Vorwürfe gegen Gerald Matt

Affäre. Der Kunsthalle-Direktor soll Mitarbeiter für privaten Auftrag eingesetzt haben

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Als am Dienstag vergangener Woche das Buch „Österreichs Kunst der 60er-Jahre. Gespräche“ präsentiert wurde, versprach die Veranstaltung ein eher gemütlicher Abend zu werden. Parlamentspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) lobte die Interviewsammlung, die der Nationalrat gemeinsam mit Kunsthallen-Direktor Gerald Matt herausgegeben hatte, Letzterer bedankte sich bei allen Beteiligten, danach beschworen Künstler wie Peter Kubelka und Christian Ludwig Attersee in einer Podiumsdiskussion den kulturellen Geist der sechziger Jahre herauf.

Einer der geladenen Gäste jedoch äußerte Unmut – und zwar deutlich: Der Direktor des Wiener Dom- und Diözesanmuseums, Bernhard A. Böhler, hatte nämlich auch ein Interview für das Buch geführt; er hatte bereits 2008 in Matts Auftrag den bereits schwer kranken und wenig später verstorbenen Alfred Hrdlicka befragt. Allerdings wurde das Gespräch in der Publikation nicht mit Böhlers Namen gezeichnet, sondern – mit jenem von Gerald Matt; und dies sowohl in der Überschrift als auch in den Initialen, die vor jeder einzelnen Frage stehen. Matt war die Angelegenheit sichtlich peinlich: Das Interview sei von einem Galeristen, der nicht genannt werden wollte, erweitert worden, und bei ­dieser Prozedur sei Böhlers Name leider verloren gegangen, entschuldigte er sich. Jedenfalls werde man alle weiteren Exemplare mit einem Erratum versehen, sicherte der Kunsthallen-Chef Böhler zu, um im nächsten Moment schon zu witzeln: „Wir werden sogar ein Foto von Ihnen dazustellen!“

Am nächsten Tag sah die Sache anders aus. Man werde prüfen, ob eine Berichtigung des Fehlers überhaupt möglich sei, wurde dem Kunsthistoriker mitgeteilt. Zudem offerierte Matt ihm erst jetzt jenes – mickrige – Honorar, das die anderen ­Autoren (im Gegensatz zu Böhler) bereits erhalten hatten. Von einer darüber hinausgehenden Entschädigung war nicht mehr die Rede. Gegenüber profil meint Matt, dass die Angelegenheit „inzwischen geregelt“ sei. Böhler hingegen erklärt: „Es ist keine Rede davon, dass diese Sache abgeschlossen ist.“ Ihm sei lediglich angeboten worden, dass man entweder ein Erratum einfügen oder den Namen Matts überkleben könne. Böhler kündigt an, seinen Rechtsanwalt zu konsultieren.

Der peinliche Vorfall erscheint symp­tomatisch für die Kooperation zwischen ­Gerald Matt und dem Parlament. Matt zeichnet nicht nur für die über 600 Seiten starke Publikation, sondern auch für zwei Ausstellungen in den Ausschusslokalen des Hohen Hauses verantwortlich; dafür hatte er 15.000 Euro Honorar erhalten – dieselbe Summe, die auch Lentos-Direktorin Stella Rollig für zwei von ihr kuratierte Ausstellungen im Nationalrat erhielt.

Allerdings dürfte Matts Engagement sich in überschaubaren Grenzen gehalten haben. In der Parlamentskorrespondenz wird er zwar als „Kunstkurator des Hohen Hauses“ vorgestellt, der die Ausstellungen „Hommage an die Fotografie“ und „Hommage an die Zeichnung“ kuratiert habe. Den Großteil der administrativen wie inhaltlichen Arbeit dafür scheinen jedoch andere erledigt zu haben. So erklärt einer der beteiligten Künstler auf profil-Anfrage, Matt erst bei der Präsentation kennen gelernt zu haben, und eine Kollegin meint: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass er damit etwas zu tun hat; ich habe nie mit ihm geredet.“ Bei der Präsentation habe man einander kurz die Hand geschüttelt. „Ich bin sicher, dass Matt mich auf der Straße nicht wiedererkennen würde“, meint sie.

Heiterkeit.
Ähnlich verhielt es sich auch bei der nun präsentierten Interviewpublikation, in deren Produktion das Par­lament zusätzliche 32.000 Euro investierte. Sie ist nicht als Projekt der Kunsthalle Wien, sondern als jenes von Gerald Matt persönlich deklariert: In dem Buch sind keine Logos oder sonstigen Hinweise auf das Haus zu finden. Auch auf der Website der Kunsthalle, die alle internen Publikationen auflistet, fehlt der Interviewband. Auf dem Cover sind als Herausgeber lediglich „Gerald A. Matt und Österreichisches Parlament“ angeführt. Dass Matt sich da selbst noch vor dem Parlament anführt, rief unter Mitarbeitern der Kunsthalle bereits Heiterkeit hervor – im Nationalrat selbst wird man diese Reihung vielleicht nicht ganz so lustig finden.

Obwohl die Publikation also dezidiert als Matts Projekt ausgewiesen ist, setzte dieser Kunsthallen-Mitarbeiter ein, die sich offensichtlich in ihrer Arbeitszeit dem Buch zu widmen hatten. Jene E-Mails, in denen Matt bei potenziellen Autoren 2008 um Beiträge für das Buch anfragen ließ, wurden von einer Kunsthallen-Mitarbeiterin zu Bürozeiten abgeschickt. Im Attachment bat Gerald Matt um „ein fertiges und autorisiertes Interview“ und fügte an: „Für etwaige Fragen und Rückmeldungen steht Ihnen auch gerne meine Mitarbeiterin Angela Stief zur Verfügung“, die dazu gelieferten Kontaktdaten bestanden aus deren Festnetznummer in der Kunsthalle und der Adresse des Büros. Etliche weitere Mitarbeiter des Hauses waren in Sachen Interviewbuch tätig, wie sich aus zahlreichen weiteren, profil vorliegenden Mails ergibt.

Auf profil-Anfrage reagiert Matt verstimmt.
„Wir haben einen eigenen Rechnungskreis für die Publikation. Sämtliche Leistungen wurden aus diesem Budget, das vom Parlament und vom Verlag zur Verfügung gestellt wurde, beglichen“, erklärt er. Wie denn festgestellt wurde, wann genau jemand an seinem Arbeitsplatz für die Kunsthalle, wann für Matts Buch gearbeitet habe? „Wir haben ein sehr genaues Zeiterfassungssystem, das exakt jene Zeiten aufzeichnete, in denen sich Kunsthallen-Mitarbeiter der Publikation widmeten.“ Wie man sich dies in der Praxis vorzustellen habe, erläutert Matt so: „Wenn die Parlamentspräsidentin im Haus anruft und die Sekretärin mich verbindet, dann wird das nicht erfasst. Sämtliche Leistungen, die über solche kurzzeitigen Interventionen hinausgehen, wurden aber aufgezeichnet. Darauf lege ich besonderen Wert, weil ich weiß, dass man da sehr penibel sein muss.“

Insider erklären freilich, dass ein derartiges Zeiterfassungssystem bislang keineswegs existiert habe. Doch immerhin soll Matt, so heißt es, tatsächlich einige Kunsthallen-Mitarbeiter extra honoriert haben – allerdings erst vor Kurzem, nachdem er von den profil-Recherchen erfahren hatte.

Demnächst wird sich der Nationalrat jedenfalls erneut mit Matts Projekten befassen müssen: Der grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl brachte dieser Tage nämlich eine parlamentarische Anfrage dazu ein. Darin fragt er unter anderem, ob festgelegt worden sei, „inwieweit MitarbeiterInnen der ‚Kunsthalle Wien‘ bei der Erstellung der Publikation mitarbeiten sollten“.

Zinggl erklärt dazu: „Die Ära von Kunstdirektoren, die ihre Angestellten ebenso für private Interessen nutzen wie die ihnen anvertrauten Ressourcen, muss ein Ende nehmen – auch wenn das schmerzhaft ist für die, die davon profitieren.“ Zinggl fordert nun detaillierte Kontrollen: „Die Vorgangsweise ist mehr als aufklärungsbedürftig.“ Eine Überprüfung durch das Kontrollamt sei nun geboten, „um herauszufinden, ob hier private Projekte aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden“. Matt könne nach 15 Jahren an der Spitze der Kunsthalle offenbar „für ihn zur Gewohnheit gewordenes Unrecht nicht mehr erkennen“, so Zinggl. Darum solle niemand einen derartigen Job länger als zehn Jahre ausüben.

Dass Matt andere gern in seinem Namen arbeiten lässt, ist längst bekannt. So mancher mit „Gerald Matt“ gezeichnete Text wurde de facto nicht von ihm selbst verfasst. Auch bei diversen Ausstellungen des Hauses scheint der Direktor aufgrund seiner häufigen und extensiven Auslandsreisen den Großteil seiner Arbeit anderen überlassen zu haben, die jedoch lediglich als Assistenten angeführt wurden. Nun scheint Gerald Matts Ich-AG die Grenzen ihrer Selbstherrlichkeit erreicht zu haben.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer