Urheberrechtsgesetz: Faire Bezahlung für die Kunst?
Ein Gefecht ist im Gang. Es geht um Urheber- und Verwertungsrechte, um die Existenz von Kunstschaffenden. Das alte Urheberrecht soll novelliert werden, denn die Einkommensverluste der Kreativen durch illegale Uploads und Gratiskopien von Musik und Filmen sind immens. Das Kunstwerk mutiert in der digitalen Ära zur Datei: Es ist zu vervielfältigen, zu verlinken, ins Netz zu stellen. Die postindustrielle Kulturproduktion ist im engeren Sinn keine Ware mehr, sondern leicht verfüg- und bearbeitbare Dateninformation. Während junge Kulturtechniken wie das Sampling, die Found-Footage-Filmarbeit und Video-Mash-ups blühen, ist der Konsument, der einst nur das (zahlende) Ende der Verwertungskette bildete, zum Player, zur Instanz im Umgang mit der sich bietenden Kunst geworden.
Zugleich ist die Rechtslage seit Jahren unüberschaubar: Wie soll geistiges Eigentum geschützt, wie verwertet werden? Die neoliberale Wirtschaft reagierte mit maximaler Unflexibilität: mit Kopierschutz, Regionalcodes und Konsumentenbevormundung. Am anderen Ende des Spektrums fordert die deutsche Piratenpartei ungeniert freies Netz für alle. So fehlen noch immer, 15 Jahre nach der Popularisierung des Internets, Modelle für eine korrekte Abgeltung verfügbarer Kunst. Einstweilen floriert nur die Justiz; einen unerwarteten Etappensieg erzielte jüngst die deutsche Verwertungsgesellschaft Gema gegen die Google-Tochter YouTube.
Einen neuen Versuch hat die sozialdemokratische Kulturministerin dieser Tage gewagt: Zehn Millionen Euro jährlich soll die Umsetzung von Claudia Schmieds geplanter Festplattenabgabe als Ersatz für die veraltete Leerkassettenvergütung in die Kunstszene zurückpumpen. Dringend nötig wäre dieser Neustart: Die Rückflüsse in die hiesigen Verwertungsgesellschaften (und damit auch die Auszahlungen an die dort gemeldeten Künstler) haben sich seit 2005 halbiert. Die Reaktion von Arbeiter- und Wirtschaftskammer, Industrie, Handel und Netzgemeinde auf Schmieds Vorschlag war so absehbar wie deutlich: Preissteigerungen für Festplatten, also vielleicht auch für MP3-Player und Mobiltelefone? Nicht mit uns!
Nun nutzten die Verwertungsgesellschaften den politischen Rückenwind und starteten unter dem Titel Kunst hat Recht eine Lobbyingkampagne gegen die bedenkenlose Nutzung und Gratisverbreitung von Kunst. Weit über 2500 Kulturproduzenten haben das Manifest bereits unterzeichnet, und drei von Sabine Derflinger, Michael Kreihsl und Harald Sicheritz sehr polemisch inszenierte Werbespots führen auch auf YouTube vor Augen, wie es in einer Gesellschaft aussehen kann, die Kunst als ihr Privateigentum betrachtet.
Seither werden in der Debatte die großen Keulen ausgepackt: Von Enteignung sprechen all jene, die ihre Kunst digital manipuliert sehen, während unter den Kunden die Angst vor Kontrollstaat und Freiheitsbeschneidung umgeht. Herbe Kritik am Versuch, die illegale Nutzung von Kunst via Tauschbörsen auszubremsen, üben indes nicht nur linksradikale Netzaktivisten: Gegen das multilaterale Anti-Piraterie-Abkommen ACTA hat sich unlängst sogar Amnesty International ausgesprochen mit dem Argument möglicher Menschenrechtsverletzungen.
Auch Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl hält Überwachungen, wie sie im ACTA-Protokoll formuliert sind, für mehr als bedrohlich. Umgekehrt sagt er: Wenn Kunstschaffende erleben, wie ihre Arbeit eiskalt und ohne Entschädigung verwertet wird, ist das auch ein Grund für Aggression. Er plädiert dennoch für mehr Gelassenheit. Das Gros der Kunstschaffenden in Österreich konnte auch vor der digitalen Wende aus Tantiemen nur wenig Geld lukrieren. Das liegt nicht zuletzt am fehlenden Urhebervertragsrecht. Nach seiner Einführung hat das Urheberrecht den AutorInnen mehr geschadet als genutzt. Genutzt hat es nur den großen Verlagen. Das spricht nicht gegen ein Urheberrecht nur gegen das falsche.
Die Kunst mag Recht haben, aber die Optik ist zuweilen unschön: In einem profil vorliegenden Dokument veranschlagt die Wiener PR-Agentur The Skills Group ihre Kosten zur Abwicklung der Initiative Kunst hat Recht für zwei Jahre mit gut 360.000 Euro. Für die Kreativen selbst wird darin nicht ein Cent aufgeboten. Diese Zahlen seien nicht korrekt und reinste Propaganda, meint Ronny Zuckermann, einer der Mitarbeiter im Organisationsbüro von Kunst hat Recht. Lediglich ein Bruchteil davon sei in die Produktion der drei Spots geflossen. Aber die Verbreitung von Vermutungen und falschen Fakten sei typisch für das Mobverhalten mancher Mitglieder jener Community, die an der Gratiskultur festhalten wolle: Da sei ein Shitstorm und eine Schlammschlacht entfesselt worden, die ihresgleichen suchten. Edward Strasser, Geschäftsführer bei der Skills Group, gibt an, er sei als Auftragnehmer nicht berechtigt, die Budgets zu kommentieren, verweist aber darauf, dass die von profil angegebenen Zahlen aus einer alten Kalkulation stammen, in dieser Form daher nicht mehr stimmen.
Ganz falsch scheinen sie nicht zu sein: Das Jahresbudget für die KHR-Kampagne liege zwischen 100.000 und 190.000 Euro, meint Ursula Sedlaczek vage, die als AustroMechana-Direktorin Kunst hat Recht als gemeinsame Aktion von sieben österreichischen Kunstverwertungsgesellschaften abwickelt: Wir bewegen uns aber eher am unteren Rand, denn alle Beteiligten brächten möglichst viele Eigenleistungen ein. Es gehe ihr aber langsam auf die Nerven, dass unsere Initiative ständig attackiert wird, obwohl es uns nur darum geht, endlich Rechtssicherheit im Sinne der Kunstschaffenden herzustellen. Zur Benefizleistung aller beteiligten Regie-, Musik- und Schauspielkräfte in den Spots meint Sedlaczek nur: Hätten wir gute Gagen bezahlt, würde uns das vorgeworfen werden. Was immer wir gemacht hätten: Angriffe hätte es auf jeden Fall gegeben.
Kunst hat Recht wird weiterlaufen; im Juni soll es ein großes Symposion zum Thema geben, zudem ist ein Weißbuch zu den Fakten der heimischen Kunstszene geplant. Von weiteren Werbefilmen ist bereits die Rede von Künstlerhonoraren nicht.