'Stramme Burschen, alte Herren'

Warum die FPÖ mit alten Themen punkten will

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Es sind die letzten ruhigen Tage vor dem Sturm, und die wollen genutzt sein. Heinz-Christian Strache erledigte noch rasch liegen gebliebene Arbeit im Büro, bevor er sich nach Velden und Bregenz verabschiedete. Generalsekretär Ha­rald Vilimsky suchte Entspannung an der italienischen Adria, sein Co Herbert Kickl strampelte über die Kärntner Berge. Die FPÖ-Spitze tankt Kraft, bevor sie „Mann an Mann, Frau an Frau, Seite an Seite wie in ganz schweren Zeiten“ (Kickl) in den Wahlkampf zieht. Umfragen zufolge strebt Straches Partei Richtung zwanzig Prozent. Doch dieser Aufwind ist nicht nur der großen Koalition und dem neuen Mann an der Spitze zu verdanken. Der Erfolg der Freiheitlichen gründet seit der Machtergreifung Jörg Haiders 1986 in der Mobilisierung von Missgunst und Neid, in der Schuldzuweisung an Ausländer und andere Minderheiten und im Appell an das „gesunde Volksempfinden“. Dazu gesellen sich ewiggestrige Untertöne.

Strache übernahm im April 2005 die Partei – mit dem alten Namen, den alten Schulden und den alten Funktionären, die das nationale Erbe hochhalten. Er beschwor einen neuen Idealismus und prangerte das „Glücksrittertum“ an – ein Seitenhieb auf die ausgetretene, zum BZÖ übergelaufene Regierungsmannschaft. In seinem Beraterkreis fanden sich ältere Herren wie der Anwalt Peter Fichtenbauer ein, der einst zum Kreis des liberalen Nobert Steger gehört hatte, aber auch dem „Verein zur Pflege des Grabes des Walter Nowotny“ als Vizevorstand diente. Die Ruhestätte des ehemaligen NS-Fliegerhelden ist jedes Jahr im November Sammelpunkt von Neonazis aus dem deutschen Sprachraum. Abordnungen des RFJ, der Jugendorganisation der FPÖ, und Persönlichkeiten wie ORF-Chefredakteur Walter Seledec defilieren ebenfalls zur Ehre des alten Kämpfers. „Man möge beachten, dass ich als Repräsentant eines bürgerlich-liberalen Segments eine nicht unbedeutende Rolle in der FPÖ spiele“, lobt Anwalt Fichtenbauer dennoch die „neue Breite“ der Partei. Man solle „verkürzte Wahlkampfaussagen nicht daran messen, wie sich Politik orientiert“. Doch woran orientiert sich die Politik der Freiheitlichen?

Letztlich geht es immer um die so genannte „Lufthoheit über den Stammtischen“. Der Politologe Fritz Plasser schätzt das Wählerpotenzial, das für ausländerfeindliche und EU-kritische Parolen empfänglich ist, auf konstante 25 bis 28 Prozent ein (siehe Kasten). Wenn Strache also sagt, „den Leuten im Gemeindebau fehlen die Ansprechpartner“, und „die Sozialleistungen für die Österreicher werden immer knapper, aber den Ausländern werden sie vom ersten Tag an nachgeschossen“, dann weiß man, wohin die Wahlreise in den nächsten Wochen gehen wird. „Wir haben den Vorteil, dass wir auf keine Befehle aus Brüssel Rücksicht nehmen müssen, und können daher das sagen, wovon wir überzeugt sind“, meint Vilimsky. „Das ist das Land der Österreicher, und wir ­haben nicht die Kapazität, jeden aufzu­nehmen.“

Noch erzeugt Strache nicht jenes Trommelfeuer an absurden Ideen wie Haider zu seinen besten Zeiten. Salzburgs FPÖ-Obmann Karl Schnell, der schon durch alle blauen Krisen durchgetaucht ist, beschreibt die Stimmung in seinem Bundesland so: „Es herrscht bei Weitem nicht jene Euphorie, die es damals unter Haider gab. Aber die Stimmung ist gediegen. Und wir verzeichnen Neuzutritte wie in besten Zeiten.“ Den Wahlkampf werde die FPÖ „ganz sachlich, ohne Übertreibungen“ anlegen, verspricht der Autor des Wahlprogramms, der burgenländische Nationalratsabgeordnete Norbert Gerwald Hofer. „Daham statt Islam“-Plakate werde es diesmal nicht geben. Die Klammer über dem Wahlkampf werde der Begriff „soziale Heimatpartei“ sein, sagt Wahlkampfleiter Kickl. Die FPÖ werde einen Systemwechsel propagieren, bei dem „der Begriff Staatsbürger wiederbelebt“ werde. Es werde „kein ausländerfeindlicher, sondern ein inlän­derfreund­licher“ Wahlkampf werden. Zielgruppe laut Kickl: „Jene, die es sich nicht richten können.“

Arbeiter, ade. Das kann wohl nur der so genannte „kleine Mann“ sein. Der war der Partei in den Jahren der blauen Regierungsbeteiligung abhandengekommen. Die Wiener FPÖ-Landtagsabgeordnete Veronika Matiasek, die heute zu den weiblichen Hoffnungskadern in der FPÖ gehört, erinnert sich: „Was ich während der Regierungsjahre auf den Straßen in Hernals zu hören bekam, war alles andere als freundlich. Die Sparmaßnahmen von Karl-Heinz Grasser, etwa die Unfallrentenbesteuerung, haben unsere Sympathisanten schwer verärgert“, sagt Matiasek. Zahlen bestätigen diese Einschätzung. Jörg Haider schraubte zwischen 1986 und 1999 den freiheitlichen Wähleranteil unter den Arbeitern von zehn auf 47 Prozent hoch, 2002 brach dieser auf 16 Prozent ein. Nicht zuletzt deshalb häuften sich zwischen 2000 und 2005 die innerparteilichen Querelen. Die auf Neid getrimmten Funktionäre fanden nun auch die eigenen Minis­ter „abgehoben“ und privilegiert. „Bei Parteisitzungen saßen sie auf dem Podium und tratschten oder telefonierten“, erzählt Matiasek und nennt namentlich Susanne Riess-Passer und Karl-Heinz Grasser.

Vom Prinzip „Buberlpartie“, dem Heranziehen unpolitischer, erfolgshungriger und den Parteichef bewundernd umkreisender Trabanten, ist Strache abgerückt: „Es wird bei uns auf der Nationalratsliste keine Quereinsteiger geben. Bei uns bekommen jene Funktionäre Mandate, die sich bewährt haben.“ Im engsten Umfeld setzt er auf erprobte Freiheitliche. Der einstige Haider-Redenschreiber Herbert Kickl denkt sich heute deftige Gags für Strache aus. Er wurde zum Wahlkampfleiter bestellt. Ha­rald Vilimsky, FPÖ-Generalsekretär, der Anfang der neunziger Jahre im rechtsextremen „Völkerfreund“ schrieb („Erheben wir die Häupter, um die Sonne des Deutschtums in altem hellem Licht wiedererstrahlen zu lassen“), ist Straches rechte Hand im politischen Alltagsgeschäft.

Auch Wahlprogrammautor Norbert Gerwald Hofer ist ein typischer Vertreter der neu-alten Blauen. Früher gehörte er zu der von Jörg Haider entflammten jungen Generation, später wurde er Seminartrainer für „Crash-Rhetorik“ und NLP, jenes umstrittene Kommunikationsmodell, das den Gesprächspartner durch Spiegelung und Nachahmung manipulieren soll. Hofer ist traditionsbewusst. Seinen Stammbaum kann man, bis ins Mittelalter zurückreichend, auf seiner Homepage studieren. Im Mittelbau und in den Vorfeldorganisationen kann Strache vor allem auf jene Funktionäre setzen, die Haider hinter sich lassen wollte: schlagende Burschenschafter, junge Rechte und Alte Herren. Nach der Gründung des BZÖ beklagte sich Haider bitter, dass ihn sogar seine eigene Korporation, die Silvania, des „Verrats und der Treulosigkeit“ bezichtigte.

Rechte Recken. Als im vergangenen Frühjahr Fotos auftauchten, die Strache Anfang der neunziger Jahre bei wehrsport­ähnlichen Übungen im Neonazi-Umfeld zeigten, hatte die langjährige freiheitliche Richterin und zu Haider gewechselte Politikerin Helene Partik-Pablé gemeint, die Honoratioren von früher würden sich „im Grabe umdrehen, wenn sie wüssten, in welchen Kreisen sich FPÖ-Chef Heinz-Christian einst umgetrieben hat“. Sie lag falsch: Die Fotos bewirkten einen Solidarisierungseffekt im nationalen Lager. Die Grenze zwischen dem Verbotenen und dem nach dem NS-Verbotsgesetz gerade noch Erlaubten war in der FPÖ immer schon fließend. In vielen Fällen zeugt die Geisteswelt der Funktionäre, die heute in der FPÖ etwas zu sagen haben, von einschlägigen Erfahrungen, oft auch von schlichter Dumpfheit.
Der freiheitliche Spitzenkandidat in ­Innsbruck bei der jüngsten Landtagswahl in Tirol, Werner Königshofer, war früher Mitglied der verbotenen NDP gewesen. Als im vergangenen Jahr gegen Mitglieder des Tiroler RFJ nach dem NS-Verbotsgesetz ermittelt wurde, nannte Parteichef Gerald Hauser das „Anpatzversuche“.

Straches Vize Hofer hat in dieser Hinsicht ebenfalls ein großes Herz. Man müsse den Jungen zugestehen, „dass sie sich die Hörner abstoßen“.
In Sommerlagern des RFJ werden einschlägige Lieder gesungen und T-Shirts und Kappen mit rechtsradikalen Symbolen verteilt. Der RFJ Wien beschloss 2006, niemanden mit Migrationshintergrund aufzunehmen, da man „unter sich bleiben“ wolle. Der RFJ Kärnten wirbt in Anlehnung an den SS-Treueschwur mit „Unsere Ehre ist die Treue zur Heimat“. In ihrem Leitbild aus dem Jahr 2003 sorgt sich die Parteijugend um den „Handwerksstand“, der von einer „Niveausenkung durch Ausländer“ bedroht sei, wie auch das gesamte „Volk“ und die Familie durch „Überfremdung“ vor dem Zerfall stünden. „Die Mutter bei ihren Kindern ist das Idealbild für einen erfolgreichen Fortbestand unseres Volkes“, konstatiert der Parteinachwuchs. Der steirische RFJ ist für die Abschaffung des NS-Verbotsgesetzes. Geführt wird die Organisation von Michael Winter, der während des Grazer Wahlkampfs dem Grazer Bürgermeister empfahl, „als Sofortmaßnahme gegen moslemisch-türkische Vergewaltigungen Schafherden im Grazer Stadtpark grasen zu lassen“. Seine Mutter, Susanne Winter, fand das witzig. Sie selbst warnte schließlich auch vor „moslemischen Tierbordellen“. Außerdem kämpft sie gegen übergroße politische Korrektheit. Die Bezeichnung „Neger“ will sie sich nicht verbieten lassen, da es „ein altes deutsches Wort“ sei. Über die grüne Mark hinaus wurde die Politikerin mit der dummdreisten Aussage bekannt, der islamische Religionsgründer Mohammed sei nach heutigen Maßstäben ein „Kinderschänder“. Winter hat gute Chancen, im nächsten Nationalrat zu sitzen: Sie ist FPÖ-Spitzenkandidatin in Graz.

Mehr als die Hälfte der FPÖ-Mandatare im Wiener Parlament sind bei schlagenden Burschenschaften. Der steirische FPÖ-Chef Gerhard Kurzmann ist Mitglied beim Traditionsverband der Waffen-SS, alles „anständige Leute“, wie er meint. Er widmet sich der Sprachpflege, dem Kampf gegen den Begriff „Slipeinlagen“ etwa und andere Lehnwörter aus dem Englischen. Sein Kollege aus Oberösterreich, Lutz Weinzinger, hält gar den Englischunterricht in der Volksschule für schädlich. FP-Nationalrat Wolfgang Zanger sieht im Nationalsozialismus auch „gute Seiten“. Martin Graf, der den Bankenausschuss für die FPÖ leitete, ist Mitglied der Olympia, jener Burschenschaft, die den britischen Holocaust-Leugner David Irving als Referenten eingeladen hatte. Auch Straches Freunde, die Gemeinderäte Ha­rald Stefan und Dietmar Kowarik, sind bei dieser Verbindung. Der Vorarlberger Reinhard Bösch ist Mitglied der Teutonia, die das „Handbuch des Rechtsextremismus“ als „Hochburg der militanten rechten Szene“ ausweist.
Die niederösterreichische FP-Chefin Barbara Rosenkranz kann man nach einem Spruch des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs „Kellernazi“ nennen. Ihr Ehegatte mit notorischer rechtsradikaler Vergangenheit, Horst-Jakob Rosenkranz, referiert bei Gelegenheit in FPÖ-Parteilokalen. Strache darf man nach einem Urteil des Oberlandesgerichts „Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut“ nachsagen.

Regierung oder Opposition? Als pure Rechtsaußenpartei würde die FPÖ aber nie jene Masse erreichen, die für eine mögliche Koalition notwendig ist. Man dürfe „eine Regierungsbeteiligung nicht à la ­longue ausschließen“, sagt etwa der Burgenländer Hofer, daher müsse man im Wahlkampf „den richtigen Ton“ finden. Doch will man überhaupt runter von der Oppositionsbank? In einer internen Klausur im Salzburger Hinterglemm wurde diese Frage vor ein paar Wochen eingehend erörtert, auf einen Nenner kam man nicht. Da kommt es zupass, dass SPÖ und ÖVP von sich aus eine Koalition mit der FPÖ ausschließen. Jetzt kann wenigstens die „Ausgrenzungskarte“ gezückt werden.

Von Ulla Schmid und Christa Zöchling