Mister Cool and the Gang

Mister Cool and the Gang: Die wundersamen Geschäfte von Jörg Haiders Buberlpartie

Die Geschäfte von Jörg Haiders Buberlpartie

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Vergangenen Montag wurde er 50. Am selben Tag endete der glänzende Aufstieg des Walter Meischberger mit einer Selbstanzeige beim Finanzamt für den 19. Bezirk wegen Steuerhinterziehung. Selbst wenn ihm die reuige Selbstbezichtigung ein Strafverfahren ersparen sollte, selbst wenn keine weiteren hässlichen Details über seine Geschäfte im Dunstkreis seines besten Freundes und Lebensmenschen Karl-Heinz Grasser auftauchen sollten – an die großen Dinger kommt Meischberger wohl nicht mehr heran. Und die Steuern für jene rund acht Millionen Euro, die er 2004 als Provision für nicht näher definierte „Dienste“ beim Verkauf der bundeseigenen Wohnbaugenossenschaft Buwog einstreifte, muss er jedenfalls nachzahlen. Das wäre für ihn noch die glimpflichste Variante. Für Karl-Heinz Grasser übrigens auch.

Mag sein, dass sich Meischberger an seinem so umwölkten runden Geburtstag noch einmal die letzten zwanzig Jahre durch den Kopf gehen ließ, die seinem Leben die entscheidende Prägung geben sollten. Damals, 1989, hatte Jörg Haider den Heizungstechniker und Tankstellenpächter aus Innsbruck nach Wien geholt, nachdem er ihn einige Monate als Sekretär der Tiroler Landespartei ausprobiert hatte. Haider machte Meischberger zum Bundesgeschäftsführer der FPÖ – einer Art Organisationsreferent – und setzte ihn zwecks Gehaltsaufbesserung auf ein Bundesratsmandat. In Haiders Umfeld traf der 30-jährige Tiroler andere junge Männer, die ebenfalls auf dem Weg nach oben waren. Den zwei Jahre älteren Gernot Rumpold etwa, einen Gurktaler, der zur selben Zeit wie Meischberger die HTL für Heizungstechniker im burgenländischen Pinkafeld besucht hatte. Da war auch ein 22-jähriger Wiener namens Peter Westenthaler, wieder ein HTL-Absolvent, der zwar aus einer roten Familie in Wien-Favoriten stammte, aber Haider abgöttisch verehrte.

Wenig später stieß ein weiterer Kärntner zu Haiders ständig wachsender „Buberlpartie“. Den 23-jährigen Karl-Heinz Grasser hatte der FPÖ-Chef im Klagenfurter Autohaus von Grassers Eltern kennen gelernt, wo Haider seiner Frau ein Auto kaufte. Der junge Magister der Betriebswirtschaft gefiel ihm, wenige Monate später war Grasser parlamentarischer Mitarbeiter im FPÖ-Klub in Wien.

Jeder der jungen Männer hatte seine Vorzüge. Rumpold war Haiders Mann fürs Grobe, Westenthaler der gewissenhafte Musterknabe, über den sich die anderen manchmal lustig machten. Am schnellsten freundete sich Meischberger mit dem um zehn Jahre jüngeren Grasser an: Er war flotter als die anderen und mit jenem Wörthersee-Schmäh ausgestattet, der oft mit Weltläufigkeit verwechselt wird.

Haider blieb die Achse nicht verborgen: Er machte die beiden viel versprechenden Buberln zu gleichberechtigten Generalsekretären der FPÖ. Die Partei stieg schnell auf – dennoch gelang nicht alles. Im Juni 1994 stimmten zwei Drittel der Österreicher für den Beitritt zur EU, obwohl die Haider-FPÖ ein Nein empfohlen hatte. Am Abend der verlorenen Abstimmung kamen Grasser und Meischberger gar nicht erst in die Parteizentrale. Die Niederlage musste der allzeit getreue Peter Westenthaler vor den Journalisten vertreten. Das waren die Jahre, in denen sich alles erst formte.

Als größte Begabung hat Haider zu diesem Zeitpunkt längst Karl-Heinz Grasser erkannt. 1994 macht er den 25-Jährigen zum Vize-Landeshauptmann von Kärnten. Der Jungpolitiker versucht seinem Meister zu entsprechen. Einmal fordert er sogar, öffentliche Bauaufträge dürften nicht mehr an Betriebe vergeben werden, die Ausländer beschäftigen. Wenig später wird ruchbar, dass im Autohaus seiner Eltern ein Ausländer beschäftigt ist, noch dazu illegal. 1998 macht Frank Stronach dem fotogenen Jungstar ein Angebot, das dieser nicht ablehnen mag: Der Magna-Chef bietet Grasser einen Job mit dem doppelten Gehalt eines Landeshauptmann-Stellvertreters.

Grasser nimmt an, fährt nach Wien und veranstaltet in den Redaktionsräumen der „Kleinen Zeitung“ ein Hintergrundgespräch für Wiener Journalisten, in denen er über Haider und seine Entourage herzieht. Auch Walter Meischberger drängt es in die Wirtschaft. Er gibt den Posten in der Parteizentrale auf, behält das Nationalratsmandat und versucht sich als Fußballmanager. Als er 1997 den Mittelfeldregisseur Peter Stöger um drei Millionen Schilling „bar aufs Handerl“ an Innsbruck vermittelt, stolpert er. Meischberger wird rechtskräftig wegen Anstiftung zur Steuerhinterziehung verurteilt, aus der Partei ausgeschlossen und verliert wenig später auch sein Nationalratsmandat. In den folgenden Jahren bringt er sich als Geschäftsführer des anzeigenschwachen Adabei-Blättchens „Seitenblicke Magazin“ über die Runden. Aber bald beginnt auch für ihn die Zeit der Ernte.

Grasser hat inzwischen in seinem Magna-Job einen interessanten Mann kennen gelernt. Peter Hochegger, Mitbesitzer der zweitgrößten PR-Agentur Österreichs, soll ihm dabei helfen, Frank Stronachs Plan von einem kugelförmigen Amüsement-Center bei Ebreichsdorf zu popularisieren. Obwohl sich Stronachs Schnapsidee selbst für Hochegger als nicht verkaufbar erweist, werden Grasser und der PR-Spezialist Freunde. Man besiegelt die neue Achse wie damals bei Haider mit einem Autokauf: Hochegger ersteht einen Jaguar des Autohauses Grasser, ein verbilligtes Vorführmodell, und steigt beim tümpelnden Seitenblicke-Verlag ein. Jetzt ist das Trio komplett, das zehn Jahre später viel Erklärungsbedarf haben wird.

Als im Februar 2000 das schwarz-blaue Kabinett Schüssel I gebildet wird, ist Jörg Haiders Zorn auf den untreuen Karl-Heinz überraschenderweise verraucht: Er macht den jetzt 31-Jährigen zum Finanzminister. Dem Leichtfuß verrinnen von Beginn an die Grenzen zwischen privat und öffentlich. Seinen früheren Uni-Professor, der auch sein Doktorvater werden soll, ernennt er zum Chef der internen Steuerreformkommission. Er ziert eine Filialeröffnung des Modelabels Tommy Hilfiger mit seiner Präsenz und lässt sich dafür zum Nulltarif einkleiden. Seine Verlobte wickelt im Liebeskummer (der Finanzminister schmuste öffentlich mit Fiona Swarovski) einen sündteuren Porsche Cayenne um einen Baum. Als dessen Besitzer entpuppt sich ein „Nennonkel“ Grassers, den der junge Finanzminister in zwei Aufsichtsräte gehievt hatte. Von der Industriellenvereinigung lässt sich Grasser 220.000 Euro spendieren, offiziell zur Gestaltung einer Homepage. Das Geld hat er bis heute nicht versteuert.

Aber niemand kann ihm vorwerfen, er vergesse auf seine Freunde. Aus der Spende der Industriellen lässt er seinen Freund Walter Meischberger 20.800 Euro zukommen – als Honorar, weil der ihm ein paar Fotos aus dem „Seitenblicke“-Archiv für seine Homepage geborgt hat. Peter Hochegger kommt an weit größere Aufträge. Er richtet Freund Karl-Heinz eine „Road Show“ mit zehn Veranstaltungen aus, bei denen der flotte Finanzminister vor insgesamt 6200 Wirtschaftstreibenden über die Bühne tänzelt. Bei Gesamtkosten von fast 2,4 Millionen aus dem Budget beläuft sich ein Kontakt des Finanzministers mit einem Kleinunternehmer somit auf stolze 380 Euro.

Ein großer Coup gelingt Grasser 2003. In letzter Minute reißt er das Steuer herum und setzt durch, dass Eurofighter-Abfangjäger der Herstellerfirma EADS anstelle der billigeren Saab-Flieger gekauft werden. Am selben Tag sehen Journalisten FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer schon zur Mittagsstunde in der Loos-Bar eine Flasche Schampus knacken. Sein frohgemuter Tischpartner ist ein alter Bekannter: Gernot Rumpold, der sich inzwischen ebenfalls selbstständig gemacht und gemeinsam mit seiner Frau Erika die Werbeagentur 100% Communications gegründet hat. Schon bald regnet es Geld. Obwohl die 100% Communications nur sehr bescheidene Referenzen vorweisen kann, vergibt EADS den Kommunikationsgroßauftrag an die Rumpolds: Sie sollen guten Wind für die Eurofighter machen. Auftragssumme: sieben Millionen Euro. Was tatsächlich mit diesem Geld geschah, kann später nicht einmal ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss klären. Erika Rumpold legt dem Gremium kuriose Rechnungen vor, etwa eine über 93.000 Euro für die Ausrichtung einer Pressekonferenz. So viel koste das eben bei ihr, beharrt Frau Rumpold, als Journalisten meinen, eine Kanne Kaffee, eine Kiste Mineralwasser und ein paar Brötchen müssten doch auch billiger zu haben sein. Gernot Rumpold gibt an, nach Abzug aller Kosten sei ihm aus dem EADS-Auftrag ein Erlös von 3,2 Millionen Euro geblieben. Das reicht für ein gutes Leben.

Auch Walter Meischberger lebt nicht schlecht. Im Sommer 2004 kauft er ein Grundstück in bester Lage in Wien-Grinzing – teureren Boden gibt es in der ganzen Stadt nicht – und lässt sich eine prächtige Designervilla bauen. Gleich ums Eck wohnen die Meinls. In der Villa residiert auch Meischbergers Firma ZehnVierzig – Agentur für strategische Kommunikation. Trägt sie tatsächlich ein Prachtobjekt wie diese Villa? Eine Rundfrage von profil bei den Chefs der großen Wiener Agenturen bringt wenig Klarheit. ZehnVierzig? Von einer solchen Agentur hätten sie noch nie gehört, sagen die Agenturchefs. Wenn es die wirklich gäbe, wäre sie ihnen sicher schon untergekommen.

Karl-Heinz Grasser hat im Herbst 2003 einen vollen Terminkalender. Er ist inzwischen leichtfüßig von der FPÖ zur ÖVP übergewechselt, hat Wolfgang Schüssel zu einem grandiosen Wahlsieg verholfen und schickt sich an, die 60.000 Wohnungen des Bundes – die so genannte Buwog – zu privatisieren. Die Entscheidung darüber, welcher Bieter den Zuschlag bekommen soll, läuft freilich etwas schief. Fast bis zuletzt liegt die CA Immo, damals im Einflussbereich der Bank Austria, in Front. Im ersten verbindlichen Angebot bietet sie um 90 Millionen Euro mehr als das Konsortium von Immofinanz, Raiffeisen Oberösterreich und Wiener Städtischer. In der entscheidenden Anbotphase gibt es ein unglaubliches Fotofinish: Das Gebot im Umschlag der CA Immo beläuft sich auf 829,4 Millionen Euro, jenes der Immofinanz-Gruppe auf 830,6 Millionen. Bei einer solchen Riesensumme bloß 1,2 Millionen Differenz – Riecher muss man haben! Oder entsprechende Berater.

2007 prüft der Rechnungshof den Deal und kommt zum Schluss, die Bundeswohnungen seien viel zu billig verkauft worden. profil durchforstet daraufhin den aktuellen Quartalsbericht der Immofinanz und findet das drei Jahre zuvor erworbene Buwog-Paket wieder. Die Immofinanz hat es jetzt mit 1,95 Milliarden in den Büchern – wahrscheinlich zu hoch bewertet, aber um 50 Prozent mehr wären zu erzielen gewesen, meinen andere Immo-Spezialisten.

In jenen Frühlingstagen 2007 ist KHG nicht mehr in der Politik. Einige Wochen lang hat er nach Jobs in der großen Finanzwelt gesucht. Einmal hat er fast schon ein Engagement in der Tasche: Für das Investmenthaus Lehman Brothers soll er Kontakt zu den EU-Finanzministern halten. Der Plan platzt, als sich Grasser mit seiner inzwischen angetrauten ­Fiona – Trauzeuge war Walter Meischberger – für einen Starfotografen der italienischen Hochglanz-Illu „Uomo Vogue“ in Rüschenbluse auf weißem Laken räkelt und dann auch noch die Bluse ablegt. Wall Street findet so etwas nicht lustig.

Aber es bleiben immer noch die Freunde: Gemeinsam mit Peter Hochegger und Walter Meischberger gründet Grasser im Februar 2007 die Kommunikationsagentur Valora Solutions mit Sitz auf der Wiener Tuchlauben. Wieder so eine Firma, deren Aktivitäten eher unklar sind: Einmal ist von „Synergie-Management“ die Rede, dann wieder von „professionellem Networking“ und von Supermärkten in Mazedonien. Konkreter wird es nicht.

Ein paar Monate später steigt Hochegger aus, kurz danach auch Grasser: Die Valora Solutions habe es nicht gebracht, sagen beide. Walter Meischberger schlägt die leere Firmenhülle seiner diesbezüglich trefflich harmonierenden Agentur ZehnVierzig zu. „Wir haben alle drei zu viele anderweitige Verpflichtungen“, begründet er die Firmenauflösung.

Vor eineinhalb Wochen langten in den Redaktionen von „Wirtschaftsblatt“ und „Format“ erste Informationen ein, die dieses Bild einer langen, ertragreichen Freundschaft um ein gutes Stück bereichern. Faktum ist, dass sowohl Peter Hochegger als auch Walter Meischberger vor Wochenfrist beim Finanzamt Wien Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung erstatteten, um so einem Finanzstrafverfahren zu entgehen.

Nach Darstellung der beiden reuigen Sünder habe sich bei der Buwog-Privatisierung 2004 Folgendes abgespielt: Walter Meischberger habe die Verkaufsaktivitäten „beobachtet und analysiert“ und die Immofinanz-Gruppe erst auf die Idee gebracht mitzubieten. Da er als ehemaliger Politiker nicht in ­Erscheinung treten wollte, habe er Peter Hochegger vorgeschickt. Die Immofinanz habe später 9,61 Millionen Euro als Honorar auf ein geheimes Konto Hocheggers in Zypern überwiesen, der habe dafür gefälschte Rechnungen gelegt und 1,9 Millionen – also 20 Prozent – behalten. Den Rest, 7,7 Millionen, habe er auf ein Konto Meischbergers in Liechtenstein überwiesen.

„Bar aufs Handerl“, wie Meischberger solche steuer­schonenden Deals einst im Fußballgeschäft zu nennen ­pflegte. 9,6 Millionen Euro – was haben Hochegger und Meischberger für diese gewaltige Summe geleistet? Selbst die Investmentbank Lehman Brothers, die den gesamten Privatisierungsprozess abgewickelt hat, bezog nur ein Honorar von 8,2 Millionen. Freund Karl-Heinz habe von all dem jedenfalls nichts gewusst, beteuert Meischberger. „Ich habe immer drauf geachtet, Beruf und Freundschaft zu trennen“, meint er treuherzig im neuen „Format“. Und mit Grasser habe er „während seiner gesamten Ministerzeit nicht ein einziges Mal über geschäftliche Themen gesprochen“.

Meischberger und Grasser müssen großes Interesse daran haben, den Staatsanwalt von dieser Version zu überzeugen. Würden Indizien dafür auftauchen, dass man vielleicht doch einmal über „geschäftliche Themen“ im Zusammenhang mit der Buwog gesprochen hat – womöglich sogar über Angebotshöhen –, hätte dies vielleicht dramatische Folgen. Dann ginge es um Amtsmissbrauch und die Anstiftung dazu. Dafür kann man ins Gefängnis kommen. Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

Epilog: Das letzte Mal habe ich Walter Meischberger bei der Feier zum 60. Geburtstag des Medienmanagers Hans Mahr im Kursalon im Wiener Stadtpark gesehen. Es war ein herrlicher Sonntag im Mai, und Meischberger, ein sehr umgänglicher Mann, war glänzender Laune. „Na, habts schon was Neues über meine Villa herausgefunden“, rief er mir zu. „Noch nicht“, murmelte ich. Er lachte.

Herbert Lackner

war von 1998 bis zum Februar 2015 Chefredakteur von profil. Heute schreibt der Autor mehrer Bücher als freier Autor für verschiedene Medien, darunter profil.