Kusch am Bau

„Pfusch am Bau”: Zweifelhafte Methoden bei der ATV-Dokusoap

ATV. Bei der Dokusoap „Pfusch am Bau” wird mit zweifelhaften Methoden gearbeitet

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„Bist du deppert”, meint Günther Nussbaum angesichts des Schimmels an den Wänden. Er stochert in Dämmspalten und Wandrissen, befördert Regenwürmer aus den Eingeweiden eines Holzhauses und flucht laut, wenn er sich an Installationskabeln elektrisiert. Feuchte Keller, undichte Dächer und verpfuschte Heizungen sind seine Domäne. Schmucke und weniger schmucke Einfamilienhäuser, Kleingartensiedlungen und Wohnanlagen sein Einsatzgebiet. Wenn er zwischen Mistelbach und Feldkirch auf einer der vielen Baustellen des Landes einläuft, wird er meist schon sehnlich erwartet. Er wird immer dann gerufen, wenn Bauherren und -frauen mit ihren Nerven am Ende sind.

Quotenbringer
Seit 2010 sieht der 45-Jährige als "Experte für eh alles“ im Auftrag des Privatsenders ATV bei kleinen Hausbauern nach dem Rechten. Er entdeckt Dinge, die Bauherren nicht sehen und Firmenchefs nicht sehen möchten: unzulässig verwendete Materialien, unsachgemäßes Handwerk, schlechte Verfugungen und fehlende Abdichtungen. Der hemdsärmelige Bausachverständige der Dokusoap "Pfusch am Bau“ kommt beim Publikum gut an. ATV konnte das Eigenformat auch international vermarkten. Eine adaptierte Version läuft unter dem Titel "Bauexperten im Einsatz“ auf RTL2. Die TV- und Filmproduktionsfirma On-Media dreht derzeit bereits die siebte Staffel. Ab September soll sie gezeigt werden, jeweils montags und samstags zur Primetime. Für ATV ist die Sendung ein echter Quotenbringer, die mit einem Marktanteil von acht Prozent bei den zwölf- bis 49-Jährigen regelmäßig Rekordwerte schafft. Rund 140.000 Seher hat "Pfusch am Bau“ im Schnitt, die sich an der Unbedarftheit und am Unglück der Betroffenen laben. Oder sich tatsächlich über die Funktion von Dampfbremsen und Blower-Door-Tests informieren wollen.

Mit dem "Pfusch-am-Bau“-Protagonisten hat ATV einen guten Fang gemacht. Nussbaum, dem Helden geprellter Hausbauer, der die schwarzen Schafe unter den Baufirmen vor den Vorhang zerrt und geschädigten Bauherren zu ihrem Recht verhilft, ist die Sympathie seines Publikums sicher.

Das ist die eine Seite.

"Er bringt die gesamte Branche in Verruf“, klagt Norbert Hartl, Bauinnungsmeister aus Oberösterreich. Dem heimischen Baugewerbe ist Nussbaum mittlerweile Feindbild Nummer eins. Denn während er das Fehlverhalten anderer öffentlich an den Pranger stellt, ist er in der Wahl seiner eigenen Waffen wenig zimperlich. Das ist die andere Seite.

"Wenn man als Unternehmen in Nussbaums Fänge gerät, ist man verloren“, so Hartl.

Das bestätigt auch Wolfgang Gebetsroither. Der Vertreiber von Bausatzhäusern aus Schörfling am Attersee steht mittlerweile vor den Trümmern seiner Existenz. Seit "Pfusch am Bau“ über ihn und sein Unternehmen berichtet hat, bekommt Gebetsroither keinen Fuß mehr auf den Boden: Lieferanten haben ihm die Verträge gekündigt, Kunden sind abgesprungen. Taucht er auf Messen auf, wird er verlacht. In der kleinen Gemeinde, wo jeder jeden kennt, wird hinter seinem Rücken getuschelt. "Ich habe auch schon versucht, mich bei anderen Firmen zu bewerben - keine Chance“, erzählt Gebetsroither.

Die Vorgeschichte: Bei einem von ihm gelieferten Haus war es zu einem Wasserein-tritt gekommen. Gebetsroither habe den Kunden zugesichert, sich darum zu kümmern. Was er nicht wusste: Zu diesem Zeitpunkt waren die Bauherren schon in Kontakt mit Nussbaum. Gebetsroither bekam einen Anruf des ATV-Bausachverständigen, der erklärte, er habe gravierende Mängel an dem Haus ausfindig gemacht. "Die Bauherren haben viel in Eigenregie gemacht. Baufehler sind also nicht zwangsläufig mir allein anzulasten“, meint der Schörflinger. Er bat um Übermittlung einer Mängelliste. Die, so sagt er, habe er aber nie erhalten. Stattdessen wurde ihm übel mitgespielt. Nussbaum zeichnete das Telefonat ohne Wissen des Betroffenen auf und spielte es in der Sendung ab. Das steht in Österreich nach Paragraf 120 Strafgesetzbuch unter Strafe. Gebetsroither ging vor Gericht. Das Verfahren wurde diversio-nell erledigt. Nussbaum und On-Media wurden zu einer Zahlung von insgesamt 3800 Euro verpflichtet. "Das war eine der ersten Sendungen, da wurde ein Fehler gemacht“, bekennt Nussbaum.

Nussbaums Methoden sind - vorsichtig ausgedrückt - unschön. Unternehmen berichten, sie würden zur Behebung von Mängeln aufgefordert, für die nicht einmal die Verschuldensfrage hinreichend geklärt sei. Leisten sie der Aufforderung nicht Folge, wird ihnen mit der Veröffentlichung ihres Namens gedroht.

Zudem sprechen sie ihm die Qualifikation ab. Nussbaum geriere sich als Fachmann für sämtliche Gewerke, sei aber lediglich Dachdeckermeister. Und sein in Deutschland erworbenes Zertifikat als Bausachverständiger habe nichts mit dem gerichtlich zertifizierten Sachverständigenwesen, wie man es in Österreich kennt, zu tun. "Mit seinen ‚Gutachten’ hat man, rechtlich gesehen, nichts in der Hand. Die Bauherren müssen dann mitunter erst recht klagen“, erklärt der gerichtlich beeidete Sachverständige Werner Linhart.

In einem profil vorliegenden Email Nussbaums, an die auf einer niederösterreichischen Baustelle tätigen Unternehmen, heißt es: "Prinzipiell funktioniert das so, dass jedenfalls über den Schadensfall im Internet (Bauherrenhilfe.org - Nussbaums Webseite, Anm.) und auf ATV "Pfusch am Bau“ berichtet wird. (...) Vorausgesetzt es gibt eine kooperative Zusammenarbeit wird die Dokumentation anonym erfolgen.“ Darauf folgt eine Aufzählung der zu behebenden Mängel. "Derartige Androhungen erfüllen offensichtlich den Tatbestand der Erpressung oder jenen der Nötigung“, meint Rechtsanwalt Anton Hintermeier. Er werde dies in Hinkunft der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis bringen. "Ein gewisser Druck ist natürlich da, aber niemals in Verbindung mit einer Erpressung“, sagt Nussbaum.

Nussbaum weist alle Vorwürfe zurück. Den Firmen werde oft und lange genug Gelegenheit gegeben, Baumängel in Ordnung zu bringen. "Vor jeder Ausstrahlung werden die Inhalte juristisch geprüft, weil uns bewusst ist, dass es sich um sensible Materie handelt“, ergänzt ATV-Sprecherin An-drea Damms - und legt Wert auf die Feststellung, dass gegen den Sender keine Klage anhängig sei. Nussbaum, der die Rache einer "Opfergemeinschaft“ vermutet, hat, wie er selbst erklärt, "laufend zwei bis drei Klagen am Hals“. Bislang sei jedoch keine gegen ihn entschieden worden.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis September 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.