Wieder scheitert ein U-Ausschuss an der Causa Martin Schlaff

U-Ausschuss: Was Milliardär Martin Schlaff verschweigt

Affäre. Wie der Unternehmer und Telekom-Partner die Politik für seine Zwecke einspannte

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Mit Martin Schlaff und Einladungen ist das so eine Sache. So gern manche Gastgeber und -innen ihre Salons und Events mit seiner Aura veredelten, so konsequent pflegt er vermeintliche gesellschaftliche Verpflichtungen zu vernachlässigen. Es pressiert ihm halt oft. Das gilt erst recht für Einladungen, die mit Aktenzahlen versehen sind – und deren Bussi-Bussi-Faktor sich in erwartbaren Grenzen hält.

Am 9. Oktober 2012 will der parlamentarische Untersuchungsausschuss die Ostgeschäfte der Telekom Austria mit ihrem langjährigen Partner Martin Schlaff beleuchten. Gerade einmal drei Stunden lang. Theoretisch. Der Geschäftsmann ist vorerst als einziger Zeuge geladen. Selbst wenn Schlaff der Ladung überraschend Folge leisten sollte: Es ist auszuschließen, dass das sperrig formulierte Beweisthema an diesem 9. Oktober auch nur annähernd erschöpfend behandelt werden wird: „Wahrnehmung der staatlichen Aufsicht und Kontrolle über die ÖIAG hinsichtlich der anteilig in ihrem Eigentum stehenden Telekom Austria Group sowie deren Beteiligungen ab dem Jahr 2000 im Hinblick auf die lukrative Zwischenschaltung von parteinahen Personen und Unternehmen in den Erwerb ausländischer Beteiligungen (insb. Mobiltel ­Bulgarien, MDC Weißrussland, Mobtel Serbien).“

Schon 2007 hatte der damalige „Bankenausschuss“ vergeblich versucht, Schlaffs Verbindungen zur Telekom Aus­tria, der früheren Gewerkschaftsbank Bawag und in die Politik aufzurollen. Vergeblich. Der Zeuge ließ zwei Termine nonchalant verstreichen. Ehe er nochmals geladen werden konnte, war der Ausschuss schon wieder Geschichte. Und auch der aktuelle Ausschuss hat ein Ablaufdatum: Am 16. Oktober, das hat die tief in die so genannte Inseratenaffäre verstrickte SPÖ (siehe Bericht Seite 16) in Tateinheit mit dem Koalitionspartner ÖVP so verfügt, tagt das Gremium ein letztes Mal.

So ein Pech auch. Oder – je nach Standpunkt – welch glückliche Koinzidenz.
Es ist bemerkenswert, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse immer dann entschlummern, wenn sie Schlaffs Kreise zu stören beginnen. Wolfgang Schüssel; Josef Taus; Herbert Cordt; Benita Ferrero-Waldner; Hubert Gorbach; Alfred Gusenbauer – ehedem ranghohe Repräsentanten der Republik Österreich. Sie alle waren dem 57-jährigen Unternehmer auf die eine oder andere Weise freundschaftlich bis geschäftlich verbunden.Manche sind es bis heute. Sie alle müssten konsequenterweise auf der Ladungsliste des Untersuchungsausschusses stehen. Mit ihnen amtierende und ehemalige Telekom-Manager wie Heinz Sundt, Boris Nemsic und Hannes Ametsreiter sowie der notorische Provisionär Peter Hochegger.

Martin Schlaff und die Telekom.
Das war jene Achse, über die einst Millionen geflossen sind. Es ist bis heute nicht ansatzweise geklärt, in welche Richtung. Und an wen. Zwischen 2005 und 2007 expandierte der Konzern nach Bulgarien, Serbien und Weißrussland. Stets mittendrin: Martin Schlaff. Da wie dort trat er helfend in Vorlage: Erst kaufte er sich bei lokalen Mobilfunkbetreibern ein, von denen er wusste, dass diese auf dem Einkaufszettel der Telekom Austria standen. In zwei Fällen, Bulgarien und Weißrussland, reichte er die Beteiligungen auch tatsächlich mit beträchtlichem Profit an die Telekom weiter. In Serbien sollte der Deal zwar platzen, ganz leer ging die Telekom aber auch hier nicht aus.

Eigentlich sollte all das längst aufgearbeitet sein. Im Frühjahr vergangenen Jahres hatte der neue Aufsichtsratschef der Telekom, Markus Beyrer, vollmundig die lückenlose Aufklärung versprochen. Die international tätige Beratergruppe BDO sollte neben den fragwürdigen Provisionen an Peter Hochegger und andere auch die Auslandsakquisitionen forensisch untersuchen. Sollte. Bis heute liegt dieser Berichtsteil nicht vor. Es ist überhaupt unklar, ob BDO die Ostgeschäfte in der gebotenen Ausführlichkeit aufgerollt hat. Und wenn ja, bei wem die allfälligen Erkenntnisse gelandet sind. Im Parlament jedenfalls nicht – obwohl der U-Ausschuss die Ostgeschäfte der Telekom auf der Agenda hat und die BDO-Arbeiten längst abgeschlossen sind.

Martin Schlaff und die Politik. Das war stets ein zwangloses Geben und Nehmen über ideologische Grenzen hinweg. Und genau das könnte für einzelne Fraktionen im parlamentarischen U-Ausschuss zu einem echten Problem werden.

Schlaff mag zwar bekennender Sozialdemokrat sein – aber erst in zweiter Linie. In erster Linie ist er Geschäftsmann. Und als solcher hat er eine niedrige Toleranzschwelle gegenüber politisch Andersdenkenden.
Da wäre einmal Josef Taus, in den siebziger Jahren Bundesparteiobmann der ÖVP und später Nationalratsabgeordneter. Taus und Schlaff sind seit Jahren geschäftlich verbandelt, wobei darüber spekuliert werden darf, welche Rolle Taus tatsächlich spielt: Co-Investor? Treuhänder? Lobbyist? Alles zusammen? Taus nährt diese Fragen schon allein dadurch, dass er nämlichen die Antwort konsequent verweigert. Wie übrigens auch Schlaff.

Andererseits:
Herbert Cordt, in den siebziger Jahren Kabinettsmitarbeiter von SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch. Wäre Martin Schlaff ein Unternehmen, Cordt wäre wohl so etwas wie dessen Finanzvorstand. Er ist zwar ungleich umgänglicher als Josef Taus, über die gemeinsamen Geschäfte verliert er habituell aber auch nicht allzu viele Worte.

Zu reden gäbe es viel. Über den Einstieg und den Verkauf des bulgarischen Mobilfunkbetreibers Mobiltel etwa. 2002 hatten Schlaff, Taus und Cordt sich mit tatkräftiger Unterstützung der Bawag unter Helmut Elsner in Sofia eingekauft – und dafür die Kleinigkeit von annähernd 800 Millionen Euro abgelegt. 2005 reichten sie das Unternehmen an die Telekom Austria weiter. Um das Doppelte, 1,6 Milliarden Euro. Die Begleitumstände waren und sind aufklärungswürdig. Denn eigentlich wollte die Telekom das Unternehmen bereits 2002 erwerben. Doch der damalige Vorstandschef Heinz Sundt scheiterte an den Eigentümervertretern. Bundeskanzler war damals ein gewisser Wolfgang Schüssel, Finanzminister Karl-Heinz Grasser.

Anstelle der Telekom trat Schlaff in Vorlage. Die offizielle Version: Die Eigentumsverhältnisse bei den Bulgaren seien zu undurchsichtig und damit politisch heikel gewesen. Tatsächlich stand Mobiltel damals im Einflussbereich des untermittelmäßig ­beleumundeten russischstämmigen Geschäftsmanns Michail Chernoy, wahlweise auch Cherney. Dessen Leumund war aber immerhin proper genug, um ihm ­vorübergehend ein Visum für Österreich zu verschaffen. Und dies auf ausdrückliche Intervention der damaligen ÖVP-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner.
Im März 2003, die österreichischen Investoren hatten sich eben erst in Bulgarien breitgemacht, weihte Mobiltel die neue Konzernzentrale ein. Grund genug, der ÖVP-Nomenklatura einen Auslandstrip zu gönnen. Identitätsstiftender Höhepunkt der Feierlichkeiten: eine von Schlaff und Elsner organisierte Soiree in der Oper Sofia mit anschließendem Galadiner.

Einem Mann sollte die schiere Anwesenheit Jahre später einigen Erklärungsbedarf bescheren: Wolfgang Schüssel. Wie profil 2006 berichtete, war der Bundeskanzler nicht nur einer von Schlaffs Ehrengästen. Er ließ es sich auch nicht nehmen, dem Musikkonservatorium Sofia an diesem Abend und hochoffiziell Bösendorfer-Flügel zu übergeben. Dumm nur: Schüssel hatte die vermeintlich beschwerliche Reise in den Südosten durchaus komfortabel angetreten. Er hatte sich in Schlaffs Privatjet einfliegen lassen. Nur am Rande sei erwähnt, dass Schüssel in der Oper unweit von zwei seiner Vorgänger an der Parteispitze zu sitzen kam: Josef Taus und Erhard Busek.

Mit den Schwarzen ließ sich also kungeln.
Und das sollte sich 2005 bezahlt machen. In jenem Jahr wurde Mobiltel an die Telekom weitergereicht. Warum diese das Doppelte bezahlte und wer am Ende davon profitierte, gehört bis heute zu den besser gehüteten Unternehmensgeheimnissen. Allein dieses Geschäft böte Stoff für einen Untersuchungsausschuss. Da passt es nur zu gut ins Bild, dass auch der Haus-und-Hof-Lobbyist der Telekom, Peter Hochegger, mitmischte. Bereits 2003 hatte er von Schlaff 600.000 Euro Honorar kassiert – angeblich für eine Imagekampagne in Bulgarien.

Doch auch mit den Blau-Orangen ließen sich die Geschäfte gut an. Im Sommer 2005 holten Schlaff und Partner zum nächsten Schlag aus. Sie kauften sich beim teilstaatlichen serbischen Mobilfunkbetreiber Mobtel ein – auf den zuvor schon der Telekom-Konzern ein Auge geworfen hatte. Wieder waren die Eigentumsverhältnisse verworren, wieder hatten es die Investoren mit einem nicht eben umgänglichen Verkäufer zu tun: Bogoljub Karic, einem Oligarchen der Milosevic Ära. Doch diesmal ging die Sache beinahe schief: Am Ende einer endlosen Auseinandersetzung mit der serbischen Regierung um die tatsächlichen Anteilsverhältnisse wurde Mobtel im Dezember 2005 die Funklizenz entzogen. Wie gut, dass der damalige BZÖ-Infrastrukturminister (und Vizekanzler) Hubert Gorbach hieß. Jener Hubert Gorbach, von dem man heute weiß, dass er neben vielen anderen zumindest mittelbar in den Genuss von Telekom-Zuwendungen gekommen ist. Auch er kann von sich behaupten, Schlaffs Jet, eine Canadair Challenger 604, von innen gesehen zu haben, und das nicht nur einmal. Zwischen Jänner und Februar 2006 düste Gorbach gleich dreimal nach Belgrad, um den Serben eine friedliche Lösung abzuringen – in wessen Interesse auch immer. Tatsächlich trat der BZÖ-Vizekanzler etwa am 17. Jänner 2006 gegenüber der serbischen Regierung als Leiter einer „Delegation“ auf, in der sich neben Vertretern seines Kabinetts auch Schlaff und der damalige Mobilkom- und spätere Telekom-Chef Boris Nemsic befanden. Und mehr noch: Nur zwei Tage später bedankte sich Gorbach artig beim damaligen serbischen Premier Vojislav Kostunica für „das angenehme und offene Gespräch mit Ihnen und Ihren Regierungskollegen“. Das Schreiben liegt profil vor. Gorbach darin wörtlich: „In Fortsetzung des Lösungsansatzes freue ich mich, Ihnen mitzuteilen, dass ich selbst in der Arbeitsgruppe an einer Lösung mitarbeiten werde … Daneben werden der Arbeitsgruppe die Herren Mag. Martin Schlaff und Dr. Boris Nemsic sowie als Rechtsberater Herr Dr. Harry Neubauer (Schlaffs Anwalt, Anm.) angehören.“

Nun mag es durchaus zu den Aufgaben eines Ministers zählen, die Interessen österreichischer Investoren im Ausland zu vertreten. Doch eine Selbsthilfegruppe unter ministeriellem Vorsitz? Das ist dann doch ein Tick zu viel Einsatz, der sich für Gorbach aber rechnen sollte: Er sitzt heute im Aufsichtsrat der auf die Herstellung von feuerfesten Materialien spezialisierten RHI-Gruppe, in der, erraten, Schlaff das Sagen hat.

Um es kurz zu machen: Der Telekom-Konzern bekam zwar schlussendlich nicht den serbischen Anbieter, wohl aber eine Funklizenz. Und Schlaff – war wieder reicher, diesmal um 200 Millionen. Er verklopfte seine Anteile im Juli 2006 an die norwegische Telenor. Das Geschäft ist mittlerweile Gegenstand behördlicher Untersuchungen, die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Schlaff und eine Reihe anderer wegen des Verdachts der Geldwäsche.

Im Oktober 2006 war Schwarz-Blau Geschichte. Am 11. Jänner 2007 wurde Alfred Gusenbauer, SPÖ, als Bundeskanzler angelobt. Und wieder war Martin Schlaff zur Stelle. Noch am Abend dieses Tages schmiss Schlaff eine Fete zu Ehren des neuen Regierungschefs, und das im intimsten Kreis. Gerade einmal ein Dutzend Personen, die sich unter anderem von Startenor Neil Shicoff beschallen ließen, durften mit Gusenbauer die Rotweinkelche heben. Der Gefeierte erinnert sich bis heute übrigens nur schemenhaft an die Sause.

Dabei gehört auch Gusenbauer zu jenem Kreis, der sich von den Annehmlichkeiten einer Canadair Challenger verführen ließ. Und das noch in der Opposition. Im Mai 2006 hatte Schlaff Gusenbauer seinen Privatjet zur Verfügung gestellt, damit dieser vom Champions-League-Finale in Paris rechtzeitig zur einer von der SPÖ einberufenen Sondersitzung des Nationalrats wieder in Wien war. Tagesordnungspunkt: die damals wie heute von Korruptionsgerüchten umwehte Anschaffung der Eurofighter.