Michael Frank: „Ein Skandal erster Ordnung“
profil: Wieso mag uns die EU nicht?
Frank: Das kommt immer mit so einem weinerlichen Unterton daher: Die mögen uns nicht, die gönnen uns nichts. Österreich redet sich das selbst ein: Schon bevor das Land der EU beigetreten ist, hat es sich als Sprecher der „Kleinen“, der potenziell schlecht Behandelten, in der Union stilisiert. Dass die Sache mit dem Transit danebengegangen ist, ist aber ein Skandal erster Ordnung. Die EU ist in ihrem Bewusstsein noch nicht so weit, dass sie die Unversehrtheit von Mensch und Natur gegen den mythologisierten Wert des freien Warenverkehrs richtig abwägen kann. Österreich hat Prügel bekommen, weil die Verkehrsdebatte in der EU noch völlig unreif verläuft.
profil: Nicht einmal die CSU, der ÖVP liebste Schwesterpartei, hat geholfen.
Frank: Das hat mit der Performance zu tun. Österreich trägt Probleme sehr wechselhaft vor: einmal im Winselton, dann mit großer Gebärde und völlig hypertrophen Drohungen, ohne selbst das eigene Auftreten richtig einschätzen zu können. Nehmen Sie die Zeit der so genannten Sanktionen: die Charme-Offensive der Frau Ferrero-Waldner – aus Sicht der anderen hat sie sich wie eine Nervensäge durch das europäische Feld gefräst. Viele Gesprächspartner haben schon die Krise bekommen, wenn sie nur aufgetaucht ist – Österreich als Quälgeist. Das jetzige Debakel hängt nicht zuletzt mit den ewigen Vetodrohungen Österreichs gegen die Erweiterung der EU zusammen. Wenn man unentwegt mit dem schwersten Säbel herumfuchtelt, dann wird dieser als Drohung irgendwann nicht mehr ernst genommen. Deshalb hat Europa auch nicht begriffen, wie ernst es Österreich mit dem Transitproblem wirklich ist, weil seine Drohgebärden unglaubwürdig wurden.
profil: Beim Stabilitätspakt sind es aber die Deutschen, die die EU-Spielregeln verletzen.
Frank: Stimmt. Ich halte die Aktion der Deutschen und der Franzosen für geradezu verhängnisvoll. Auch weil dieser Schulterschluss auf der Gegenseite das Syndrom „Wir Kleinen werden platt gemacht“ verstärkt.
profil: Hat sich das Image des Kabinetts Schüssel in Europa tatsächlich verbessert?
Frank: Ja. Weil es kein blau-schwarzes Kabinett zu gleichen Teilen mehr ist, sondern ein ÖVP-Kabinett mit relativ wenig sachkundiger Assistenz der Freiheitlichen. Der Dämon FPÖ scheint gebannt. Das wird auch als Schüssels Verdienst gesehen. Die Zeit der Sanktionen hat da auch etwas Positives gebracht: Zuvor glaubte man in Westeuropa, Österreich sei nur der Schleppenträger der Deutschen, es mache den ohnehin zu dicken deutschen Block nur noch mächtiger. Als sich Deutschland bei den Sanktionen entgegen manchen Erwartungen nicht vor den „kleinen Bruder“ geworfen hat, haben viele in Europa erstmals wirklich begriffen, dass dies zwei ganz eigenständige Gesellschaften sind.
profil: Jetzt wollen uns die „bösen Deutschen“ sogar die „Krone“ wegnehmen, wie deren Chef Hans Dichand suggeriert.
Frank: Die „Krone“ können sich die Österreicher gern behalten. Denn die „Krone“ ist – und das ist eigentlich völlig unösterreichisch – ein krachend humorloses Organ. Und das Buch von Günther Nenning über Hans Dichand ist eine Mumiendämmerung von aberwitziger Düsternis. Ein Fall von Hagiografie, wie es ihn nicht einmal in der Antike gegeben hat.