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Grasser kassierte von Meinl 8,9 Millionen Euro. Wofür eigentlich?

Grasser. KHG kassierte von Meinl zwischen 2007 und 2010 8,9 Millionen Euro. Wofür eigentlich?

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Das Jahr 2007 war für Karl-Heinz Grasser der ereignisreicheren eines: Mit der Angelobung des Kabinetts Gusenbauer am 11. Jänner war seine Regierungstätigkeit endgültig Geschichte; am 3. September kam seine Tochter Tara Gertrud zur Welt. Dazwischen lag die berufliche Neuorientierung: Im Frühsommer 2007 hatte Grasser bei Julius Meinl angeheuert. Und somit erstmals richtig Geld gescheffelt. Noch im August überwies ihm der Bankier 4,38 Millionen Euro; bis 2010 sollten weitere 4,569 Millionen Euro folgen. Macht unterm Strich 8,949 Millionen Euro.

Wie profil vor nunmehr fünf Monaten als erstes Medium berichtete, wird dem ehemaligen Finanzminister (2000 bis 2007) Steuerhinterziehung in großem Stil vorgeworfen. Das Finanzamt Wien 1/23 fordert 4,95 Millionen Euro an Einkommenssteuer für den Zeitraum 2003 bis 2010 zurück. Die Staatsanwaltschaft Wien führt nach wie vor ein Ermittlungsverfahren, das Grasser vor Gericht bringen könnte. Der frühere Politiker muss sich den Vorwurf gefallen lassen, den weitaus größten Teil seiner Einnahmen über ein Netzwerk aus Briefkastengesellschaften und Stiftungen in Liechtenstein, Zypern oder den britischen Jungferninseln an der Finanz vorbeigeschleust zu haben. Grasser bestreitet nach wie vor jedweden Vorsatz und schiebt die Verantwortung an seinen einstigen Steuerberater Peter Haunold ab (profil 13/13).

Eine Frage vermochte Grasser bis heute nicht schlüssig zu beantworten: Was genau leistete er, das der Meinl Bank fast neun Millionen Euro wert war? Grasser wurde diesbezüglich bereits von der Wiener Staatsanwaltschaft befragt, hielt seine Antwort aber denkbar kurz: „Ich beantworte diese Frage nicht. Ich nehme von meinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern.“

profil hat anhand vorliegender Ermittlungsakten versucht, Grassers Mehrwert für Meinl zu plausibilisieren. Vorneweg: Die Meinl Bank im Allgemeinen, der Bankier im Besonderen waren außerordentlich spendabel.
Am 9. Juli 2007 beteiligte sich KHG zu einem Drittel an der von der Meinl Bank aufgesetzten Meinl International Power Management Ltd. (MPM) mit Sitz auf der britischen Kanalinsel Jersey. Die MPM war die sogenannte Managementgesellschaft der wenig später an die Börse gebrachten Meinl International Power Ltd. (MIP). Grasser zahlte für seinen Anteil 16.667 Euro. Neben dem früheren Verbund-Chef Hans Haider sollte Grasser die Gesellschaft bei der Entwicklung und Realisierung von Energieprojekten in Europa beraten. Der MPM-Manager Grasser erhielt in weiterer Folge zwischen 2008 und 2009 knapp mehr als 2,75 Millionen Euro. Der MPM-Gesellschafter Grasser bekam zwischen 2008 und 2010 weitere 1,8 Millionen Euro an Dividenden, in Summe also 4,569 Millionen Euro.
Im August 2007 ging MIP an die Börse. Grasser war auch hier zugange. Der Meinl- Bank-Ableger auf Antigua schloss am 22. August 2007 einen Provisions-Vertrag mit dem Grasser zugerechneten Briefkasten Silverwater Invest and Trade mit Sitz auf den britischen Jungferninseln. Aus diesem Titel flossen noch im August 2007 weitere 4,38 Millionen Euro von der Meinl Bank Richtung Grasser.

Viel Geld, viel Arbeit, wenig Privatleben.
Sollte man meinen. Umso erstaunlicher, dass Grasser bereits wenige Tage, nachdem er den Gesellschaftsvertrag mit Meinl unterschrieben hatte, den ersten Erholungsurlaub beanspruchte. Mit seiner Ehefrau verlustierte KHG sich Mitte Juli auf Capri. Die Tageszeitung „Österreich“ titelte am 13. Juli: „Hochschwangere Fiona: Liebes-Urlaub auf Capri.“ Zehn Tage später wurde das Paar auf Sardinien gesichtet. Wieder war „Österreich“ hautnah dabei: „Im supersexy String-Tanga-Bikini räkelt sich die werdende Mutter oben ohne an Bord eines trendy Motorboots. Als Kapitän fungierte Ehemann Karl-Heinz Grasser.“ In der Woche darauf wurde Grasser bei den Salzburger Festspielen gesichtet. Ohne Fiona.

Zu diesem Zeitpunkt liefen in Wien die Vorbereitungen für den Börsegang der Meinl Power auf Hochtouren. Grasser sollte Meinl dabei als Zugpferd dienen, um potenzielle Investoren heranzukarren. Laut dem profil vorliegenden Provisionsvertrag vom Juli 2007 war KHG am Erfolg der Emission beteiligt. Für jedes von ihm an Dritte vermittelte MIP-Papier erhielt er eine prozentuelle Beteiligung. Julius Meinl wurde dazu bereits 2011 von der Justiz einvernommen. Er sagte: „KHG kannte viele vermögende Leute und hat zu gewissen dieser Leute Kontakt gelegt, und es wurde relativ viel darüber abgesetzt … KHG war auf den Roadshows (Anm: Präsentationen bei Investoren) … Ich hoffe, dass KHG bei den Roadshows war. KHG hat den Vertrieb gemacht.“

Der Börsegang von MIP im August 2007 geriet zum Flop: Von insgesamt 60 Millionen „Zertifikaten“ konnten nur 56 Millionen zum Stückpreis von zehn Euro im Markt platziert werden, der Kurs fiel prompt unter den Ausgabepreis und sollte diesen nie wieder erreichen. Die Meinl Bank kassierte jedenfalls eine Vertriebsprovision in der Höhe von stattlichen 41,19 Millionen, von der wiederum die Hälfte an Vertragspartner – also andere Banken und eben KHG – abgeführt wurde. Welche Investoren Grasser anlandete, ist nicht überliefert. Julius Meinl sagte auf Befragen der Justiz aus, es „gab einen Kontakt mit Genf mit einem Vertreter einer großen italienischen Industriedynastie, die einen großen Betrag investiert haben. Als sie gesehen haben, dass sich der Kurs nicht nach Wunsch entwickelt, haben sie Schwierigkeiten gemacht.“

Tatsächlich kam Meinl Power nie wirklich in Schwung. Auch deshalb, weil das Parallelkonstrukt Meinl European Land zu dieser Zeit vor dem Kollaps stand (profil berichtete ausführlich). MIP hatte zwar abzüglich der Emissionskosten knapp mehr als eine halbe Milliarde Euro in der Kasse, aber kaum Projekte in der Pipeline.

Grasser? Hatte privat einiges um die Ohren: am 3. September die Geburt seiner Tochter in Innsbruck; zeitgleich liefen die Umbauten für das Penthouse in der Wiener Babenbergerstraße an. Schon Ende September ward das Glam-Couple in Rosis Sonnbergstub’n in Kitzbühel bei einer Charity gesichtet, wenige Tage später beim Oktoberfest in München. Kurz darauf ließ Grasser sich bei einer Autopräsentation vor dem Wiener Rathaus blicken. Am 3. November gingen die Jungeltern wieder einmal der Tageszeitung „Österreich“ ins Netz, und zwar in Südtirol: „Freizeitmäßig durchgestylt bis zum Turnschuhband, ein seliges Lächeln auf den Lippen. So turtelten Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und seine Fiona dieser Tage durch das italienische Bozen. … Entspannung vor dem nächsten Society-Einsatz: Am Dienstag werden Grasser und Fiona der Eröffnung des Wiener Top-Hotels ,The Ring‘ beiwohnen.“

Die Justiz wollte von Julius Meinl auch wissen, von wo aus KHG denn gearbeitet habe. Meinl bei seiner Einvernahme am 20. Oktober 2011: „Das weiß ich nicht. Er war viel unterwegs. Ich kann ausschließen, dass es von der Meinl Bank aus passiert ist. Er hatte dort nicht einmal ein Büro, auch keinen Schlüssel.“

Andere Zeugen aus dem Umfeld der Meinl-Bank erinnerten sich bei ihren Einvernahmen immerhin daran, dass Grasser von der Wiener Annagasse aus, wo seine „Valuecreation“ logierte, tätig war. Doch auch hier: Die Angaben über Umfang und Art seiner Tätigkeiten blieben unscharf. Einmal ist von Grassers Rolle als „medialer Präsentator für allgemeine Belange“ die Rede, dann wieder als „­Repräsentant der MIP bei Verkaufsveranstaltungen“.

Wie schaffte das der Mann bloß? Auch das erste Halbjahr 2008 war erfüllt mit unerlässlichen gesellschaftlichen Verpflichtungen: Polo-Turniere, Charitys, Lokaleröffnungen, Kunst und Kultur. profil befragte 2008 Grassers damaligen Kollegen Hans Haider, wie man sich einen Arbeitstag von KHG bei Meinl so vorstellen darf? Haider: „Dazu gibt es nicht viel zu sagen, daher sage ich dazu auch nichts.“ Womit alles gesagt ist.

Ende Juli 2008 fiel das gesamte Meinl-Konstrukt auseinander. Bei Meinl Power übernahm eine Gruppe renitenter Kleinanleger das Kommando, ab da gab es für die Direktoren von Meinl Power Management de facto nicht mehr wirklich etwas zu bestellen. Soweit es Grasser betraf, musste er sich um seine Bezahlung ohnehin keine Sorgen machen. Allein 2008 bezog er aus den Titeln „Vorabgewinn“ und „Dividende“ in Summe 3,19 Millionen Euro.

Wie diktierte es Julius Meinl den Staatsanwälten so schön ins Protokoll: „Uns (Meinl Bank) war es wichtig, dass jemand da ist, der uns ein Geschäft bringt. Wenn jemand ein tolles Geschäft bringt und Verhandlungen zustande kommen, ist es uns eigentlich egal, ob er die restliche Zeit am Golfplatz verbringt. Das Endergebnis muss stimmen.“