Radschläge
Nicht gesehen zu werden sei so ziemlich das Schlimmste, was einem in der Politik zustoßen könne. Das sagte Maria Vassilakou vor zwei Monaten, zu einer Zeit also, als sie persönlich das Schlimmste überstanden hatte.
Die erste rot-grüne Landesregierung der Geschichte hatte anfänglich so ausgiebig gekuschelt, dass die Basis bereits zu murren begann: Wo bleibt die grüne Handschrift? 2012 war das Jahr, in dem die Wiener Vizebürgermeisterin Konturen entwickelte.
Man kann Vassilakou vorwerfen, dass nicht alle ihre Ideen abgesprochen und durchdacht waren. Dass ihre Ideen jedoch unbemerkt verpufft wären, kann man wirklich nicht behaupten. Ihre Pläne zur Beruhigung der Mariahilfer Straße trieben die Wirtschaftskämmerer auf die Barrikaden. Ihr entschlossenes Bekenntnis zu Fußgängerzonen, Radlern und Öffis emotionalisierte die Verkehrsdebatte. Die Rathaus-Grünen hatten gewiss nicht mit Rundumapplaus gerechnet die heftige Gegenwehr bei der Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung schien sie jedoch zu überraschen.
Die verschlafene Wiener ÖVP wurde zur wütenden Protestbewegung. Flankiert von FPÖ-Funktionären und Autofahrer-Clubs, sammelten die Schwarzen 170.000 Unterschriften, um eine Volksbefragung zu erzwingen. Anfang Oktober trat die Parkpickerl-Verordnung in mehreren Bezirken jenseits des Gürtels in Kraft. Die Meinung der Bürgerinnen und Bürger soll erst im kommenden Frühjahr eingeholt werden. Es sorgte für Spott und Ärger, dass ausgerechnet die neben Stadtplanung, Verkehr und Klimaschutz auch für Bürgerbeteiligung zuständige Stadträtin den Unterschriftenstapel auf die lange Bank schob.
Vassilakou scheut sich nicht, den Koalitionsfrieden zu strapazieren, wenn es um Themen geht, die für ihre Partei wichtig sind. Das hat sie 2012 bewiesen. Immerhin muss die SPÖ fürchten, bei der kommenden Nationalratswahl für Anti-Autofahrer-Töne abgestraft zu werden. Der Spielraum ist denkbar gering: In den großen Wiener Vorstadtbezirken hatte die Sozialdemokratie bei vergangenen Urnengängen erheblich Terrain an die Freiheitlichen verloren.
Manchmal scheint Vassilakou Launen des Moments nachzugeben. Tatsächlich weiß sie genau, wohin sie steuern will. Schon beginnt die Basis erneut zu zappeln: Es genüge nicht, gegen Korruption und für Fußgänger zu sein. Was ist mit Sozialpolitik? Möglicherweise erübrigt sich auch diese Frage bald. Lange hatten die Rathaus-Grünen es peinlich vermieden, die SPÖ anzugreifen. Mit der Forderung nach einer Mietobergrenze wildert Vassilakou recht unverhohlen im Zuständigkeitsrevier des Koalitionspartners. Dabei dürfte es nicht bleiben. 2013 sind Nationalratswahlen, und Vassilakou gab schon die Kampfparole aus: Jetzt gehts erst richtig los.