Lady Gaga huldigt Marina Abramovic: Superstar zum Anfassen
Vor nicht allzu langer Zeit war die Welt noch überschaubar. Ein Popstar zu sein war das coolste denkbare Lebensmodell. Sogar Hollywoodgrößen sahen im Vergleich dazu blass aus. Performance-Art war zu dieser glamourösen Party gar nicht erst eingeladen, zu elitär schien dieses Genre zu sein, das die Grenzen des Darstellerkörpers und die Erfahrung der Zuschauer radikal auszuloten versuchte. Performance war etwas für intellektuelle Spinner, nichts für den Mainstream. Doch dann kam Marina Abramoviæ und stellte die Welt auf den Kopf. Schweigend saß sie vor drei Jahren 721 Stunden lang im New Yorker Museum of Modern Art und sah ihrem jeweiligen Gegenüber einfach nur in die Augen.
Seit "The Artist is Present ist die Serbin ein Superstar, den sogar "Bunte-Leserinnen kennen. Die Intensität des Live-Moments ist in der Welt der bildenden Kunst gerade der letzte Schrei. Sie dürstet nach Unmittelbarkeit, und sei sie banal wie ein direkter Blickkontakt. HipHop-Großmeister Jay Z performte jüngst sechs Stunden lang für New Yorker Promis in einer Galerie seinen selbstironischen Song "Picasso Baby.
Wie Abramoviæ suchte er die pseudo-religiöse Situation: Er schaute einem Auserwählten aus dem Publikum in die Augen, während er rappte. Lady Gaga macht gerade Werbung für das Marina Abramoviæ Institute (MAI), indem sie seltsame Körpererfahrungsübungen vorführt. MAI soll durch private Spenden zustande kommen und eine Verbindung zwischen Kunst, Wissenschaft, Technik und Spiritualität herstellen. Auf einem Video führt die Queen of Performance durch virtuelle Räume, die so clean aussehen, als wären sie für eine Sekte konzipiert. Wer spendet, erhält übrigens einen spirituellen Moment geschenkt. Ab 25 Dollar ist die Teilnahme an einem Livestream garantiert, bei dem alle gemeinsam mit Abramoviæ langsam und bewusst ein Glas Wasser trinken. Das ist Esoterik auf höchstem Niveau. Nur Hermann Nitsch wäre radikaler: Bei ihm gäbe es Wein. Höchste Zeit also, dass sich der alte Herr mit dem Internet bekannt macht, um seinen Weltruhm noch auszubauen. Sein authentischer Guru-Look ließe sich jedenfalls bestens vermarkten. Und Lady Gaga wäre mit weißem Rauschebart auch sehenswert.