Torpedieren, blockieren, hintertreiben

USA. Die Blockade-Politik der Republikaner

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Barack Obama gab Kaiser Wilhelm II.: Hatte dieser vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs versichert, er kenne "keine Parteien mehr, nur noch Deutsche“, so sagte Obama 2004 vor dem demokratischen Parteitag in Boston, es gebe "kein liberales und kein konservatives Amerika, sondern nur die Vereinigten Staaten von Amerika“. Im Präsidentenamt wollte Obama die tiefen Schluchten der amerikanischen Politik sodann überwinden; Brücken zur republikanischen Opposition plante er, um endlich die politische Polarisierung in Washington zu beenden.

Nichts dergleichen geschah, denn der blauäugige Obama hatte seine versöhnliche Rechnung ohne die unversöhnlichen republikanischen Wirte gemacht. Vom Brückenschlagen hielten sie schon deshalb nichts, weil ihnen der Brückenbauer ein Sozialist und Usurpator schien, der von Ziegenhirten in Kenia abstammte und vielleicht dort geboren war - was ihn als illegitimen Präsidenten disqualifizierte. Nach nahezu drei Jahren ist die Bilanz der Obama’schen Friedensbemühungen ernüchternd: Selten zuvor hat eine amerikanische Opposition derart gemauert und blockiert. Republikanische Positionen wurden in Beton gegossen, bis schließlich auch Obama dämmerte, dass die Opposition ihn nicht unterstützen, sondern unter Zuhilfenahme aller Mittel und Tricks politisch erledigen will.

"Wenn es das Ziel ist, Obama nach einer Amtszeit loszuwerden, dann macht die Blockade dringend nötiger Reformen einen perversen Sinn, auch wenn dies eine stagnierende Wirtschaft, Massenarbeitslosigkeit und sinkende Löhne garantiert“, befand unlängst der Bürgerrechtler Jesse Jackson. Der republikanische Machtwille manifestiert sich nicht erst seit Barack Obamas Amtsantritt: Bill Clinton, den die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus Monica Lewinskys wegen in einem Akt politischer Tollerei anklagte, war ihm ebenso ausgesetzt.

"Ich gehöre keiner organisierten Partei an, ich bin Demokrat“, scherzte vor Jahrzehnten der populäre Komiker Will Rogers. Nichts hat sich daran geändert, die Republikaner freilich haben sich zu einer immer konservativeren Kaderpartei entwickelt, der ideologische Scheuklappen zusehends das politische Blickfeld verengen. Die Gier nach Macht ist eine Sache; eine andere ist das kompromisslose Festhalten an einem Katechismus politischer Überzeugungen selbst dann, wenn die Bürger darunter leiden. "Der Staat muss so klein werden, dass er in der Badewanne ertränkt werden kann“, fordert der republikanische Vordenker Grover Norquist und verlangt republikanischen Kongressmitgliedern einen Schwur gegen jegliche Steuererhöhungen ab. Wer nicht pariert, muss bei parteiinternen Vorwahlen für politische Ämter mit einem ideologisch reinen Gegenkandidaten rechnen.

Sanierung der Staatsfinanzen durch teils unsoziale Kürzungen, niedrige Steuern besonders für Reiche und Begüterte und inbrünstige Gebete am Altar des allmächtigen Markts - damit wird seit 2009 die Torpedierung, Blockierung und Hintertreibung von Barack Obamas Politik legitimiert: die Reform der Wall Street ebenso wie die Reform des obsoleten US-Gesundheitswesens, Konjunkturankurbelungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Gesetze zum Schutz der Umwelt und vieles mehr. Dass Obama zu oft seine Positionen bereits vor Verhandlungsbeginn zurückschraubte, half ihm keineswegs; schließlich hat es der Präsident mit einer Partei zu tun, die den Klimawandel als Erfindung verhöhnt, Darwin als Scharlatan, die Schwulenehe als Teufelswerk und Europa als letzte Bastion des Sozialismus.

Wie sehr das ideologische Reinheitsgebot die Blockierer anspornt, zeigen die laufenden Verhandlungen zur Verringerung der immensen Staatsschulden: Obwohl die Demokraten erstaunliche Zugeständnisse machten, legen sich die republikanischen Vertreter im zwölfköpfigen Superausschuss des Kongresses bislang quer. Einsparungen über zehn Jahre in Höhe von 3,2 Billionen Dollar, darunter schmerzliche und bislang unvorstellbare Schnitte bei der staatlichen Krankenversorgung für Arme und Senioren, waren den republikanischen Vertretern nicht gut genug, weil die Demokraten als Teil des Pakets 1,3 Billionen neue Steuern vorschlugen, "was exakt 1,3 Billionen mehr ist, als die Republikaner zu akzeptieren gewillt sind“, leitartikelte entgeistert die "New York Times“.

Seit Franklin Roosevelts "New Deal“ in den dreißiger Jahren jammern Republikaner über vermeintliche Weichmacher der amerikanischen Psyche in Form staatlichen Beistands und entsetzen sich über den Verlust einer mythischen Autarkie im Stil wildwestlicher Pioniere. Roosevelts bescheidenen Sozialstaat, durch Lyndon B. Johnsons "Great Society“ in den sechziger Jahren etwas aufgebessert, wollen sie am liebsten zertrümmern; die staatliche Rentenkasse soll privatisiert werden, die Krankenversorgung der Alten gleichfalls.

Außerdem soll es jenen recht gemacht werden, die das republikanische Fähnlein kräftig schwingen: der Wirtschaft und den Reichen nämlich. Seit Ronald Reagan die Serie republikanischer Steuersenkungen für den Geldadel einleitete, ist die soziale Ungleichheit ebenso explodiert wie das Haushaltsdefizit. Als Bill Clinton 1993 die Steuern erhöhte, prophezeiten seine republikanischen Widersacher lauthals ein Desaster; stattdessen brummte die Wirtschaft und schuf 26 Millionen neue Arbeitsplätze, derweil die Defizite verschwanden und sich Überschüsse anhäuften, die von George W. Bush verprasst wurden.

Die Republikaner, urteilte Ronald Reagans ehemaliger Budgetdirektor David Stockman, seien von allen guten Geistern verlassen worden. Hätten sie einst geglaubt, Wohlstand erfordere ausgeglichene Konten - etwa beim Staatshaushalt oder bei der Handelsbilanz -, so frönten sie nun einem "vulgären Keynesianismus“ zum Wohl ihrer reichen Klientel. Wie wahr: Die republikanischen Bonzen im Kongress blockieren mit Verweis auf die Tugend der Sparsamkeit Barack Obamas Initiativen, sahen jedoch in der Ära Bush tatenlos zu, wie der Staatshaushalt durch den Krieg im Irak, durch Steuergeschenke an die Reichen und durch die immens teure Medikamentenbeihilfe für Senioren völlig aus den Fugen geriet.

Marmor, Stein und Eisen bricht, unsere Blockade aber nicht, lautet nun das republikanische Motto in den harten Zeiten der großen Rezession. In einem Brief an den Superausschuss des Kongresses fassten die 33 republikanischen Abgeordneten vergangene Woche ihre Forderungen zusammen: ein ausgeglichenes Budget innerhalb von zehn Jahren. Wie man das erreicht? Durch Steuerkürzungen. Man kann das Voodoo-Ökonomie nennen. Oder einfach Verbohrtheit.