Hausfriedensbruch

Übernahmekampf um das Wiener Basiliskenhaus

Immobilien. Übernahmekampf um das Wiener Basiliskenhaus

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Der Basilisk ist eine schaurige Gestalt mit einem schuppigen Schweif und dem Kopf eines Hahns. Er verströmt einen giftigen Gestank, und sein Anblick ist so scheußlich, dass jeder, der ihn ansieht, zu Stein erstarrt.
Detlev Neudeck ist nur ein Immobilien­entwickler.
Aber im Gegensatz zu der Sagengestalt geht von ihm möglicherweise eine reale Gefahr aus. Zumindest für die Bewohner des berühmten Basiliskenhauses in der Wiener Schönlaterngasse. Über ein undurchsichtiges Geflecht von Immobiliengesellschaften hat sich eine Investorengruppe aus dem Umfeld des Ex-FPÖ-Abgeordneten Detlev Neudeck in das Haus eingekauft. Den anderen Miteigentümern wird nun unverhohlen mit der Zwangsversteigerung gedroht.

"Beifang"
Die Historie des Hauses Schönlaterngasse 7 reicht weit zurück. An der Fassade erinnert ein Schild an das Jahr 1212, in dem das Bauwerk erstmals urkundlich erwähnt wurde. Damals – so will es die Sage – soll dort im Brunnen ein Basilisk gehaust haben. Das Basiliskenhaus ist allerdings nicht nur mythologisch ein Teil der Wiener Stadtgeschichte. Es ist eines der ältesten Häuser in der Wiener Innenstadt überhaupt; Elemente aus Gotik, Barock und Biedermeier dokumentieren Bautätigkeit über mehrere Jahrhunderte.

Die jüngere Geschichte des Hauses wird am Kohlmarkt 5 geschrieben. An dieser Anschrift in Wiens nobelster Einkaufsstraße residiert eine ganze Reihe von Gesellschaften. Die meisten von ihnen stehen oder standen in Verbindung mit den vier Immobilienentwicklern Andreas Adami, Thomas Gruber, Detlev Neudeck und ­Gerhard Tüchler. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist nur der ehemalige FPÖ-Finanzreferent Detlev Neudeck. Wie kürzlich publik wurde, wird er in einem Verfahren im Zusammenhang mit Zahlungen der Telekom Austria an die FPÖ-nahe Werbeagentur mediaConnection von Gernot Rumpold im Jahr 2004 von der Staatsanwaltschaft Wien als Beschuldigter geführt. Vier gemeinsam gegründete Privatstiftungen und ein Firmenkonglomerat rund um die Immobiliengruppe Tecto zeugen von einer jahrelangen engen Zusammenarbeit des Quartetts Adami, Gruber, Neudeck und Tüchler.
Und eben jene Gruppe hat nun ein reges Interesse am denkmalgeschützten Basiliskenhaus entwickelt. Das kam so: Im Jahr 2006 verstarb einer der Miteigentümer der Schönlaterngasse 7. Die Immobilienentwickler erwarben von den Erben ein Fünftel der Liegenschaft. Für die Tecto-Gruppe dürfte das Basiliskenhaus nur eine Art „Beifang“ gewesen sein. Eigentlich hatte man es auf das Nebenhaus Schönlaterngasse 7a abgesehen – auch dort hielt der Verstorbene Anteile. Die Erben wollten allerdings nur das Gesamtpaket abgeben. 7a gehört mittlerweile zur Gänze Tecto; auch die anderen Eigentümer haben verkauft.

Im Basiliskenhaus ist das anders.

Dort wohnt der renommierte Architekturkritiker und Literat Friedrich Achleitner mit seiner Familie. Den Achleitners gehören laut Grundbuch 70 Prozent der Liegenschaft. „Wer etwas auf sich hielt, zog in den 1960er-Jahren ins Grüne. Ich zog in die Stadt, nicht nur wegen des urbanen Lebens und weil ich meine Arbeitsstätten zu Fuß erreichen konnte, sondern auch wegen des kulturellen Umfelds. Ohne diesen Wohnort im Basiliskenhaus wäre meine ganze Aufarbeitung der Wiener Architektur nicht möglich gewesen. Heute wird dieses Wohnmilieu durch reine Profitinteressen systematisch zerstört. Die Innenstadt wird zur exklusiven Spielwiese für Touristen und zur Prestigeadresse für Oligarchen“, sagt Friedrich Achleitner.
Nennenswerte Erträge hat das Haus kaum je abgeworfen. Selbst die Mitbesitzer entrichten einen Mietzins an die Eigentümergemeinschaft. Die Einnahmen wurden in die behutsame Sanierung des Hauses und den Einbau eines Lifts investiert. Im Gegensatz zu Friedrich Achleitner, der den Wert von Bauwerken anhand städtebaulicher, architektonischer und historischer Kriterien bemisst, sind die Immobilienentwickler von Tecto vordergründig an einer Erlösmaximierung interessiert – und zusehends auch an einer Eskalation der Situation. Seit Mitte des Vorjahrs machen die neuen Miteigentümer Druck wegen der „als äußerst unbefriedigend anzusehenden Ertragslage des Hauses“, wie aus einem Brief an die Achleitners hervorgeht. Das Schreiben vom 20. September 2012 stammt von der Wiener Kanzlei PHHV Rechtsanwälte. Beauftragt wurden die Advokaten von einer Wieshofer & Co GmbH. Diese steht wiederum im Eigentum der T.A.G. Privatstiftung. Stifter sind Andreas Adami, Thomas Gruber, Detlev Neudeck und Gerhard Tüchler.

Tonart verschärft
Der Wieshofer & Co GmbH gehört nur ein Sechzigstel an der Schönlaterngasse 7 – der 20-Prozent-Anteil wurde nämlich auf insgesamt neun verschiedene Gesellschaften und Stiftungen der Tecto-Gesellschafter aufgeteilt. Warum wohl? Das Haus ist nicht parifiziert, das heißt, die zwölf Wohnungen stehen nicht im unmittelbaren Eigentum der verschiedenen Hausbesitzer. Diese halten prozentuelle Anteile an der gesamten Immobilie und deren Erträgen. Theoretisch könnten die Besitzer das Haus parifizieren lassen und die Wohnungen den Anteilen entsprechend aufteilen. Halten allerdings neun Gesellschafter nur je ein Dreißigstel oder ein Sechzigstel der zwölf Wohneinheiten, dann ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Unter Umständen ist dies auch der Grund für die verwirrende Beteiligungsstruktur: um eine gütliche Lösung von vornherein auszuschließen.

Die Immobilieninvestoren haben die Tonart zuletzt verschärft: „Unsere Mandantin hat sich daher entschlossen, deren Zugehörigkeit zu dieser Eigentümergemeinschaft in der vorliegenden rechtlichen Form zu beenden. Zu diesem Zweck richten wir Namens und Auftrags unserer Mandantin an Sie als Miteigentümer die Anfrage, ob Ihrerseits Bereitschaft zu einer gemeinsamen Vorgangsweise mit dem Ziel der Beendigung der bestehenden Eigentumsgemeinschaft besteht. Eine entsprechend gleichlautende Anfrage richten wir an sämtliche andere Miteigentümer der Liegenschaft.“ Ob unter der „Beendigung der bestehenden Eigentumsgemeinschaft“ eine Offerte zum Kauf der Anteile der Familie Achleitner zu verstehen ist, wird nicht näher ausgeführt – wohl aber, was andernfalls passieren könnte: „Sollte eine solche einvernehmliche Vorgangsweise nicht erzielbar sein, wäre unsere Mandantin gezwungen, die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft gerichtlich mittels Teilungsklage zu erwirken.“ Da eine Teilung in Sechzigstel unmöglich ist, wäre die Folge einer Teilungsklage eine Zwangsversteigerung. Dann könnte die Investorengruppe die Familie Achleitner bei einer öffentlichen Auktion überbieten – und diese müsste gegen ihren Willen das eigene Haus verkaufen.

Bei der Wiener Tecto-Gruppe wollte sich auf mehrmalige Anfragen niemand gegenüber profil äußern. Einzig Detlev Neudeck war für eine Stellungnahme zu erreichen. Mit seinen langjährigen Geschäftsfreunden hat er nach eigenem Bekunden gar nichts mehr zu tun. „Ich scheine im Firmenbuch zwar noch als Stifter der Privatstiftungen auf, habe mich aber von meinen Anteilen an der Tecto getrennt und übe dort auch keine Funktion mehr aus. Das Projekt Schönlaterngasse kenne ich nicht“, sagt Detlev Neudeck. Er machte vor allem in den Jahren der FPÖ-Regierungsbeteiligung gute Geschäfte mit seinen damaligen Tecto-Partnern. Insbesondere zur inzwischen notverstaatlichten Skandalbank Hypo Alpe-Adria pflegte Neudeck offenbar gute Kontakte. In Kroatien streifte die Tecto-Gruppe kurz nach der Jahrtausendwende satte Gewinne ein. Gemeinsam mit der Bank erwarb die Immobiliengesellschaft um einen Spottpreis Grundstücke an der unverbauten istrischen Küste. Kurze Zeit später wurden die brachliegenden Flächen in Bauland umgewidmet und um ein Vielfaches weiterverkauft. Auch in Wien war Neudeck mithilfe der Hypo Alpe-Adria aktiv. Über eine Finanzierung der damaligen Kärntner Landesbank kaufte er gemeinsam mit Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner ein Zinshaus.

Zuletzt dürfte es bei Neudeck eher nicht nach Wunsch verlaufen sein. Erst vor wenigen Wochen wurde über eine Universal Services, Security- und Managementdienstleistungs GmbH am Handelsgericht Wien ein Konkursverfahren eröffnet. Die Gesellschaft gehört zu 75 Prozent Detlev Neudeck. Gerichtstermine stehen auch in Sachen Telekom unmittelbar bevor. Zur Verwunderung von Detlev Neudeck: „Ich bin davon ausgegangen, dass ich gegenüber der Staatsanwaltschaft bei meiner Einvernahme klären konnte, dass ich mit Telekom-Zahlungen nie etwas zu tun hatte.“