

Georg Hoffmann-Ostenhof