Bundesheer: 50 Jahre Jagdkommando
Freitag vergangener Woche kaperten österreichische Soldaten ein Schiff in der Adria. Die einen hatten sich von Hubschraubern abgeseilt, die anderen waren von Schlauchbooten an Deck geklettert. Unterstützt wurden sie von Kampftauchern. Der Piratenakt fand auf kroatischem Hoheitsgebiet statt, löste aber keine diplomatische Krise aus. Es handelte sich nicht um einen feindlichen, sondern um einen freundschaftlichen Akt: Jagdkommando-Soldaten des Bundesheers übten mit kroatischen Kameraden die Festnahme einer Zielperson. Verteidigungsminister Gerald Klug war aus Wien eingeflogen und verfolgte das Spektakel auf der Insel Losinj live mit.
Von den Qualitäten der Spezialeinsatzkräfte des Bundesheers hatte sich Klug bereits überzeugen können. Einer seiner ersten Truppenbesuche führte den neuen Verteidigungsminister ins Hauptquartier des Jagdkommandos in der Maximilian-Kaserne in Wiener Neustadt, wo dieser Tage ein Jubiläum begangen wird. Vor genau 50 Jahren wurde die Einheit gegründet. Jagdkommando-Mitglieder sind die einzigen Soldaten in der Geschichte des Bundesheers mit Gefechtserfahrung. Mitunter fanden die Einsätze freilich im rechtlichen Graubereich statt.
Ironischerweise war es der sanfteste Verteidigungsminister der Zweiten Republik, der das Jagdkommando zur bisher gefährlichsten Mission abkommandierte. Im Jahr 2008 zog Norbert Darabos durchaus couragiert gegen heftiges Feuer von Opposition und Boulevard die Teilnahme eines Bundesheerkontingents an der EU-Mission im Tschad durch. Knapp zwei Jahre lang dienten rund 150 Soldaten des Bundesheers im Auftrag der EU in Zentralafrika. Das Ziel: Schutz hunderttausender Flüchtlingen vor Rebellen und marodierenden Banden. Kernstück der rot-weiß-roten Truppe waren 40 Soldaten des Jagdkommandos, die das Einsatzgebiet aufklären und zur Abschreckung Präsenz zeigen sollten.
Bei einer nächtlichen Patrouille am 18. August 2008 geriet ein Trupp von Jagdkommando-Soldaten unter Beschuss und entschloss sich zum Gegenangriff. In dem Gefecht, das ein Insider gegenüber profil als massiven Feuerkampf bezeichnete, sollen mehrere Banditen ums Leben gekommen sein was von der Heeresführung freilich stets dementiert wurde.
Heikler Einsatz in Afghanistan
Vor Ort zeigte man sich mit der Leistung der Österreicher absolut zufrieden. Der Kommandant des österreichischen Kontingents, Oberst Heinz Assmann, erhielt sogar das Kommando über sämtliche Spezialkräfte, darunter Elitetrupps aus Frankreich, Irland, Schweden und Finnland.
Als im Februar 2011 der Bürgerkrieg in Libyen eskalierte, entschloss sich das Außenministerium zur Evakuierung der österreichischen Botschaft in Tripolis. Zusätzlich sollten rund 30 weitere Österreicher aus Libyen gerettet werden. Verteidigungsminister Norbert Darabos erklärte gegenüber dem ORF, Krisenunterstützungsteams seien nach Libyen entsandt worden, die unsere Staatsbürger auf dem Landweg begleitet haben. Bei den Krisenunterstützern handelte es sich völkerrechtlich wohl nicht ganz korrekt um verdeckte Soldaten des Jagdkommandos in Zivil, die den Transport des Botschaftspersonals und der übrigen Österreicher schwer bewaffnet absicherten.
Heikel war auch der Einsatz des Jagdkommandos in Afghanistan im Rahmen der ISAF. Von Februar bis Dezember 2002 führten die Spezialkräfte gemeinsam mit Soldaten des Kärntner Jägerbataillons 25 rund 500 militärische Einsätze wie Patrouillen und Wachaufgaben in und um Kabul durch. Im April erfolgten zwei Raketenangriffe auf das ISAF-Camp, in dem die Bundesheersoldaten untergebracht waren.
Robustere Einsätze fanden im Verlauf der KFOR-Mission des Bundesheers im Kosovo statt. Im Grenzgebiet zu Mazedonien brachten Jagdkommando-Soldaten mehrmals Waffenschieberbanden auf. Im Juli 2001 kam es zu einem zweistündigen Feuergefecht mit Schmugglern und Angehörigen der kosovarischen Befreiungsarmee UCK. Verletzt wurde niemand. Die Bundesheersoldaten schossen absichtlich über die Köpfe der Waffenschmuggler, die sich schließlich ergaben. Dem Vernehmen nach soll das Jagdkommando im Kosovo auch aktiv zur Suche nach Kriegsverbrechern eingesetzt worden sein.
Aktuell dienen Sanitäter und ein Arzt des Jagdkommandos insgesamt acht Mann im Rahmen der EU-Mission in Mali.
Totale Zustimmung und völlige Ablehnung
Als das Jagdkommando vor 50 Jahren gegründet wurde, galten die Planungen freilich nur dem Einsatz im Inland. Die Heeresführung hatte einzelne Offiziere in die Vereinigten Staaten geschickt, um in Lehrgängen bei den Rangers der US-Army die Grundlagen von Spezialeinsatzkräften zu studieren. Die Amerikaner leisteten den neutralen Kameraden aus Europa gern Entwicklungshilfe. Schließlich sollten die österreichischen Kommandosoldaten im Einsatzfall einen Guerilla-Krieg gegen vorstoßende Truppen des Warschauer Pakts durchführen.
Dass der elitäre Charakter der Spezialtruppe (Wahlspruch: Numquam retro niemals zurück) totale Zustimmung und völlige Ablehnung gleichermaßen auslöst, ist dem aktuellen Kommandanten, Oberst Horst Hofer, bewusst. Um geeignete Soldaten zu finden, müsse sich der Verband freilich als Elite präsentieren, wie Hofer in einem Beitrag für die Heereszeitung Truppendienst schreibt; wobei Elite sich nicht nur auf militärische Fertigkeiten, sondern auch auf geistige Beweglichkeit, Besonnenheit und interkulturelle Kompetenz beziehe.
Empfindlich reagiert die Heeresleitung, wenn Jagdkommando-Soldaten als draufgängerische Rambo-Typen dargestellt werden. Mitglieder der Spezialeinsatzkräfte müssten sich zwar durch hohe Leistungs- und Leidensfähigkeit auszeichnen, so Generalleutnant Christian Segur-Cabanac, Leiter der Einsatzsektion im Verteidigungsministerium. Man brauche aber keine Soldaten mit unkalkulierbarer Abenteuerlust. Im Gegenteil: Ein Soldat des Jagdkommandos braucht Intelligenz, aber auch ein gewisses Phlegma, um im Ernstfall einen kühlen Kopf zu bewahren.
Mitunter schlägt das Phlegma in Frust um, wenn es zu wenig zu tun gibt. Wer ständig für den Ernstfall übt und bereitsteht, will ihn auch einmal erleben. Im Juni 2010 sagte der damalige Streitkräfte-Kommandant Günter Höfler in einem profil-Interview: Unsere Jagdkommando-Soldaten sind bereit, ein höheres Risiko einzugehen. Sie wollen nicht nur trainieren, sondern ihr enormes Können auch einsetzen. Sonst verabschieden sie sich früher oder später vom aktiven Dienst im Bundesheer.
Dass sich Soldaten des Jagdkommandos zur französischen Fremdenlegion verabschieden, sei in den vergangenen Jahrzehnten nur vereinzelt passiert, heißt es im Verteidigungsministerium. Bisweilen nützen Ex-Soldaten ihre militärische Ausbildung und heuern bei privaten, international tätigen Sicherheitsdiensten an. Für Aufsehen sorgte vor fünf Jahren das Schicksal des Oberösterreichers Bert Nussbaumer. Der Jagdkommando-Soldat hatte im Frühjahr 2006 seinen Dienst im Bundesheer quittiert und bei einem US-Sicherheitsunternehmen im Irak angeheuert. Im November 2006 wurde Nussbaumer mit vier US-amerikanischen Arbeitskollegen entführt und später ermordet.
Zu den Gründungsmythen des nunmehr 50-jährigen Jagdkommandos zählt die Legende, seine Mitglieder hätten beim Überlebenstraining in den Donau-Auen Schlangen verzehrt. Die Zeiten ändern sich. Moderne Kommandosoldaten tragen heutzutage so genannte MRE-Pakete (Meals-Ready-to-Eat) mit sich, die allerdings in punkto Bekömmlichkeit Reptilien kaum übertreffen sollen.
Wissen
Derzeit besteht das Jagdkomanndo aus rund 400 Soldaten, darunter Fallschirmspringer, Kampftaucher und Spezialisten für Kommandoaktionen wie etwa Geiselbefreiungen. Geübt wird auch in Dschungelgebieten, in der Wüste und nördlich des Polarkreises. Bisher absolvierte erst eine Frau den 24-wöchigen Grundlehrgang inklusive Nahkampf und Überlebenstraining. Von 100 Bewerbern werden etwa 35 in den Lehrgang aufgenommen, den im Schnitt 15 Soldaten durchstehen. Eine Verpflichtung, danach beim Jagdkommando Dienst zu versehen, besteht nicht. Viele Absolventen kehren nach dem Kurs wieder zu ihren angestammten Einheiten zurück.