Leopold Salvator Habsburg, Erzherzog

„Leopold Salvator Habsburg, Erzherzog, von mir zur Mitarbeit in der Gestapo herangezogen“

... von mir zur Mitarbeit in der Gestapo herangezogen

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Verhörbeginn um 11 Uhr 30 min.
„Frage: Präzisieren Sie, wie lange Sie Leiter des Referates 2 N* waren.
Antwort: Etwa acht Monate lang – von Juni 1939 bis März 1940.
Frage: Womit befasste sich dieses Referat?
Antwort: Das Referat 2 N befasste sich mit Agentenarbeit in den österreichischen politischen Parteien und Gruppierungen, die in Opposition zur nationalsozialistischen Partei standen.
Frage: Nennen Sie die Ihnen bekannten Agenten des Referates 2 N.
Antwort: Während meiner Tätigkeit wurden von uns folgende Agenten verwendet:
1. Leopold Salvator Habsburg, Erzherzog, wurde von mir persönlich im Jahre 1938 zur Mitarbeit in der Gestapo herangezogen.

Bis Juni 1939 leitete ich in der Wiener Gestapoleitstelle das Referat 2 S, das sich mit der Arbeit gegen die Legitimisten sowie mit der Frage der Beschlagnahme des Eigentums der Habsburger befasste.

1938 wandte sich in der Frage der Rückgabe der beschlagnahmten Güter einer der zahlreichen Habsburger, Erzherzog Leopold Salvator, an mich und begann mir sein Recht auf beschlagnahmtes Gut zu beweisen.

Aus dem Gespräch mit Leopold ging hervor, dass er damals in Paris im Schloss des amerikanischen Millionärs Multon lebte. Leopold war mit einer Amerikanerin verheiratet (und zwar, ohne dass das Oberhaupt der Habsburger, Otto, der in den USA lebte, dieser Heirat zugestimmt hätte) und war ständig in New York ansässig.

Im Gespräch mit dem Erzherzog stellte ich fest, dass dieser überaus bereitwillig alle mich interessierenden Fragen beantwortete, die die Habsburger und die legitimistische Emigration im Ausland betrafen. Die Gestapo hatte keinen Agenten unter den Habsburgern, strebte das jedoch an.

Als deshalb Leopold im Gespräch darauf hinwies, dass er nach Paris fahren wolle, sagte ich ihm, er solle mir Informationen über die Aktivitäten der legitimistischen Emigranten in Paris sowie über politische Ereignisse im Ausland übermitteln.

Als ich Leopold versprach, dass, wenn seine Mutter stürbe, er keine Schwierigkeiten mit dem Antritt seines Erbes haben werde, akzeptierte er mein Angebot.

Von Paris aus korrespondierte der Erzherzog ständig mit seinem Sekretär, Ingenieur Neuhardt, der in Wien lebte. Der Post, die an Neuhardt gerichtet war, legte er versiegelte Kuverts mit Berichten für mich bei. Neuhardt übergab mir diese Briefe regelmäßig.

Leopold Salvator schickte aus Paris interessante Berichte über die legitimistischen Emigranten, er informierte mich auch über ‚große Politik‘.

Beispielsweise teilte er mir mit, der englische Minister Henderson*, der zu Verhandlungen nach Deutschland fahren wollte, würde von englischen Kundschaftern begleitet werden, die sich als Experten ausgeben wollten, jedoch den Auftrag hätten, in Deutschland Wirtschaftsspionage zu betreiben. Einmal machte er mich rechtzeitig darauf aufmerksam, dass der persönliche Anwalt des Otto Habsburg nach Wien kommen würde.

1940, kurz vor Ausbruch des Krieges Deutschland gegen Frankreich, kam Erzherzog Leopold nach Wien, er übergab mir einen umfassenden Bericht mit von ihm gesammelten Informationen über die militärische Stärke Frankreichs.

Ich möchte erwähnen, dass in diesem Bericht alle französischen U-Boot-Stützpunkte und die Zahl der U-Boote auf jedem dieser Stützpunkte angegeben waren.

Da die Informationen, die der Erzherzog gebracht hatte, äußerst interessant waren, informierte ich darüber den Leiter der Abwehrstelle Wien, Oberst Graf Marogna-Redwitz, dann organisierte ich auf Bitten des Letztgenannten für diesen in einer konspirativen Wohnung eine Begegnung mit Leopold. Erzherzog Leopold blieb acht bis neun Tage in Wien, dann fuhr er über Genua mit einem Schiff nach Amerika. Wir hatten abgemacht, dass er nach seiner Rückkehr nach Europa wieder mit mir Kontakt aufnehmen würde.

Welchen Auftrag Leopold von der Abwehr bekommen hat, weiß ich nicht.
Aus Amerika schickte mir der Erzherzog nur einen Brief, in dem er mir mitteilte, er sei wohlbehalten in New York angekommen. Von da an habe ich ihn nicht mehr getroffen.“

Es folgt die Nennung neun weiterer Agenten, unter ihnen Gräfin Seilern. Das Verhör endet um 17 Uhr. Sanitzer bestätigt, dass ihm das Protokoll auf Deutsch zur Kenntnis gebracht und seine Aussage richtig wiedergegeben wurde. Als Untersuchungsbeamter im Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR zeichnet Oberleutnant Sernow.