eatdrink von Klaus Kamolz Neni vs. Henry
Convenience, das habe ich mit Hanni Rützler, einer der renommiertesten Ernährungswissenschafterinnen und kulinarischen Trend-Analystinnen, schon vor Jahren bei der Zusammenarbeit für ein Buch diskutiert, ist die Zukunft. Heute eine Binsenweisheit, ich weiß. Sie sagte aber, die großen Produzenten und Konzerne würden den Bedürfnissen einer unter Zeitdruck stehenden, aber nicht alles schluckenden Klientel bald nachgeben und hochwertige Produkte anbieten. Sorry, ich habe lange nichts gefunden.
Jetzt aber sind zwei Sortimente bei den Big Players in den Kühlregalen, die ich mir doch ansehen wollte: die Linie Henry von Attila Dogudan bei Billa (vor allem im Corso auf dem Neuen Markt in der Wiener Innenstadt), und Neni, die orientalische Mezze-Kollektion der Gastronomin Haya Molcho. Fazit jedenfalls: Das sind zwei Produktlinien, die eine satisfaktionsfähige Alternative zumindest zu grässlichem Convenience-Carpaccio und Ähnlichem darstellen. Daran will ich sie messen, an nichts sonst.
Ein kurzer Flight durch die Sortimente:
1. Flusskrebssalat (Henry): Eine Spur weniger Salz täte der Sache gut; die verwirrende Abschmeckung (nördliche Dille und mediterrane Kapern) funktioniert. Wie wärs aber mit frischen statt eingelegten Flusskrebsen?
2. Tafelspitzsülzchen (Henry): Feine Sache und besser als in manchen Beisln, wo so was mit Weinbegleitung vorschnell für gut befunden wird. Tipp jedoch: Sulzanteil etwas reduzieren.
3. Chicken Masao (Henry): Ein asia-hybrides Ragout mit dünn geschnittenem Huhn. Langsam dräuende, angenehme Chilischärfe und Sesam-Dominanz. Ein Problem solcher Gerichte ist generell der Einsatz von zu viel Stärke (die auf das Texturempfinden drückt), damit das Zeug beim Transport stabil bleibt. Immerhin bietet die Henry-Linie praktische gelochte Karton-Tabletts, damit die Tassen nicht durcheinanderpurzeln.
4. Chicken Salad Saksuka (Henry): Saksuka ist eigentlich der Melanzani-Paradeiser-Salat, der bei diesem Potpourri mit gar nicht so trockenem Huhn dabei ist. Daneben Petersiliensalat Tabouleh (sehr petersilig, wenige Paradeiswürfel, aber recht gut abgeschmeckt), ein leider zu fester Joghurt-Spinat-Salat (siehe Effekt der Stärke bei Chicken Masao) und Hummus. Hübsch runder Hummus. Kein so übler Teller in dieser Produktwelt.
5. Labane (Neni): Frischkäseaufstrich mit wildem Thymian. Solo etwas pampig, kann ich mir aber gut zu selbst gegrilltem Lamm vorstellen.
6. Kichererbsensalat mit frischen Kräutern (Neni): Einer meiner Favoriten mit knackigen Kichererbsen und orientalischem Kräuterbouquet.
7. Baba Ganusch (Neni): Die berühmten Melanzani vom Holzkohlengrill. Und nachdem ich von Transparanz in der Zutatenliste ausgehe, ist das feine Raucharoma natürlich entstanden und kommt nicht von künstlichem Hickory, das in nahezu jeder Barbecuesauce zu finden ist.
8. Falafel (Neni): Das Ball-Model der Nahostküche aus Kichererbsen. Sehr fein gewürzt, etwas trocken. Am besten mit Nr. 9.
9. Hummus mit Olivenöl und ganzen Kichererbsen (Neni): Das ist ein Heimspiel für Haya Molcho, das ich schon öfter getrost Gästen zum informellen Naschen hingestellt habe. Sehr geschmeidig, guter Einsatz von Tahine, der Sesampaste.
10. Passionfruit Tarte (Henry): Dieses Törtchen musste bei meinen Kostproben bis zum Frühstück am nächsten Tag warten, weil Hummus & Co doch schon die Plätze besetzt hielten. Und siehe da: Der Mürbteig war wirklich mürb und gar nicht bröselig. Die echte Passionsfrucht strahlte fruchtig und säuerlich. Netter kleiner Happen, etwa bei Unterzuckerungsalarm im Büro.