ORF-Küniglberg: Brüchige Festung

ORF: Brüchige Festung

Probleme mit Asbest, Rost und Rainers Erbin

Drucken

Schriftgröße

Am ärgsten betroffen ist die Wetterseite des ORF-Zentrums auf dem Wiener Küniglberg, dort, wo Wind und Regen dem sechsstöckigen Gebäude am meisten zusetzen. Schlimm hat es das Büro von Informationsdirektor Gerhard Draxler erwischt. Durch alte Aluminiumfenster pfeift der Wind, und durch brüchige Stahlbetonwände dringt Regenwasser ein. An manchen Stellen des Gebäudes – so steht es in neuen ORF-internen bautechnischen Gutachten – bröckelt der Beton und legt Eisenträger frei, die nun Rost ansetzen.

Für die ORF-Führung besteht kein Zweifel mehr: Das 1974 nach den Plänen des Stararchitekten Roland Rainer fertig gestellte Bürohaus muss generalsaniert werden. Schon seit dem Jahr 2000 wird die ORF-Trutzburg laufend renoviert, zuletzt wurden neue Brandschutztüren eingebaut. Doch nun ist eine komplette Renovierung einschließlich Wärmedämmung und neuer Fenster notwendig geworden.

Der kaufmännische Direktor des ORF, Alexander Wrabetz, bestätigt auf profil-Anfrage das neue Großprojekt. „Wir haben drei Gutachten eingeholt, die alle zum gleichen Schluss kommen: Das Haus ist zwar sicher nicht einsturzgefährdet. Aber es muss in den nächsten fünf Jahren komplett saniert werden, um gröbere Schäden zu vermeiden.“

Bei den geschätzten Kosten gab es für die ORF-Führung eine böse Überraschung: Bis zu 50 Millionen Euro soll die Sanierung des Gebäudes verschlingen, in dem einschließlich zweier Zubauten 2400 Mitarbeiter werken.

Asbestfund. Auch gefährliche Altlasten müssen teuer saniert werden. In einigen Teilen des Gebäudes wurde der längst verbotene, da krebserregende Dämmstoff Asbest entdeckt. Dort, wo Büros betroffen waren, sei dieser bereits entfernt worden, heißt es im ORF. Doch in einigen Räumen und technischen Depots steckt noch immer Asbest in den Wänden. „Der restliche Asbest muss im Zuge der Generalsanierung noch entfernt werden“, bestätigt Wrabetz.

Wegen der hohen finanziellen Belastungen wurde in der ORF-Chefetage überlegt, ob nicht ein Neubau billiger käme. Doch ein Abriss kommt nicht infrage. Der Bau soll unter Denkmalschutz gestellt werden. Es war eines der Lieblingsprojekte des 2003 verstorbenen Stararchitekten Roland Rainer.

„Mein Vater war auf dieses Gebäude besonders stolz“, berichtet Rainers Tochter Johanna, die als Architektin und Rechtsnachfolgerin bei allen baulichen Änderungen Mitspracherecht besitzt. „Der Bau wurde nach dem damaligen Stand der Technik richtig geplant und ausgeführt. Und mein Vater wurde vor allen baulichen Maßnahmen stets beigezogen.“ Auch spätere Zubauten für Studios und den ORF-Enterprise-Komplex stammen von Roland Rainer, zu dessen weiteren Hauptwerken die Wiener Stadthalle und die Gartenstadt Puchenau bei Linz zählen.

Schon bisher mussten wegen des Urheberrechts Umbauarbeiten von Rainers Tochter genehmigt werden. „Wir müssen wegen jeder Kleinigkeit um Erlaubnis fragen, weil es ja ein Kunstwerk ist“, klagt Wrabetz. Hätte er eine neue Rundfunkstation aufzusperren, würde er einen billigen Industriearchitekten beauftragen. „Damit spart man sich später eine Menge Zores.“

Finanzplan. Die Wiener Landeskonservatorin im Bundesdenkmalamt, Barbara Neubauer, kennt die Problematik: „Bauten aus der Nachkriegszeit müssen spätestens nach 30 Jahren generalsaniert werden. Die wurden nicht für die Ewigkeit gebaut.“ Beim ORF-Zentrum kommen als Erschwernis Änderungen beim technischen Betrieb hinzu. Neubauer: „Architekten und ihre Erben sind bei Umbauten besonders heikel. Da sind wir vom Denkmalamt viel pragmatischer.“

ORF-Finanzchef Wrabetz steht vor einer heiklen Aufgabe. Die teuren Umbaukosten können nicht aus dem laufenden Budget finanziert werden. Und die Errichtungskosten sind abgeschrieben. Daher wird an einer neuen Finanzkonstruktion getüftelt, wie einem Verkauf mit sofortigem Leasing („Sale and lease back“-Verfahren).

Beim Programmangebot des ORF soll nicht gespart werden. „Die erforderlichen Investitionen in die Bausubstanz des ORF-Zentrums sollen nicht zulasten der laufenden Programmbudgets gehen“, heißt es in einem Brief, den Wrabetz – offensichtlich als Reaktion auf profil-Recherchen – noch am Freitag vergangener Woche an ORF-Mitarbeiter aussandte.

Darin entschuldigen sich Wrabetz und der technische Direktor Andreas Gall schon für kommende Unannehmlichkeiten. Hunderte Mitarbeiter müssen während des Umbaus in Ersatzquartiere ausweichen.

Von Otmar Lahodynsky