Wach im Schlaf

Wissenschaft. Laut neuesten Forschungen herrscht im Organismus während der Nacht alles andere als Ruhe

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Von Bert Ehgartner

Der Befund war niederschmetternd. „Stefan hatte schon einige Jahre ­investiert, um seinen Tag-Nacht-Rhythmus systematisch zu ruinieren“, berichtet der Schlafforscher Gerhard Klösch von der Wiener Universitätsklinik für Neurologie. Der 17-jährige Gymnasiast hatte im vergangenen Juli in Begleitung seines Vaters das Schlaflabor im Wiener AKH aufgesucht, weil er nicht mehr weiterwusste. Sein Vater erzählt: „Stefan konnte nachts nicht schlafen, es war jeden Morgen ein Drama, ihn aus dem Bett zu bringen. Die Lehrer sagten, dass er im Unterricht häufig wegdöst.“ Stefans Jahreszeugnis war so katastrophal, dass die für 2012 geplante Matura in weite Ferne rückt.

Einige Nächte im Schlaflabor deckten die hormonellen Ursachen der Schlafstörung auf. „Stefan hatte nach Mitternacht, wenn das Stresshormon Cortisol normalerweise den Tiefststand erreicht, gleichbleibend hohe Werte“, berichtet Schlafforscher Klösch. Das Schlafhormon Melatonin wurde hingegen nur in geringen Mengen produziert. Auf ebenso tiefem Niveau bewegte sich die Aktivität des Immunsystems, das im Hormon Cortisol einen mächtigen Gegenspieler hat. Die für die Regulierung des Appetits zuständigen Hormone Ghrelin und Leptin zeigten starke Schwankungen, das Wachstumshormon war kaum nachweisbar. „Das ist speziell bei Jugendlichen alarmierend, weil ja der Schlaf die Zeit des Wachstums ist“, erklärt Klösch.

Über die Sommermonate erarbeitete der Schlafmediziner gemeinsam mit Stefan und dessen Eltern ein strenges Programm zur Verhaltensänderung. Computerspiele waren nur noch an drei Tagen pro Woche erlaubt, spätestens um ein Uhr nachts war Schluss. Das Handy durfte nicht ans Bett mitgenommen werden, Energydrinks wurden gestrichen. „Derartige Probleme bei Jugendlichen werden immer häufiger“, berichtet Klösch, „Schlaf wird als Feind gesehen, der sie am spannenden Leben hindert.“

Langfristig kann dieses Verhalten die Gesundheit massiv beeinträchtigen, wie neuere Forschungen zeigen: Weil sich im Schlaf das Immunsystem schärft, um im gesamten Organismus nötige Reparaturarbeiten durchzuführen, kann chronischer Schlafmangel zu Erkrankungen wie Übergewicht und Fettsucht, Diabetes, Parkinson oder sogar zu Krebs führen. Schlafmangel beeinträchtigt das Gedächtnis, verringert Aufmerksamkeit, Konzentration und Lernbereitschaft. Im Schlaf wird das Gehirn aufgeräumt, werden wichtige Inhalte gefestigt, während weniger wichtige verschwimmen.

Mit diesen Erkenntnissen erscheint der Schlaf in einem völlig neuen Licht. Denn lange Zeit wurde die nächtliche Ruhephase als simpler Stand-by-Modus betrachtet, in dem der Stoffwechsel auf Sparflamme läuft und das Bewusstsein abgeschaltet ist: eine Zeit der Erholung von den Mühen des Tages. Doch warum werden Faulpelze genauso müde wie emsige Hackler? Und: Wozu dient der Schlaf überhaupt?

„Wenn es allein nach dem Körper ginge, müssten wir gar nicht schlafen“, erklärt die Schlafforscherin Birgit Högl vom Institut für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck. „Da würde nämlich eine simple Rastpause denselben Zweck erfüllen.“ Das belegen Experimente: Sogar nach fünf schlaflosen Tagen zeigen Versuchspersonen auf dem Laufband oder dem Fahrrad-Ergometer noch erstaunlich gute Leistungen. Im Kopf stehen sie allerdings schon am Rande des Wahnsinns.

Schlafentzug wurde denn auch quer durch die Zeiten als Foltermaßnahme eingesetzt. Bereits im alten China galt dauerhafter Schlafentzug als besonders strenges und gefürchtetes Todesurteil. Und in dem von den USA betriebenen Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba wurde routinemäßig versucht, Häftlinge durch Schlafentzug vor Verhören zur Kooperation oder zu Geständnissen zu bewegen.

„Schlaf ist vor allem ein Bedürfnis des Gehirns“, schreibt der Münchner Wissenschaftsautor Tobias Hürter in seinem neuen Buch „Du bist, was du schläfst“, in dem er eine aktuelle Bestandsaufnahme der internationalen Schlafforschung vorlegt. Zu einem Gutteil läuft die Suche nach den Geheimnissen des Schlafs über die Erforschung unseres wichtigsten Organs, des Gehirns.

Das Denkorgan verbraucht ein Fünftel unseres Umsatzes an Energie und Sauerstoff. Bei Messungen des Aktivitätslevels zeigt sich, dass das Gehirn im Schlaf mindestens genauso aktiv ist wie tagsüber während der Wachphase. Die strukturellen Ressourcen, die dabei zur Verfügung stehen, sind unermesslich. „Ein einziges Gehirn hat so viele neuronale Verbindungen wie die gesamte Menschheit Haare auf dem Kopf“, sagt Hürter.

Dass wir nun jede Nacht ausreichend Schlaf benötigen, liegt in erster Linie an der Funktionsfähigkeit dieses Wunderwerks. Schon tagsüber befasst sich das Gehirn nur am Rande mit äußeren Reizen. Diese sind zwar wichtig und werden natürlich auch wahrgenommen und gespeichert. „Ein großer Teil seiner Aktivität – 60 bis 80 Prozent seines Energieverbrauchs – tritt aber in Schaltkreisen auf, die nichts mit äußeren Ereignissen zu tun haben“, schätzt der US-Neurologe Marcus Raichle. Im Gehirn herrscht ein niemals verstummendes Stimmengewirr. Alle Areale rufen gewissermaßen durcheinander, sodass es recht aufwändig ist, in dieses Chaos Ordnung zu bringen.

Im Schlaf wird aufgeräumt. Dabei arbeitet das Gehirn abseits des Bewusstseins auf Hochtouren weiter, allerdings anders als im Wachzustand. Die Aktivitätsmuster ändern sich, und manchmal klinken sich Gedächtnissysteme aus, was unsere Erinnerungslücken im Traum erklärt. Dann wieder macht die allzeit vernünftige Großhirnrinde Pause, weshalb im Schlaf manchmal die bizarrsten Ideen auftauchen. Das Ruhenetzwerk entkoppelt sich von der Außenwahrnehmung, die inneren Stimmen bekommen mehr Gewicht.

Schlafforscher teilen die Nachtruhe in drei Stufen: das Dösen beim Einschlafen; den Leichtschlaf, in dem wir etwa die ­Hälfte der Nacht – besonders den zweiten Teil hin zum Morgen – verbringen und sehr viel träumen; schließlich den Tiefschlaf, den der Organismus nach dem Einschlafen auf kürzestem Weg aufsucht und in dem das Gedächtnis neu justiert wird.In dieser ganz auf sich selbst konzentrierten Phase des Schlafs kommt es zu einer Art Zwiegespräch zwischen mehreren Hirn­arealen. Die Inhalte werden nicht wie beim Computer schlicht gespeichert, denn dadurch würde sich zu viel Datenmüll ansammeln. Stattdessen werden Informationen aufgerufen, bewertet, durchgespielt und dann neu zusammengesetzt.

Erlebnisse, die emotional als zu schwach bewertet werden, verschwinden nach und nach aus dem Gedächtnis und machen Platz für Neues. In diesem Bereich sehen Lernforscher einen wichtigen Ansatz für den idealen Unterricht: Informationen, die nicht mit Gefühlen – am besten positiven – besetzt sind, bleiben kaum im Gedächtnis haften, sondern verlieren sich rasch.

An die meisten Träume erinnert sich der Mensch nicht. Viele davon gleichen Gedankenblitzen von nur ein bis zwei Sekunden Dauer. Länger und ereignisreicher sind die Träume in den REM-Phasen der zweiten Nachthälfte, wenn sich die Augen bewegen wie von einem lebhaften Geschehen geleitet („Rapid Eye Movement“). Dabei werden auf der Netzhaut tatsächlich Traumbilder erzeugt. Die Traumphasen dauern pro Nacht insgesamt nur etwa
60 bis 90 Minuten.

Seit Jahrzehnten wird über den Zweck der REM-Phase gerätselt. Prominente Schlafmediziner wie etwa Jan Born, Leiter der Abteilung für klinische Neuroendokrinologie der Universität Lübeck, bekennen offen, dass sie keine Erklärung dafür haben, wozu diese Phase gut sein soll. Nun scheint es, als wäre eine halbwegs anerkannte nachvollziehbare Erklärung gefunden. Sie geht auf den US-amerikanischen Neurologen Jonathan Winson zurück, einen gelernten Flugzeugingenieur, der das Fach wechselte, weil er die Entschlüsselung der Rätsel des Gehirns für die größere technische Aufgabe hielt.

Winson ging in die Traumarchive und analysierte Tausende von protokollierten Träumen aus allen Kulturkreisen. Dabei fiel ihm auf, dass sich die Träume in der REM-Phase thematisch fast immer um Leben und Tod drehen. Über alle Zeiten und Kulturen hinweg ist die Verfolgungsjagd das häufigste Traumszenario. Winson war überzeugt, dass in diesen Träumen das Gehirn seine Überlebenskünste schärft. Im REM-Schlaf werden also Gefahrensituationen geübt, die evolutionär bedeutsam waren. Winsons Idee ist unter Schlafforschern mittlerweile fast mehrheitsfähig.

Die individuelle, als erholsam empfundene Länge des Schlafs variiert beträchtlich. Im Schnitt schlafen Frauen etwa eine Stunde länger als Männer. Im höheren Alter nimmt der Ruhebedarf ab. Guter Schlaf gilt in allen Kulturen als Merkmal für Gesundheit. „Für psychische Gesundheit stimmt das jedenfalls“, konstatiert der Psychologe Christoph Augner vom Forschungsinstitut für Grund- und Grenzfragen der Medizin an der Paracelsus-Universität Salzburg. Augner war aufgefallen, dass psychisch gesunde Menschen zumeist über gute Schlafqualität berichten.

Um diese Beobachtung auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen, befragte der ­Wissenschafter eine Gruppe von 196 Studenten nach deren Schlafgewohnheiten. Parallel dazu wurden Daten über Depressionen, Angststörungen, krankhafte Essgewohnheiten und sonstige psychische Besonderheiten nach üblichen Testverfahren erhoben. Die kürzlich veröffentlichten Resultate ergaben eine eindrucksvolle Bestätigung von Augners Ausgangshypothese: Will man wissen, wie es einem Menschen geht, braucht man nur danach zu fragen, wie gut er schläft. Studenten mit schlechter Schlafqualität zeigten eine viermal höhere Wahrscheinlichkeit für einen hohen Depressionswert. „Das ist insofern bemerkenswert, als es sich um junge Menschen handelte, die eigentlich alle psychisch gesund und auch nicht wegen Schlafstörungen in Behandlung waren“, sagt Augner. „Möglicherweise ist hier aber bereits der Keim einer künftigen Krankheit zu erkennen.“

Noch überraschender ist ein erst im vergangenen Jahrzehnt aufgetauchter Zusammenhang, den die Wissenschafter zunächst für einen Zufallsbefund hielten: Wer kürzer schläft, neigt eher zu Übergewicht. Im Sommer 2003 zeigte die berühmte „Nurses Health Study“ – eine 1976 gestartete Langzeitbeobachtung des Gesundheitszustands von 100.000 US-amerikanischen Krankenschwestern –, dass Frauen, die im Schnitt weniger als fünf Stunden schliefen, ein um 50 Prozent höheres Diabetes-Risiko hatten als Frauen, die acht Stunden schliefen. Im Vorjahr kam ein Team um Francesco Cappuccio von der Universität Neapel in einer Übersichtsarbeit mit ähnlich hoher Anzahl an Teilnehmern, darunter auch Männer, zu einem fast identen Ergebnis. Mittlerweile gilt der Zusammenhang als erwiesen. „Durch zu wenig Schlaf wird die Appetitregulation gestört“, erklärt Schlafforscherin Högl. „Man isst mehr und kann das Gegessene schlechter verstoffwechseln.“

Bei einer internationalen Konferenz der Schlafmediziner Mitte September in Quebec wurden aktuelle Zahlen aus den USA präsentiert, die speziell für die Gruppe der Jüngeren eine weitere Verschärfung der Problematik anzeigen. „Das Handy wird immer mehr zum Schlaf-Killer“, berichtet Högl, die als Vorstandsmitglied der World Association of Sleep Medicine an der Konferenz teilgenommen hat. Kinder und ­Jugendliche beschäftigen sich laut diesen Berichten nicht nur tagsüber mehrere Stunden mit dem Handy, sie nehmen es auch mit ins Bett. „Die Erhebungen zeigen, dass viele in der Zeit zwischen Mitternacht und drei Uhr Früh regelmäßig von SMS-Nachrichten geweckt werden und darauf antworten.“ Daraus ergebe sich eine erhebliche Beeinträchtigung der Schlafqualität. „Und natürlich befürchten wir, dass sich damit auch der Trend zu Übergewicht und Fettleibigkeit weiter verstärkt“, so Högl.

Wer gut und lange schläft, ist eher schlank und auch psychisch gesund, ­lauten die aktuellen Befunde. Christoph Scherfler von der Universitätsklinik für Neurologie in Innsbruck wollte wissen, ob man diesen Schluss auch umdrehen kann: Sind Schlafstörungen ein erster Ausdruck organischer Schäden? Um diese Phänomene näher zu untersuchen, gründeten Innsbrucker Neurologen um Vorstand Werner Poewe zusammen mit Kollegen der Universität Barcelona die so genannte SINBAR-Gruppe (Sleep INnsbruck BARcelona).

Zunächst nahmen sich die Forscher einer speziellen Gruppe von Schlafstörungen an – „Menschen, die so lebhaft träumen, dass sie anfangen, unkontrolliert im Bett herumzuschlagen“, erzählt Scherfler. „Weil deren Partner das oft nicht aushalten, kommen sie zu uns.“ Zunächst schlossen die Schlafmediziner jene Patienten aus, deren aggressives Schlafverhalten auf Medikamente, Alkoholentzug und andere bekannte Ursachen zurückzuführen war. Übrig blieben schließlich 26 Patienten mit Schlafstörungen, deren Gehirn im Magnet­resonanztomografen nach Veränderungen untersucht wurde. Als Kontrolle dienten die Befunde von 14 Personen ohne Schlafstörungen.
„Als wir die Resultate in 3D bekamen, war das wirklich beeindruckend“, erzählt Scherfler. „Wir stießen nämlich auf zwei Regionen im Hirnstamm, von denen wir wissen, dass sie an der Regulierung der REM-Schlafphasen beteiligt sind.“ Hier zeigten sich dramatische strukturelle Veränderungen: Zellmembranen, die durch degenerative Prozesse zerstört waren und zum massenhaften Untergang von Nervenzellen führten. Die Ursache der Schlafstörung waren also konkrete Schäden im Gehirn.

Von zusätzlichem Interesse sind diese Ergebnisse im Zusammenhang mit einer immer häufiger auftretenden Krankheit. Scherfler: „Wir wissen, dass etwa drei Viertel unserer Patienten später an Parkinson erkranken.“ Mithilfe der MRT-Untersuchung und über den Umweg der Schlafstörung ist es der SINBAR-Gruppe also gelungen, eine organische Wurzel der Parkinson-Krankheit zu orten. In der Fachwelt schlug diese Nachricht ein wie die sprichwörtliche Bombe. Publiziert wurde die Arbeit in den „Annals of Neurology“, einem der angesehensten Journale der Fachrichtung.
„Interessanterweise fanden wir im betroffenen Bereich auch eine starke Zunahme der Gewebedichte“, erzählt Scherfler. „Das zeigt, dass der Organismus versucht, den Schaden selbst zu reparieren.“ Wenn es gelänge, den bislang unbekannten Verursacher des Hirnschadens ausfindig zu machen und den zerstörerischen Prozess zu beenden, wäre also eine Heilung möglich.

Eine zweite Option eröffnet sich im Bereich der Früherkennung. Nachdem nun bekannt ist, in welchen Regionen die Parkinson-Krankheit ihren Ausgang nimmt, lässt sich die Innsbrucker Methode auch gezielt dafür einsetzen, nach Störungen im Anfangsstadium zu suchen.

Eine ähnlich interessante Entdeckung gelang der Arbeitsgruppe bei einer weiteren rätselhaften Krankheit, der Narkolepsie. Die davon betroffenen Patienten werden schlagartig todmüde, verlieren die Muskelkontrolle, brechen zusammen und schlafen gegen ihren Willen ein. Täglich bis zu zwanzigmal an allen möglichen Orten. Ein normales Leben ist für die Betroffenen kaum möglich, Auto oder Rad fahren illusorisch.

Die konkreten Ergebnisse seiner Narkolepsie-Studie will Scherfler noch nicht preisgeben, weil die Publikation gerade im Druck ist. Dem krankhaften Prozess liegen aber jedenfalls Autoimmunprozesse im Gehirn zugrunde, also aggressive, gegen die eigenen Nervenzellen gerichtete Aktivitäten des Immunsystems.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang: eine mysteriöse Häufung der sonst sehr seltenen Erkrankung, die offenbar als Folge der Schweinegrippe-Impfaktion im Herbst 2009 aufgetreten ist. Im Lauf des vergangenen Jahres hatten schwedische und finnische Ärzte einen sprunghaften Anstieg von Narkolepsie-Fällen bemerkt. Fast alle betroffenen Patienten waren zuvor mit dem Impfstoff Pandemrix, dem in Europa meistverkauften Präparat, geimpft worden. Das Narkolepsie-Risiko von Kindern, die in Schweden und Finnland mit diesem Impfstoff immunisiert wurden, lag um das Sechs- bis 13-Fache höher als bei nicht Geimpften.

Im Verdacht steht ein Bestandteil der Impfung, nämlich der neuartige Wirkverstärker AS03. In den USA waren solche Zusätze zu Schweinegrippe-Impfstoffen – unter anderem wegen des Risikos autoimmuner Nebenwirkungen – nicht zugelassen worden. Dort sind bei den Behörden im Zuge der Pandemie nur zwei Fälle von Narkolepsie gemeldet worden.
In Europa gingen beim Pandem­rix-Produzenten Glaxo­SmithKline hingegen bisher mehr als 300 Meldungen ein. Anfang ­August warnte nun auch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA in einer Aussendung davor, Pandemrix weiter zu verwenden. Österreich ist von dem Problem glücklicherweise nicht betroffen, weil der vom Gesundheitsministerium angekaufte Impfstoff der Firma Baxter keine Wirkverstärker enthielt.

Ein weiteres heftig diskutiertes Thema im Bereich der Schlafstörungen: der Einfluss der Schichtarbeit auf das Krebsrisiko. Wahrscheinlichster Auslöser für die erhöhte Erkrankungsgefahr ist die Störung der nächtlichen Service- und Reparaturarbeiten des Immunsystems. Während tagsüber das Stresssystem regiert, werden nachts die Zellen der Immunabwehr aktiv. Sie beseitigen Krebswucherungen im Anfangsstadium und führen über Mikroentzündungen kleine oder größere Reparaturen durch.

Wenn nun nachts nicht geschlafen, sondern gearbeitet wird, dann ergibt sich für den Organismus ein hormoneller Widerspruch. Das Stresshormon Cortisol bleibt aktiv und unterdrückt das Anlaufen der nächtlichen Servicearbeiten. Bereits seit 2007 gilt die Verschiebung der Arbeitszeit in die Nacht laut WHO als „wahrscheinliches Karzinogen“. Wie dem Problem begegnet werden kann, bleibt umstritten. Am ehesten, so zeigte eine im vergangenen August veröffentlichte dänische Untersuchung, gelingt dies mit einer intelligenten Anpassung der Arbeitszeiten.

In diesem Zusammenhang wurden die bei dänischen Krankenschwestern aufgetretenen Brustkrebsfälle mit deren Schichtplänen verglichen. Ergebnis: Nachtschwestern tragen ein fast doppelt so hohes Krebsrisiko wie Tagschwestern. Keine Risikoerhöhung zeigte sich bei Bediensteten, die ihren Dienst vor Mitternacht beendeten. Ein gleich dreifach erhöhtes Brustkrebsrisiko hatten jene Frauen, deren Schichtpläne über viele Jahre zwischen Tag und Nacht hin- und herpendelten, sowie jene, die permanent Nachtschicht machten.

Doch es ist nicht allein die Schichtarbeit, von der die Gefahr ausgeht. Auch wer zu Hause die Nacht zum Tag macht und regelmäßig bis nach Mitternacht das Licht eingeschaltet lässt, sabotiert jene Nachtarbeit, die ganz eindeutig der Gesundheit dient: die hochaktive Nachtschicht des ­Immunsystems.