Himmel und Hölle

Mariazellerbahn: Neue Triebwagen zu groß für Tunnel

Niederösterreich. Die neuen Triebwagen für die Mariazellerbahn passen nicht durch den Tunnel

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Gefeiert wurde bereits ordentlich. Am 16. Dezember des Vorjahres hatte die Niederösterreichische Verkehrsorganisationsgesellschaft (Növog) über 2500 Gäste ins malerische Pielachtal geladen, um einen besonderen Anlass zu zelebrieren: Der erste neue Niederflurtriebwagen für die Mariazellerbahn war aus der Schweiz geliefert worden. Im Betriebszentrum Laubenbachmühle wurde das schmucke Schienenfahrzeug - getauft auf den Namen "Himmelstreppe“ - mit größtmöglichem Aufwand präsentiert. Francine Jordi sang, Barbara Helfgott spielte Geige, und Landeshauptmann Erwin Pröll strahlte: "Die Mariazellerbahn ist ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor für das Pielachtal. Bis 2014 werden wir rund 117 Millionen Euro investieren“, erklärte er. Verkehrslandesrat Karl Wilfing war nicht minder begeistert: "Die Himmelstreppe ist ein Meilenstein in der Geschichte der Mariazellerbahn.“ Die Fahrgäste werden diesen Meilenstein erst ab Dezember 2013 ausprobieren können, wenn alle neun bestellten Triebwagen geliefert und in Betrieb genommen sein werden. Ab April 2014 sollen dann auch vier neue Panoramawaggons zwischen St. Pölten und Mariazell Dienst tun.

Mit der Mariazellerbahn geht es bekanntlich steil bergauf, der Name Himmelstreppe passt also ganz gut - zumal die Fahrt noch dazu in einem Wallfahrtsort endet. Die enormen Kosten des Projekts müssen aber auf Erden beglichen werden. Und wie es aussieht, wäre die Runderneuerung der traditionsreichen niederösterreichischen Schmalspurbahn auch etwas billiger möglich gewesen.

Schildbürgerstreich
65 Millionen Euro der Gesamtsumme fließen in die bestellten Zuggarnituren, 20 Millionen kostet das neue Betriebszentrum. Den Rest, also 32 Millionen, verschlingt die "Ertüchtigung der Strecke“, wie die Növog das nennt. Saniert oder erneuert werden unter anderem Teile des Gleiskörpers, die elektrischen Oberleitungen und diverse Bahnsteige. Doch die Himmelstreppe macht auch bauliche Maßnahmen notwendig, an die man beim Kauf eines Schienenfahrzeugs nicht automatisch denkt: Einige Tunnel auf der rund 85 Kilometer langen Strecke sind für die schmucken neuen Triebwagen zu eng. "Der große und der kleine Eisbergtunnel müssen ausgeschremmt werden“, sagt Madeleine Petrovic, Chefin der niederösterreichischen Grünen. Gemeinsam bringen es die zwei Durchfahrten auf eine Länge von über 400 Metern - der Aufwand ist also beträchtlich. Petrovic ärgert sich über diese vermeidbaren Kosten: Nachdem das Land den Großteil der Nebenbahnen zugesperrt hat, werde nun bei einem Prestigeprojekt das Geld hinausgeworfen. "Die niederösterreichische ÖVP hat überhaupt keinen Bezug zum öffentlichen Verkehr.“

Schon vor Monaten war der Schildbürgerstreich der Mariazellerbahn in Internetforen diskutiert worden. Növog-Sprecherin Brigitta Pongratz hatte die Kalamitäten damals dementiert. Jetzt gibt sie immerhin zu, dass die ersten Ausfahrten mit Styroporschutz stattfanden, um festzustellen, wo genau der Lack in Gefahr ist. "Das ist eine völlig normale Maßnahme im Testbetrieb.“ Es sei falsch, von Tunnelvergrößerungen zu reden. "Bei Schremmarbeiten handelt es sich nur um geringfügige Änderungen an den Tunnelwänden.“ Diskutiert wird unter Eisenbahnexperten derzeit auch die Frage, ob einige Brücken verstärkt werden müssen, weil der Achsdruck der neuen Fahrzeuge zu hoch sein könnte. Pongratz dazu: "Die Sanierungsarbeiten an der Strecke umfassen selbstverständlich auch Maßnahmen an den Brücken.“

Was nach peinlicher Fehlplanung klingt, dürfte den Verantwortlichen der Növog bereits bei der Auftragsvergabe klar gewesen sein. Schon damals stand fest, dass die Dimensionen der neuen Züge ein Problem sein würden. Dennoch entschied man sich für den Schweizer Hersteller Stadler Rail und gegen dessen in Wien-Donaustadt ansässigen Mitbewerber Bombardier, der ebenfalls ein Angebot gelegt hatte - für kleinere Modelle.

Alfred Fleissner, Gründer der Museumstramway Mariazell und ein intimer Kenner der Schmalspurbahn, verteidigt die Vorgangsweise der Növog. In der Höhe würden lediglich ein paar Millimeter fehlen, in der Breite vielleicht 15 Zentimeter - aber auch nur wegen der vom Gesetz vorgeschriebenen Freiräume. Sicher hätte man bei Stadler ein etwas kleineres Maß bestellen können, glaubt Fleissner. "Aber warum soll man einen komfortablen Triebwagen unkomfortabler machen?“

Immerhin ist die aktuelle Posse keine Premiere. Bis 2010 gehörte die Mariazellerbahn den ÖBB - und die haben ebenfalls einmal zu groß eingekauft. Anfang der 1990er-Jahre wurden bei Simmering-Graz-Pauker neue Garnituren geordert. Nach der ersten Testfahrt mit einer Attrappe berichtete der "Kurier“: "Schilda lebt: Zug zu dick für Tunnel.“

Rosemarie Schwaiger