Gernot Bauer

Tränenmüßigkeit

Leitartikel. Gabi Burgstallers Fall ist auch das Ende des Experiments eines Populismus mit menschlichem Antlitz. Gut so

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Beim Krisenmanagement nach dem Platzen der Salzburger Finanzaffäre zeigte Landeshauptfrau Gabi Burgstaller ihr Talent für Posen. Der Tränen-Auftritt im Landtag mit dem opferbereiten Finanzlandesrat Brenner an ihrer Seite war ein politisches Tableau vivant höchster Festspielkunst.
Doch die Salzburger müssten der Politikertränen ebenso müßig sein wie der Leutseligkeit der Landeshauptfrau der Herzen. Wer das Vermögen der Bürger verspielt, sollte auch deren Vertrauen verloren haben. Man darf von einem Landeshauptmann erwarten, zumindest grob über die strategische Gestionierung der Finanzen Bescheid zu wissen.

Dass die Volkspartei Neuwahlen durchsetzte, grenzt laut Burgstaller an Landesverrat. Der ÖVP gehe es allein um die Macht. Deren Übergang an eine rote Landeshauptfrau im Jahr 2004 sei aus schwarzer Sicht ein historischer Irrtum. Nun gelte es, die gottgewollte Ordnung im Erzbistum wiederherzustellen. Burgstaller hat Recht. Na und? Der Vorwurf an den Mitbewerber, Wählerstimmen maximieren zu wollen, ist so weltfremd wie die Klage, eine Bank handle bei Geschäften – etwa mit einer Gebietskörperschaft – rein profitorientiert.

Wenn politisches Totalversagen, Instant-Neuschulden von 1,8 Milliarden Euro und drohende Spekulationsverluste in Höhe von Hunderten Millionen Euro keine sofortigen Neuwahlen rechtfertigen – wie Burgstaller argumentiert –, sollten die Salzburger Sozialdemokraten darüber nachdenken, das Mozartdenkmal nächst der Landesregierung durch einen Lindwurm zu ersetzen.

Gabi Burgstaller zog „aus Verantwortung für Salzburg, für dieses Land und seine Menschen“ nicht etwa den Schluss, zurück-, sondern zur Wahl anzutreten. Mit rotem Machtkalkül hat ihre Kandidatur natürlich nichts zu tun. Tatsächlich besteht das Kapital der Salzburger SPÖ seit über zehn Jahren aus Burgstallers Sympathiewerten. Über diese wachte die Landeshauptfrau besser als übers Landesvermögen und entwickelte – persönlich tatsächlich unprätentiös – einen Populismus mit menschlichem Antlitz.

Im Wende-Wahlkampf 2004 zog sie entgegen der Parteilinie mit Transparenten auf die Straße, die das Volksbegehren gegen das AKW Temelin unterstützten.
Als Landeshauptfrau schlug sie vor, straffällige oder straftatverdächtige Asylwerber aus Salzburg ins Flüchtlingslager Traiskirchen abzuschieben.
Mal forderte sie kürzere Ferien für Lehrer, mal die Einführung von Stechuhren für Pädagogen.

Den Globalisierungskritiker Jean Ziegler lud sie als Festredner zur Eröffnung der Festspiele zunächst ein, dann wieder aus. Die Schuld am Skandal um die Osterfestspiele (Kuratoriumspräsidentin: Gabi Burgstaller) wälzte sie – „ein Wirtschaftsverbrechen mit krimineller Energie“ – auf eine Buchhalterin ab. Am parteiinternen Mobbing gegen Alfred Gusenbauer beteiligte sie sich intensiv.

In jeder Rede der jüngeren Zeit erneuerte sie die immerrote Forderung nach „Reichensteuern“ und forderte den entschlossenen Kampf gegen „Kasinokapitalisten“ und „Spekulanten“. Vor der Volksbefragung zur Wehrpflicht meinte sie – ganz Vox Populi –, es würde jungen Burschen nicht schaden, Bundesheer oder Zivildienst zu absolvieren. Eine Koalition mit der Salzburger FPÖ nach der Wahl schloss sie letzte Woche wie schon in der Vergangenheit dezidiert nicht aus.

In der ersten aussagekräftigen Umfrage zur Landtagswahl liegen SPÖ (minus acht Prozentpunkte gegenüber der Wahl 2009) und ÖVP (minus fünf Prozentpunkte) mit jeweils 31 Prozent gleichauf. Da die FPÖ um die 15 Prozent pendelt, würde sich rein rechnerisch nur eine große Koalition ausgehen. Eine neuerliche Zusammenarbeit von Gabi Burgstaller und ÖVP-Chef Wilfried Haslauer ist nach dem Zwist der vergangenen Wochen so wahrscheinlich wie eine Fusion von Red Bull und Stiegl-Bier. Das bedeutet: Wer Zweiter wird, scheidet aus der Politik aus.

Vielleicht sollten die Salzburger am 5. Mai als Lehre aus dem Finanzskandal einen Machtpolitiker wählen; einen brillanten Technokraten, der vielleicht kein Landeshauptmann der Herzen, aber einer mit kühlem Sachverstand wäre – jemanden wie Wilfried Haslauer. Von ihm erzählt man ja in schwarzen Zirkeln, er allein habe in den vergangenen Jahren ernsthaft gearbeitet, während die Landeshauptfrau auf allen Kirtagen zwischen Flach- und Lungau tanzte. Wahrscheinlich war Haslauer zu ausgelastet, um als Aufsichtsratschef (bis 2004) beziehungsweise stellvertretender Aufsichtsratschef (bis 2009) der Salzburger Hypo Kenntnis von riskanten und bewilligungspflichtigen Geschäften der Bank mit dem Land Salzburg in Höhe von 440 Millionen Euro zu erlangen. Der gelernte Rechtsanwalt Haslauer könnte den Landeshauptmann-Stellvertreter Haslauer wohl lange über Rechte, Pflichten und Verantwortung eines Aufsichtsrats belehren.

Gabi Burgstaller kam in die Politik, nachdem sie vor 20 Jahren als Expertin der Arbeiterkammer einen Megaskandal um verschwundene (private) Anlegergelder aufdeckte. Die Erklärungsversuche zum jetzigen Megaskandal um verzockte (öffentliche) Geldanlagen hätte die seinerzeitige Konsumentenschützerin Burgstaller der Landeshauptfrau Burgstaller nicht durchgehen lassen.

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Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.