Hoffnung für den heimischen Pop?

Hoffnung für den heimischen Pop? Anja Plaschg alias Soap & Skin will nur das nicht

Anja Plaschg alias Soap & Skin will nur das nicht

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Von Sebastian Hofer

Im Hotelfoyer ist es still, kein Laut ist zu hören, und trotzdem fällt es schwer, Anja Plaschg zu verstehen. Denn sie spricht nicht, sie haucht, pausiert, schweigt, lauscht fragend ihren eigenen Sätzen hinterher. Kaum je sieht sie ihr Gegenüber an, ihr Blick fixiert die Tischplatte. Auf dem Tonbandgerät werden sich später nur die Spuren eines Gesprächs finden, der Rest: geisterhaft verflüchtigt, vorbeigesprochen. Wahrscheinlich liegt es ­daran, dass sich Anja Plaschg ­Besseres vorstellen kann, als ein Interview zu geben. Sie tut dies (wie sie gerne zugibt) nur, weil man so etwas nun einmal macht, wenn man sein Debütalbum veröffentlicht, zumal dieses vom deutschsprachigen Popfeuilleton schon vorab zum Ereignis des Jahres ausgerufen wurde.

Ende dieser Woche erscheint mit „Lovetune for Vacuum“ der erste Höhepunkt einer Laufbahn, die von Beginn an unter dem Vorzeichen des Hypes stand. Schon die ersten Stücke, die 2006 von der damals 16-Jährigen via MySpace veröffentlicht wurden, provozierten ekstatischen Jubel. Das Hysterieniveau hat seither nur noch zugenommen. Dazu kommt – in österreichischen Medien – ein Schuss Patriotenstolz: Das irritiert nicht zuletzt auch die Künstlerin selbst, die dem Trubel um die eigene Person äußerst skeptisch – und ein wenig ratlos – gegenübersteht.

Dabei ist die Aufregung um Soap & Skin durchaus verständlich. Mit ihrem hochgradig theatralischen, zwischen Pathos und Drama oszillierenden Popentwurf stellt sie tatsächlich einen Sonderfall dar. Mit reduzierten Mitteln – repetitiven Klavierläufen, behutsam abstrakten Electronica und einer markanten Stimme – schafft Soap & Skin effektive Minimaldramen, stemmt der Durchschnittlichkeit des Lebens hochartifizielle Etüden entgegen, die von Extremen handeln: vom Schmerz, von der Einsamkeit und der Unmöglichkeit des Glücks.

Seelenschmerz. Ein Teil des Reizes, der von diesen Songs ausgeht, beruht auch darauf, dass sie in ihrer Künstlichkeit so authentisch erscheinen. Soap & Skin ist Anja Plaschg, meint Anja Plaschg: „Das Einzige, was Anja von Soap & Skin unterscheidet, ist, dass sie reflektieren kann, was sie macht.“ Wenn Soap & Skin sich auf der Bühne den Schmerz von der Seele schreit, schreit da auch Anja Plaschg. So empfinde es jedenfalls ihr Publikum. In diesem Umstand gründet auch das Interesse, das Plaschgs Biografie entgegengebracht wird, und der Eifer, mit dem sie auf Symptome des Künstlerischen untersucht wird – mit stattlichem Erfolg: Anja Plaschg wächst in der südsteirischen Kleinststadt Gnas auf und flüchtet schon als Zwölfjährige aus der Profanität der elterlichen Landwirtschaft in die Kunst. Stundenlang spielt sie am Klavier, komponiert mit 14 ihr erstes Stück (für zwei Geigen und Piano) und wird mit 16 an der Wiener Akademie der bildenden Künste angenommen (die sie nach drei Semestern wieder verlässt). In dieser Zeit veröffentlicht sie ihre ersten Stücke, zunächst im Internet, kurz darauf beim Berliner Techno- und Ambientlabel Shitkatapult. In diesem Moment war das Wunderkind des heimischen Pop geboren – und mit ihm der Hype, der nun, mit „Lovetune for Vacuum“, seinen ersten Höhepunkt erreicht.

Anja Plaschg begegnet ihm mit Verweigerung – schon aus Selbstschutz: „Mir wurde zum Beispiel empfohlen, die Stücke, die ich allein zu Hause aufgenommen hatte, alle noch einmal in einem Studio mit professionellen Produzenten einzuspielen. Das hat mich völlig aus der Bahn geworfen, weil ich mir erst mühsam bewusst machen musste, dass es überhaupt keinen Sinn hat, sich in der Situation mit jemandem zusammenzutun.“ Sie hat kein Problem, ihre bevorzugten Mitarbeiter zu benennen: „In der Musik kann ich mir die Zusammenarbeit mit anderen Menschen schwer vorstellen. Idealerweise sollte das alles von Maschinen gemacht werden.“

Das Gespräch stockt, im Hotelfoyer ist es immer noch still, Anja Plaschg fixiert nach wie vor die Tischplatte und schüttelt plötzlich den Kopf: „Ich will das alles nicht an mich heranlassen.“ Es wird ihr womöglich nichts anderes übrig bleiben.