Marias Märchenstunde

Staatsschulden und Budget: Die Sprechblasen der Maria Fekter

Finanzpolitik. Staatsschulden und Budget: Die Sprechblasen der Maria Fekter

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Das Finanzministerium ist ein geheimnisvoller Ort. Dort entstehen Steuergesetze, die so kompliziert sind, dass nicht einmal ehemalige Finanzminister (und deren Steuerberater) diese unfallfrei interpretieren können. Finanzminister an sich sind rätselhafte Politiker. Sie haben selten gute Nachrichten für die Steuerzahler, drücken sich bisweilen reichlich unscharf aus - und erfreuen sich, mit wenigen Ausnahmen, dennoch hoher Anerkennung.

Maria Fekter mag nicht die beliebteste Finanzministerin der Zweiten Republik sein. Talent für den Job hat sie allemal. In der Disziplin "Tarnen & Täuschen“ macht ihr so schnell niemand etwas vor (mal abgesehen von einem heute unter Steuerhinterziehungsverdacht stehenden Amtsvorgänger).

Was Fekter auszeichnet, ist die Fähigkeit, selbst simpelste Fragen ebenso großräumig wie lautstark zu umzuschiffen. Je mehr Interpretationsspielraum, umso besser.

Noch ist Fekter Finanzministerin, möglicherweise bleibt sie es auch. Alles eine Frage der Regierungsverhandlungen. Dessen ungeachtet hat sich in ihrem Ressort so einiges aufgestaut. Staatsschulden etwa. Ein Budgetdefizit. Die Problembanken Hypo Alpe-Adria, Kommunalkredit, Volksbanken AG. Verwaltungsreform. Steueroasen. Bankgeheimnis? Alles Themen, zu denen Fekter in den Regierungsverhandlungen plausible Meinungen haben sollte.

Es wäre also hoch an der Zeit, endlich ein paar Antworten jenseits des Wahlkampfgetöses zu bekommen, weshalb profil Fekters Kabinett vergangene Woche via E-Mail einen Fragenkatalog übermittelt hat. Die Reaktion - ungekürzt und unredigiert - lässt nur einen Schluss zu: Keine Antwort ist auch eine.

#Staatsverschuldung

Es ist doch einigermaßen bemerkenswert, dass zuletzt viel von Steuergeschenken aller Art die Rede war, obwohl eigentlich kein Geld dafür vorhanden ist. Mehr noch: Es ist noch nicht einmal klar, wie hoch der Staat tatsächlich verschuldet ist. Die jahrelangen Budgettricksereien wie etwa "Auslagerungen“ von Schulden in Zweckgesellschaften auf allen Ebenen - Bund, Länder, Gemeinden - haben das Bild vollkommen verzerrt. Selbst das Finanzministerium (BMF) hat den Überblick verloren.

profil ans Ministerium: Verfügt das BMF über Daten, wie hoch der Schuldenstand des Staates (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger) inklusive ausgelagerter Schulden derzeit ist?

Fekters Kabinett an profil: Derzeit gibt es keine vollständigen Daten, wie hoch die Schulden der ausgegliederten Einheiten von Bund, Länder etc. sind. Diese müssen nun ab kommendem Jahr systematisch erhoben werden. Dies wird durch Statistik Austria erfolgen. Eine entsprechende Novellierung der Gebarungs-Statistik-Verordnung durch das BMF ist in Vorbereitung.

Mit Jahresende werden Österreichs Verbindlichkeiten bei 235 Milliarden Euro zu liegen kommen. Sagt die Oesterreichische Nationalbank unter Berufung auf Finanzministerium, Statistik Austria und Wirtschaftsforschungsinstitut. Oder doch eher bei 238 Milliarden Euro. Sagt das Finanzministerium. Auch der Wert 2012 unterliegt Schwankungsbreiten: 227 Milliarden Euro da, 230 Milliarden Euro dort. Konsequenterweise differiert auch die Verschuldensquote. Mal ist für 2013 von 73,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes die Rede, mal von 75,4 Prozent. In jedem Fall sind das die höchsten jemals gemessenen Werte. Rund 87 Prozent der ausgewiesenen Staatsschulden entfallen auf den Bund, acht Prozent auf die Länder (ohne Wien), vier Prozent auf die Gemeinden (mit Wien) und rund ein Prozent auf die Sozialversicherungsträger. Doch das sind eben nur Annäherungen. Das europäische Statistikamt Eurostat hat die Kriterien für die Erstellung einer Schuldenbilanz zwar verschärft, lässt aber immer noch Spielräume zu. Weshalb etwa die Verbindlichkeiten von Asfinag (2012: 11,5 Milliarden Euro), Bundesimmobiliengesellschaft (4,4 Milliarden) und Teile der ÖBB-Schulden (rund zehn Milliarden Euro) auch weiterhin nicht berücksichtigt werden. Im Gegenzug dazu sind die Belastungen aus dem Bankenpaket 2008 bis 2012 - das unter anderem zur Verstaatlichung von Kommunalkredit und Hypo Alpe-Adria führte - zumindest partiell eingerechnet (8,7 Milliarden Euro). Undurchschaubar bleibt die Buchführung auf Ebene der 2354 Gemeinden. Der Staatsschuldenausschuss hat erst jüngst mittels einer Umfrage versucht, Klarheit zu schaffen. Der Rücklauf war überschaubar, was blieb, war eine Art Hochrechnung, wonach in Summe weitere vier bis sechs Milliarden Euro etwa in kommunalen Infrastrukturgesellschaften ausgelagert sind. Macht in Summe einen Betrag deutlich jenseits der 270 Milliarden Euro - konservativ gerechnet. Der Schuldenberg wird jedenfalls nicht kleiner, nur weil er kleingeredet wird.

#Budgetdefizit

Österreich gibt traditionell mehr aus, als es einnimmt. Das war selbst unter Karl-Heinz Grasser so, auch wenn er anderes behauptet. Er war beim Schönrechnen nur noch talentierter als Fekter. Dennoch hat auch die Finanzministerin das notorische "Nulldefizit“ reanimiert.

Ist nun ein Nulldefizit geplant oder nicht? Wenn ja, für wann?


Der von Finanzministerin Fekter eingeschlagene Reformpfad führt zu einem Nulldefizit 2016.

Eine kühne Ansage. Die öffentlichen Finanzen waren zuletzt schwer im Minus - und mussten mittels immer neuer Schulden aufgepolstert werden. Dass das Budget darob nicht völlig aus dem Ruder lief, verdankt die Republik dem allgemein niedrigen Zinsniveau. Für 2013 wird vom Finanzministerium ein Minus von in Summe 7,4 Milliarden Euro erwartet. 2012 waren es 7,8 Milliarden Euro (Datenreihen der OeNB) oder 9,6 Milliarden Euro (Datenreihen des BMF). So oder so: Ein Jahresbudget birgt immer Unwägbarkeiten, eines über mehrere Jahre erst recht. Als da wären: Wirtschaftsleistung, Konsum, Exporte, Beschäftigungszahlen, Steuern.

Der Staat ist auf Steuereinkünfte angewiesen, diese aber stehen und fallen mit der wirtschaftlichen Großwetterlage. Um einnahmenseitig mehr Luft zu bekommen, bräuchte es drei Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr. Und davon sind wir weit entfernt.

Wird es ein Sparpaket geben?

Diese Frage stellt sich derzeit nicht. Die Entwicklung des makroökonomischen Umfelds in den nächsten Jahren kann jedoch nicht vorhergesagt werden.

Womit auch schon alles gesagt wäre. Einerseits wird der "Reformpfad“ bis ins Jahr 2016 vorgezeichnet, andererseits lässt das "makroökonomische Umfeld“ keine verlässlichen Prognosen über Einschnitte zu.

Und dann gibt es ja noch Probleme auf der Mikroebene.

#Banken

Kommunalkredit und Hypo Alpe-Adria mussten mittels Verstaatlichung vor dem Konkurs gerettet werden, die Volksbanken AG wurde teilweise unter staatliche Kuratel gestellt.

Die Hypo Alpe-Adria muss bis 2017 insgesamt rund 15 Milliarden Euro an landes- und staatsbehafteten Anleihen zurückzahlen. Wie soll dies refinanziert werden? Die Bank verfügt bekanntlich nicht annähernd über die Mittel, um diesen Verpflichtungen vollumfänglich nachzukommen.


Breit zusammengesetzte Expertenteams arbeiten intensiv an intelligenten Lösungen für die HGAA (einschließlich Abbaueinheiten), um die Belastung des Steuerzahlers so gering wie möglich zu halten. In diesem Prozess werden selbstverständlich alle Maßnahmen mit dem Bundeskanzleramt und der Bank gemeinsam abgestimmt. Alle Maßnahmen, welche die Hypo betreffen, stehen daher unter Regierungsverantwortung. Bisher konnte bereits ein Drittel der Haftungen abgebaut werden, das heißt, der Schaden wurde um ein Drittel reduziert. Es ist aber auch klar, dass wir diesen gewaltigen, durch die früheren Bankorgane und den damals politisch Verantwortlichen des Landes Kärnten verursachten Schadensfall nicht ungeschehen machen können.

Intelligente Lösungen? Expertenteams? Das Finanzministerium ist auch fast vier Jahre nach der Notverstaatlichung unter Fekters Vorgänger Josef Pröll nicht in der Lage oder willens, das Hypo-Desaster mit all den teuren Folgen transparent zu machen. Bis heute sind rund drei Milliarden Euro Steuergeld nach Kärnten geflossen, und das war lange noch nicht alles. Dass Fekter in diesem Zusammenhang wieder einmal das Bundeskanzleramt ins Boot holt, ist nicht viel mehr als parteipolitisches Kalkül.

Wird es eine Bad Bank für die Hypo Alpe-Adria geben?


Eine Bad Bank heißt, dass man jene Teile, die Verluste bringen, dem Steuerzahler umhängt und die gewinnbringenden Teile verkauft. Forderungen wie diese sind nicht im Interesse der Steuerzahler. Es gibt intelligentere Lösungen, und an denen wird derzeit gearbeitet.

Die Hypo Alpe-Adria ist längst eine Bad Bank. Sie ist nur nicht als solche deklariert. Alles eine Frage der Kosmetik.

Die Republik hält 43,3 Prozent an der Österreichischen Volksbanken AG. Sind über die geleisteten Kapitaleinschüsse in der Höhe von 1,25 Milliarden Euro hinaus weitere Kapitalmaßnahmen reserviert? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Wenn nein: Woher nimmt das BMF die Sicherheit, keine weiteren Hilfen bereitstellen zu müssen? Auf welchen Zeitraum ist die Beteiligung an der ÖVAG ausgelegt?

Oberste Maxime ist, die Belastung des Steuerzahlers so gering wie möglich zu halten. Die Restrukturierung der ÖVAG verläuft grundsätzlich plangemäß, der Asset-Abbau zügig und sogar über Plan.

Wie beruhigend doch ein Schwall heißer Luft wirken kann. Tatsache ist: Der Staat sieht sein Geld nur dann wieder, wenn sich jemand dieser Bank erbarmt. Mit den 1,25 Milliarden, welche die Republik dort bisher eingelegt hat, ließen sich vernünftigere Investments tätigen.

In welchem Stadium befinden sich die Bemühungen, die Kommunalkredit zu veräußern?

Entsprechend der abgeänderten Beihilfenentscheidung der Europäischen Kommission wurde die Kommunalkredit auf wertschonenden Abbau der Bankaktivitäten gestellt - unter Fortführung oder Verkauf des Beratungsgeschäfts.

Mit anderen Worten: kein Käufer in Sicht.

Bis wann soll die KA Finanz AG abgewickelt sein?

Ziel ist, Assets budgetschonend abzubauen.

Die KA Finanz AG ist jene staatliche Sondermülldeponie, in welche toxische Wertpapiere der Kommunalkredit verschoben wurden. Und die gelten am Markt weiterhin als schwer verkäuflich. Was meint Fekter eigentlich, wenn sie fortgesetzt das Adjektiv "budgetschonend“ einsetzt?


#Landeshaftungen

Kärnten ist nicht das einzige Bundesland, das in der Vergangenheit großzügige Haftungen für Anleiheschulden seiner Landesbank eingegangen ist. Mit Ausnahme von Salzburg und dem Burgenland sind alle Länder mehr oder weniger in der Pflicht. Nur: In welchem Ausmaß?

Weiß das BMF, wie hoch derzeit die Haftungen der Länder für die verbliebenen Landeshypothekenbanken sind?

Ja, für eine detaillierte Auskunft muss an die jeweils zuständigen Landesfinanzreferenten verwiesen werden.

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Die Tageszeitung "Die Presse“ hat erst vor wenigen Wochen versucht, einen aktuellen Stand zu erheben. Und scheiterte. Demnach existierten nur Zahlen vom Jahresende 2011 - der damalige Haftungsrahmen wird mit insgesamt 52 Milliarden Euro beziffert. "Neuere Zahlen liegen laut Finanzministerium nicht vor. Grobe Schätzungen sprechen aktuell von rund 47 Milliarden Euro“, so "Die Presse“ am 5. September. Grobe Schätzungen also. Neben Kärnten hat Wien die höchsten Haftungen in den Büchern: 2011 waren es 8,5 Milliarden Euro für alte Verbindlichkeiten der Zentralsparkasse, heute Bank Austria (die vor Jahren auch die Wiener Landeshypo geschluckt hatte).

Diskrepanzen bei der Berechnung der Staatsschulden; vage Budgetziele; Realitätsverweigerung bei den Staatsbanken; Placebos für den Steuerzahler. Nach der Wahl ist vor der Wahl - und manches sogar leichter. In ideologischen Fragen, vornehmlich jenen, die eine Fahnenfrage für die ÖVP-Klientel sind, spricht Fekter hingegen sehr wohl Klartext.


#Bankgeheimnis

Im Frühjahr bestimmte europaweit ein Themenkreis die Schlagzeilen: Steuerflucht, Offshoreleaks, Briefkastengesellschaften. Mittendrin: Österreich und sein Bankgeheimnis. Plötzlich war die Regierung unter Druck, die EU-Kommission forderte ultimativ Maßnahmen. Und vor-übergehend sah es tatsächlich so aus, als würde das Bankgeheimnis, welches in seiner heutigen Ausprägung bekanntlich nur jenen nützt, die etwas zu verstecken haben, fallen. Fekter leistete hinhaltenden Widerstand. Das tut sie bis heute.

Was wurde aus der diskutierten Aufweichung des Bankgeheimnisses? Wird das Bankwesengesetz reformiert, und wann und wen konkret wird diese Reform betreffen?


Die Finanzministerin hat sich nie für eine Aufweichung des Bankgeheimnisses ausgesprochen, denn es ist ein wichtiges Element zum Schutz der finanziellen Privatsphäre. Die Bestimmungen im Bankwesengesetz zum Bankgeheimnis unterliegen weiters einem erhöhten Bestandsschutz und können nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden.

Es bleibt also alles beim Alten. Vorerst.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.