"Karenz ist unmännlich"

Karenz. Viele Männer, die in Babypause gehen, bekommen Probleme mit dem Arbeitgeber

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Ein Rocker staffiert sich aus. Zieht nietenbesetzte Handschuhe an, stopft die schwarze Lederhose in die groben Lederstiefel, bindet sich sein Bandana um und stapft vor die Tür. Drei Motorradfahrer, auch sie mit allen Klischeeaccessoires harter Männer versehen, donnern auf ihren Maschinen vorbei. Der Rocker packt sein Gefährt - einen Kinderwagen. Ende des Kampagnenfilms "Echte Männer gehen in Karenz“, mit dem Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek Vätern die Babypause schmackhaft machen will.

An Aufforderungen für Väter, mehr Zeit als für abendliches Autospielen mit ihrem Nachwuchs zu verbringen, fehlt es nicht. Auch Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer und Gewerkschaft versuchen Männer für die Karenz zu begeistern. Sie wenden sich dabei an die falschen Adressaten. Jungväter müssen gar nicht mehr überzeugt werden: Denn nach langen Jahren, in denen der Anteil der Väter auf Kinderpause bei kümmerlichen vier Prozent dahindümpelte, stieg die Zahl der männlichen Kindergeldbezieher im Vorjahr stark und weit in den zweistelligen Prozentbereich an. Vor allem das einkommensabhängige Kindergeld erweist sich als überaus attraktiv für Männer. Das Problem scheint vielmehr bei Unternehmen zu liegen, die in Verhaltensmustern aus den sechziger Jahren verharren: Viele Männer, die in Karenz gehen, werden gemobbt, degradiert oder schnellstmöglich gekündigt. Eine absurde Variante von Gleichberechtigung, die niemand wollte - wenn Väter genauso schlecht behandelt werden wie Mütter.

Arbeiterkammer und Gleichbehandlungsanwaltschaft wissen von vielen Fällen zu berichten, in denen sich Karenz als Karriereaus erwies. Harald Zeiner ist ein Paradebeispiel dafür, welche Schwierigkeiten echte Männer bekommen können.

Der 34-jährige Ökonom wird heute noch zornig, wenn er sich an seinen schnellen Auf- und noch rasanteren Abstieg erinnert. "Ich habe immer 170 Prozent gearbeitet“, erzählt er, oft nachts, häufig an Wochenenden. Kein Wunder, dass er sich rasch zum Chef der neuen Stabsstelle Strategie in einem Wiener Vertriebsunternehmen hocharbeitete. Er sei stets das "Liebkind“ des Geschäftsführers gewesen, sagt er. "Er hat mich oft angerufen und in viele Entscheidungen eingebunden.“

Die Begeisterung nahm allerdings ab, als Zeiner sich entschloss, sechs Monate in Väterkarenz zu gehen. "Ich war der erste Mann im Unternehmen.“ Der Geschäftsführer reagierte zuerst mit blankem Unverständnis. "Karenz ist unmännlich“, tönte er, wartete mit Gehässigkeiten im Kollegenkreis à la "Der steht unter der Fuchtel seiner Frau“ auf und war für Zeiner nicht mehr zu sprechen. Auch der Führungskräftevertrag von Zeiner, den dieser unterschrieben in der Geschäftsführung abgegeben hatte, war plötzlich unauffindbar.

Das war erst der Anfang.
Als Zeiner aus der Karenz zurückkam, war seine "berufliche Existenz weg“, fasst er zusammen: Von einer Führungsfunktion war keine Rede mehr, Zeiner bekam nur mehr niederrangige Aufgaben - und selbst auf Zahlen, die er vor wenigen Monaten noch für seine Präsentationen zusammengestellt hatte, hatte er keinen Zugriff mehr. Zeiner beschwerte sich, auch mithilfe der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Schließlich steht festgeschrieben, dass nach der Karenz die Rückkehr auf einen gleichwertigen Job möglich sein muss und niemand wegen seines Geschlechts oder Familienstands diskriminiert werden darf. Die Konsequenz: Zeiner wurde gekündigt, exakt 31 Tage nach seinem Wiedereinstieg, am ersten Tag, an dem sein Kündigungsschutz nach der Karenz abgelaufen war.

Dieses Muster zieht sich durch viele Fälle, die vor Gericht, bei der Arbeiterkammer oder bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft landen. Auch im 21. Jahrhundert fallen manche Arbeitgeber noch aus allen Wolken, wenn Männer die Appelle von Regierung und Sozialpartnern ernst nehmen und in Karenz gehen. "Bei Vätern rechnen die Unternehmer einfach nicht damit“, summiert Karmen Riedel von der Arbeiterkammer. Sie erlebt immer wieder, dass Männer ab dem Moment, in dem sie Karenz anmelden, wie automatisch als weniger leistungsbereit gelten und man sie so schnell wie möglich loszuwerden versucht.

Viele scheuen den Weg zum Gericht - aus nachvollziehbaren Gründen. Denn Herr Zeiner bekam zwar in seinem Prozess attestiert, dass er nach seinem Wiedereinstieg diskriminiert und um den Führungskräftevertrag gebracht wurde. Der Schadenersatz dafür betrug allerdings läppische 2000 Euro, ein Betrag, den jedes Unternehmen aus der Portokasse zahlt. Seine Kündigung hatte allerdings nach Ansicht des Gerichts nichts mit der Karenz zu tun.

"Mein Problem war wohl, dass ich hierarchisch zu weit oben war. Mit meiner Karenz konnte das Unternehmen einfach nicht umgehen“, summiert Zeiner.

Er ist damit nicht allein.
Im Grunde stoßen Väter im Berufsleben auf genau jene Probleme, mit denen Mütter seit Jahren kämpfen. Die Zahl der Männer in Karenz steigt zwar rasant an, bei den neueren, kürzeren Kindergeld-Varianten und beim einkommensabhängigen Kindergeld liegt der Väteranteil über 20 Prozent. Diese Statistik ist zwar ein wenig mit Vorsicht zu genießen, weil besonders viele studierende, arbeitslose und selbstständige Väter in Karenz gehen, die ihre Arbeitszeit nicht wirklich reduzieren müssen. Dennoch ist der Anstieg signifikant.

Nur bis zu manchen Chefs hat sich der Trend noch nicht herumgesprochen. "Bei Frauen ist die Karenz akzeptierter, erst beim Wiedereinstieg kommt es oft zu Problemen. Bei Männern wird schon die Arbeitszeitreduktion wegen eines Kindes von manchen Chefs als Affront gesehen. Diese Führungskräfte verwechseln Loyalität mit Anwesenheit und fühlen sich persönlich im Stich gelassen, wenn ein Mitarbeiter in Karenz geht“, sagt Sabine Wagner, die bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft arbeitet. Erschwerend komme dazu, dass der viel zitierte "Hackler“ selten in Karenz geht - sondern eher Männer in gehobenen Positionen. Da reagierten Arbeitgeber oft mit "harten Bandagen“.

Besonders wenn Väter ihre Karenz nicht in Branchen wie PR oder Medien antreten, wo die Babypause mittlerweile nachgerade zum guten Ton gehört und vom Konzernsprecher der ÖBB abwärts jeder in Karenz geht, sondern in Männerdomänen wie dem Finanzsektor. Herr Daniel R., der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, ist seines Wissens nach der erste Fondsmanager und Gruppenleiter, der die Karenz wagte. Er arbeitet für ein Investmentunternehmen und war Senior Investment Manager - bis er im jährlichen Mitarbeitergespräch ankündigte, seine Arbeitszeit auf 65 Prozent reduzieren und in Elternteilzeit gehen zu wollen. Ab diesem Moment wurde seine Gruppenleiterposition auf einen "Rumpfjob“ degradiert, wie Herr R. es nennt: Besprechungen fanden ohne ihn statt, über seine Portfolios verfügten andere, seine Abteilung wurde mit einer anderen zusammengelegt - unter einer anderen Führung, versteht sich. "Ich wurde sehr höflich, aber effizient isoliert“, summiert Herr R. In Elternteilzeit ist R. kündigungsgeschützt, er klagte aber gegen die Degradierung. Der Prozess läuft noch. Selbst wenn er gewinnt, macht sich R. über seine Karrierechancen keine Illusionen: "In der Finanzbranche bin ich erledigt - Wien ist sehr klein. Es geht aber ums Prinzip.“

Es wird Herrn R. ein geringer Trost sein, dass auch Frauen in der Elternteilzeit oft herabgestuft werden. Frau Patricia S. etwa durfte, seit sie in Elternteilzeit ging, nicht mehr mit Kunden sprechen und nur mehr simple Telefonate führen. "Es war wirkliches Mobbing“, berichtet sie. Sie war heilfroh, als sie sich mit der Firma über eine einvernehmliche Trennung einigte. Vor Gericht zog sie nicht. Das beobachten Arbeiterkammer und Gleichbehandlungsanwaltschaft oft. "Männer sind klagsfreudiger“, berichtet Wagner.

Auf einen zweiten Versuch mit der Karenz allerdings verzichten sie teils lieber. Beim zweiten Kind war Zeiner noch in der Kündigungsphase, beim dritten Kind war er ein "richtiger Mann“ - im Sinne des neuen Arbeitgebers. Er blieb nicht mehr zu Hause.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin