Brandgefährlich

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Terrorparagraf. Was von den Ermittlungen gegen Studenten übrig blieb

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Es ist eine gute Zeit für Verschwörungstheoretiker und Hobbyspione. Seit Dienstag vergangener Woche ist das so genannte Anti-Terror-Paket von der Regierung beschlossen. Damit dürfen Behörden ohne jede richterliche Genehmigung auch Einzelpersonen überwachen, die sich als potenzielle Terroristen verdächtig machen.

Der Fall von vier Wiener Kunststudenten zeigt, wie schnell man schon nach den bisherigen Sicherheitsgesetzen unter Terrorverdacht und ins Visier des Verfassungsschutzes geraten konnte. Das Quartett wurde vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) als mutmaßliche "terroristische Vereinigung“ observiert und abgehört, weil die Ermittler, wie es im Akt heißt, "enormes Sicherheitsrisiko“ witterten, etwa "Manipulationen an den Funkanlagen“ am Wiener Flughafen oder "Brandanschläge … auf internationale Einrichtungen“, wodurch mit "massiven politischen, auch internationalen Verstimmungen zu rechnen“ sei. Die Studierenden saßen ab Juli des Vorjahres zwischen fünf und sieben Wochen in Untersuchungshaft. Von den gravierenden Beschuldigungen seitens des LVT bleibt in der jetzt erhobenen Anklage, die profil vorliegt, wenig übrig: Darin werden die vermeintlich so gefährlichen Kunststudenten der Brandstiftung beschuldigt - und zwar auf einen Mistkübel vor einem Gebäude des Arbeitsmarktservice.

Dabei wurde gegen die vier nach dem Anti-Terrorismus-Paragrafen 278 b ermittelt, quasi dem großen Bruder des Anti-Mafia-Paragrafen 278 a, der durch den Prozess gegen die Tierschützer Bekanntheit erlangte. Dass bei den Ermittlungen kaum etwas herauskam, ist allerdings nicht weiter überraschend - denn das Gefahrenszenario, das die Verfassungsschützer konstruierten, wirkte von Anfang an überaus fantasievoll. Als Beleg für die Gefahr des Quartetts diente den Behörden ein Video von einer Abschiebung, das die Studenten im Rahmen eines Uni-Projekts gedreht hatten. Den Verfassungsschützern erschien nicht nur die "professionelle Vorgangsweise“ bei diesen Aufnahmen als ein "Indiz für die Begehung einer terroristischen Straftat“, auch die "Vertrautheit mit den Gegebenheiten am Flughafen“ war überaus verdächtig und ließ sie "weitere Aktivitäten“ wittern, die für "den Flugverkehr unabsehbare Folgen“ haben könnten. Wie die Fahnder darauf kamen, bleibt ihr Geheimnis. In den Akten fehlt jedenfalls jeder Hinweis darauf.

In der nun formulierten Anklage ist von Terrorismusverdacht nicht mehr die Rede, auch von der "terroristischen Vereinigung“ blieb nichts übrig. "Mit den Terrorparagrafen wollte man die schärfsten Waffen des Strafrechts in Stellung bringen. Das zeigt, wie verantwortungslos der Umgang der Behörden mit diesen heiklen Bestimmungen ist“, kritisiert der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft sagt, der Prozess werde zeigen, ob die Ermittlungen gerechtfertigt waren oder nicht.

Der Prozess wird auch ein anderes Faktum erhellen: wie intensiv und mit welchen Maßnahmen die so genannte "Uni brennt“-Bewegung beobachtet und überwacht wurde. Die vier Kunststudenten, drei Frauen und ein Mann zwischen 23 und 28, alle vom Wunsch nach politischen Veränderungen beseelt, waren Aktivisten der Studentenproteste. Sie studieren an der Akademie der bildenden Künste Wien, an der vor zwei Jahren die Demonstrationen und Hörsaalbesetzungen von "Uni brennt“ ihren Ausgang nahmen. In der Anklageschrift steht wörtlich, dass "in den Monaten vor der Tat“, also der Brandstiftung am Mistkübel, "das LVT in der linksradikalen Szene eine massive Zunahme der Gewaltbereitschaft feststellen konnte“. Daraufhin seien die Ermittlungen intensiviert worden. Die vier Kunststudenten sind überzeugt, dass es "umfangreiche Abhörmaßnahmen gab“. Gesichert ist, dass die damalige Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft, Sigrid Maurer, auf einer Extremismusliste des Verfassungsschutzes landete.

Trotz der Ermittlungen gegen sie engagierten sich die Kunststudenten weiter gegen Abschiebungen. Dafür wurden sie kürzlich, gemeinsam mit einem Kollegen, mit dem Ute-Bock-Preis ausgezeichnet. Ihre Festrede begann mit den Worten "Wir scheißen auf Preise“.

Bild: Monika Saulich für profil

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin