Der Neandertaler

DSK. Was von Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn geblieben ist

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Dominique Strauss-Kahn verlasse nur selten seine Wohnung an der prachtvollen Pariser Place des Vosges. Draußen fürchte er, auf Schritt und Tritt beleidigt zu werden. Schachspielen lenke ihn ein wenig ab, ansonsten irre er in seinen geräumigen vier Wänden umher. Die französische Tageszeitung „Le Monde“ hat politische und persönliche Weggefährten befragt, wie sie nach der nunmehr dritten Sexaffäre des ehemaligen Chefs des Internationalen Währungsfonds – erst die Vergewaltigungsvorwürfe des Sofitel-Zimmermädchens Nafissatou Diallo im Mai dieses Jahres, danach eine Anzeige der Journalistin Tristane Banon wegen eines angeblichen Vergewaltigungsversuchs im Jahr 2002, schließlich eine mutmaßliche Verwicklung Strauss-Kahns in die „Carlton-Affäre“ um einen Zuhälterring in der nordfranzösischen Stadt Lille – zu DSK stünden. Ein ehemaliger Mitstreiter sagte gegenüber „Le Monde“: „Ich bin zornig. Wir wurden getäuscht. Er hat uns getäuscht. Ich will nie wieder von diesem Typen hören.“

Die Verbitterung ist groß, obwohl DSK offiziell immer noch unbescholten ist. Die Anklage in der Sofitel-Affäre wurde wegen mangelnder Glaubwürdigkeit des angeblichen Opfers fallen gelassen, Strauss-Kahn gab lediglich eine „unangemessene Beziehung“ zu; die Zivilklage bekämpfen die Anwälte mit dem Argument, DSK sei als IWF-Chef zum Zeitpunkt der Anzeige immun gewesen. Die Klage der Französin Banon wurde wegen Verjährung eingestellt; die Staatsanwaltschaft hatte eine sexuelle Belästigung festgestellt, Strauss-Kahn sagte, er habe lediglich versucht, Banon zu küssen. Und auch in der „Carlton-Affäre“, benannt nach einem Hotel in Lille, dürfte Strauss-Kahn ohne Verurteilung davonkommen. Es ist in Frankreich nicht strafbar, die Dienste von Prostituierten in Anspruch zu nehmen. Gegen acht Männer wird wegen des Verdachts der Zuhälterei in einer kriminellen Organisation ermittelt. Der Mann, dessen Escort-Girls zu DSK nach Washington gebracht worden sein sollen, trägt den Spitznamen „Dodo, die Salzlake“. In Salzlake legt man Heringe ein, und „Macquerau“ (Hering) ist im Französischen ein Synonym für Zuhälter.

Dominique Strauss-Kahn sei in Sexualangelegenheiten ja doch wohl kein „Neandertaler“, empörte sich dessen Freund Bernard-Henri Lévy nach der Verhaftung von DSK in New York. Immer mehr Menschen im engsten Umfeld des Um-ein-Haar-Präsidentschaftskandidaten der Sozialistischen Partei Frankreichs scheinen jedoch zum Schluss gekommen zu sein, dass der Vergleich mit einem Neandertaler doch einiges für sich hatte.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur