Graf Ali und der rote Diamant

Affäre Mensdorff. Die internationalen Verästelungen des Schmiergeldsystems um die Waffenschmiede BAE

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Eigentlich sollte er draußen sein, auf Feld und Flur: Diese Woche beginnt im Burgenland die Jagdsaison für Wildtruthahn und Fasanhenne, die Schonzeit für den Feldhasen, das Muffelwild und die Schmalgeiß kündigt sich bereits an. Aber statt auf die Pirsch gehen zu können, muss sich Alfons Mensdorff-Pouilly schon wieder Termine in Wien vormerken.

Noch im November beginnt die parlamentarische Untersuchungskommission, die eine Reihe mutmaßlicher Korruptionsfälle aus der jüngeren Vergangenheit aufarbeiten soll, mit ihren Vernehmungen. Gleich zu Beginn wird es um fragwürdige Zahlungen im Umfeld der Telekom Aus­tria gehen, in die auch der Lobbyist aus Luising involviert ist (siehe Kasten Seite 28), und das heißt für den passionierten Waidmann: Ausschuss statt Abschuss, Zeugen- statt Hochstand.

Zudem platzt mitten in den Wirbel um die neuen Verdachtsmomente gegen Mensdorff jetzt auch noch ein Enthüllungsbuch, das eine zwischenzeitlich etwas in den Hintergrund geratene Affäre wieder deutlich ins Gedächtnis ruft: Korruption im Umfeld der Beschaffung neuer Militärjets durch Österreich, Tschechien und Ungarn. Die Staatsanwaltschaft Wien verdächtigt Mensdorff, im Auftrag des britischen Rüstungskonzerns BAE Systems mehrere Millionen Euro Schmiergeld verteilt zu haben. Der Vorwurf lautet unter anderem auf Bestechung und Geldwäsche. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Evident ist, dass Mensdorff viele Jahre als Berater von BAE tätig war, finanzielle Verbindungen zu einem klandestinen Netz von Konten und Scheinfirmen unterhielt, in das Gelder des Rüstungskonzerns eingespeist wurden. Wie weit verzweigt dieses System war, zeigen nun Recherchen des südafrikanischen Polit-Enthüllers Andrew Feinstein.

Der ehemalige Parlamentsabgeordnete des African National Congress (ANC) stellt kommenden Freitag in London sein Buch „The Shadow World. Inside the Global Arms Trade“ vor: ein 670 Seiten starkes Opus magnum über die Schattenwelt des internationalen Waffenhandels – und gleichzeitig ein umfassendes Sündenregister von BAE Systems, in das profil bereits vorab Einsicht nehmen konnte.

Daraus ergeben sich Kontinuitäten, die vom größten Rüstungsskandal Südafrikas bis zu den Finanztransaktionen Mensdorffs reichen – und fast wie eine Blaupause der Vorgänge um die Abfangjäger-Beschaffung im Österreich der Ära Schwarz-Blau wirken.

Rückblende:
Im Jahr 1999 beschloss die südafrikanische ANC-Regierung ein umfassendes Aufrüstungsprogramm. Das Kabinett von Thabo Mbeki bestellte um mehr als drei Milliarden Dollar Schiffe, Hubschrauber und Flugzeuge, darunter auch Abfangjäger der Type Saab Gripen. Das führte zu heftiger Kritik: einerseits, weil die militärische Shoppingtour durch kein Bedrohungsszenario argumentierbar war. Und andererseits, weil dabei um die 300 Millionen Dollar an Politiker, Parteifunktionäre und Mittelsmänner verteilt wurden. „Schmiergeld war eine der wichtigsten Motivationen für den Deal – besonders, weil der ANC sich und die bevorstehenden Wahlen finanzieren musste“, schreibt Feinstein in „Shadow World“.

Begleitet wurde all das von nicht nachvollziehbaren Entscheidungsprozessen: „Das gemeinsame Angebot der Briten und Schweden … schaffte es nicht in die engere Auswahl des für die technische Auswahl relevanten Komitees. Gewisse Kriterien erfüllte es nicht, in anderer Hinsicht war es wiederum überqualifiziert“, heißt es in Feinsteins Buch.

Zudem sei die letztlich ausgewählte Option von BAE und Saab zweieinhalbmal so teuer gewesen wie das von den Militärs favorisierte Modell. Parallel entwickelte die Regierung ein fragwürdiges Gegengeschäftsmodell, das weitaus weniger hereinbrachte als behauptet. Ganz ähnlich lief wenige Jahre später auch die Eurofighter-Beschaffung in Österreich ab. Für den Fall Mensdorff ist das aber nur am Rande von Belang.
Dass Feinstein die südafrikanischen Rüstungsgeschäfte als Mitglied eines parlamentarischen Kon­trollausschusses genau unter die Lupe nehmen wollte, bekam seiner Karriere nicht gut. Die Untersuchung wurde abgedreht, der Abgeordnete verlor 2001 sein Mandat und sah sich gezwungen, nach Großbritannien auszuwandern.

Die dubiose Rolle von BAE Systems in Südafrika blieb in London nicht unbemerkt. Die britische Antikorruptionsbehörde SFO (Serious Fraud Office), die den Rüstungskonzern bereits wegen Schmiergeldzahlungen an Saudi-Arabien im Visier hatte, begann zu ermitteln. In einem Antrag für Hausdurchsuchungen in Südafrika äußerte sie den „begründeten Verdacht, dass BAE ein System von Zahlungen entwickelt hat, die als Schmiergeld gedacht waren … um sich einen unzulässigen Vorteil über ihre Konkurrenten im Anbotsverfahren zu verschaffen. Das wurde durch ein System von offenen und geheimen Beratern durchgeführt.“

Um „sicherzustellen, dass korrupte Zahlungen durchgeführt werden konnten, und es den Strafverfolgungsbehörden zu erschweren, das System zu knacken“ ­(Zitat SFO), habe BAE im Februar 1998 auf den British Virgin Islands eine Briefkastenfirma eingerichtet. Ihr Name: Red Diamond Trading Ltd.

Die renommierte Tageszeitung „The ­Guardian“, die als Erste Unterlagen über Red Diamond veröffentlichte, sieht die Briefkastenfirma im Zentrum eines „weltweiten Geldwäschesystems, über das mit Duldung der britischen Regierung jahrelang geheime Bargeldzahlungen in Milliardenhöhe abgewickelt wurden“. Feinstein formuliert es in „Shadow World“ noch härter: „Red Diamond war Teil eines ausgeklügelten globalen Netzwerks, das BAE eingerichtet hatte, um Bestechung und Korruption zu verstecken.“

Ausgehend von Red Diamond, lässt sich eine Reihe fragwürdiger Transaktionen nachvollziehen, die zum Teil über ein automatisiertes Online-Banking-Service und Banken wie Lloyds, UBS oder Chase Manhattan abgewickelt wurden – unter anderem an „Agenten“ in Großbritannien, Südamerika, Tansania, Rumänien, Südafrika, Katar, Chile. Aber auch in Tschechien, als es für BAE dort ab Ende der neunziger Jahre darum ging, einen lukrativen Auftrag zur Anschaffung neuer Abfangjäger vom Typ Saab Gripen zu sichern: ein Geschäft, das wegen zahlreicher Indizien auf Schmiergeldzahlungen bis heute Gegenstand gerichtlicher Ermittlungen ist.

Dokumente, die dem schwedischen TV-Magazin „Uppdrag Granskning“ zugespielt wurden, legen auch nahe, dass von Red Diamond im Zusammenhang mit Rüstungsgeschäften in Ungarn insgesamt acht Millionen Dollar an eine Briefkastenfirma namens Prefinor International überwiesen wurden, die ebenfalls – diskret und steuerschonend – auf den British Virgin Islands angesiedelt war. Als Red Diamond aufflog, soll Prefinor nach Erkenntnissen der Ermittler die Rolle des Geldverteilungsvehikels übernommen haben.

Prefinor wird Timothy Landon zugerechnet, einem angeheirateten Verwandten Mensdorffs aus Großbritannien. Landon ist inzwischen verstorben. Zu Lebzeiten war er unter anderem als Geheimagent und Mittelsmann für BAE Systems tätig – und in mehrere Bestechungsaffären im Umfeld der Rüstungsindustrie verwickelt gewesen.

Mit Mensdorff verbindet ihn eine Reihe umstrittener Geldtransaktionen, die über ein halbes Dutzend Strohfirmen wie Valurex, Foxbury oder Brodman abgewickelt wurden. Die Staatsanwaltschaft vermutet dahinter teilweise Schmiergeldzahlungen. Mensdorff hat über seinen Anwalt Harald Schuster hingegen immer wieder ausrichten lassen, diese Überweisungen hätten mitnichten für Bestechungszwecke gedient. Er habe Landon bloß die Gefälligkeit erwiesen, Investitionskapital „an Dritte“ weiterzuleiten.

Feinstein schreibt, „die Verwendung von so komplexen und diskreten Methoden zur Verteilung von Finanzmitteln“ deute darauf hin, „dass es sich dabei um Erträge aus dem verborgenen Bereich von Mensdorff-Pouillys und Landons Tätigkeit für BAE handelt“. Zumal ein großer Teil des angeblichen Investitionskapitals schlicht verschwunden ist: Bei Empfängern, die aber nicht mehr aufzufinden sind, oder bei Projekten, die nie umgesetzt wurden.
„Die Landon-Gelder waren Durchlaufposten“, so Mensdorffs Anwalt Harald Schuster 2009 zu profil: „Mein Mandant hatte keinen vollständigen Überblick.“

Einen anderen Teil haben die Ermittler inzwischen zumindest geortet. Er liegt in einer offenbar nach Landons Witwe Katalin benannten Liechtensteiner Stiftung namens „Kates“.

Entscheidende Dokumente aus den Ermittlungen des SFO gegen BAE Systems werden der österreichischen Justiz von Großbritannien vorenthalten, seit sich der Rüstungskonzern Anfang 2010 gegen Zahlung von umgerechnet 325 Millionen Euro freigekauft hat. Der Deal schloss auch das britische Verfahren gegen Mensdorff ein – und damit das vorläufige Ende der Rechtshilfe für die Staatsanwaltschaft in Wien, obwohl Letztere bizarrerweise nur auf Ansuchen des SFO gegen den Rüstungslobbyisten tätig geworden war.

BAE hat im Zuge des Justizdeals, der zur Einstellung des Verfahrens führte, inzwischen eingestanden, alleine über Red Diamond fast 1000 Geldtransaktionen über umgerechnet rund 50 Millionen Euro an „Marketingberater und Agenten“ getätigt zu haben. In einem von Feinstein zitierten Dokument aus dem Vergleichsverfahren heißt es: „BAE hat über Offshore-Briefkastenfirmen Zahlungen an gewisse Berater durchgeführt“ – wohl wissend, dass „in gewissen Situationen eine hohe Wahrscheinlichkeit bestand, dass ein Teil dieser Zahlungen dazu verwendet werden würde, sicherzustellen, dass BAE bei Entscheidungen ausländischer Regierungen über den Ankauf von Rüstungsgütern bevorzugt wird.“

Weiters gab BAE an, in Tschechien und Ungarn einzig und alleine für Verhandlungen über die Anschaffung von Gripen-Abfangjägern acht „Berater“ engagiert zu haben – darunter Mensdorff und die Briefkastenfirma Valurex. Er habe „nie mit einem tschechischen Politiker oder Parlamentarier über den Gripen-Verkauf gesprochen“, hat Mensdorff dazu einmal gegenüber profil erklärt: Seine Tätigkeit habe sich lediglich darauf beschränkt, Marktberichte für Valurex zu verfassen – bei der rein zufällig sein britischer Verwandter Timothy Landon die Prokura hatte.
Andrew Feinstein hat Mensdorff-Pouilly vor einigen Monaten in Wien befragt. Er traf auf einen Mann, den er als „größer, schlanker und attraktiver, als er auf Fotos wirkt“, und „auf leicht spitzbübische Art charmant“ beschreibt. Mensdorff gab Schwänke aus den zwei Gefängnisaufenthalten in Österreich und Großbritannien zum Besten, die ihm die Ermittlungen in den vergangenen Jahren eingetragen haben, und bekräftigte im Übrigen, alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien haltlos.

Ein paar Verfehlungen wollte er am Ende dann doch zugeben: „Vielleicht zu viel Wein, zu viele Frauen … aber ich habe niemals Schmiergeld bezahlt.“