Wicki leaks

Affäre. Die widersprüchlichen Transaktionen von Grasser und Meischberger in Liechtenstein

Drucken

Schriftgröße

er Internetauftritt der Vermögensverwaltungsgesellschaft Private Asset Partners ist nicht gerade aufschlussreich. Konkrete Informationen über das Unternehmen mit Niederlassungen in Liechtenstein und der Schweiz findet der Besucher hier nicht. Weder Umsatzzahlen noch Renditeerwartungen oder Referenzen. Dafür jede Menge hübsche Bilder und luftige Texte: „Als Spezialist für Vermögensverwaltung beraten wir Sie ganzheitlich. Wir berücksichtigen alle Aspekte rund um die Sicherung und Mehrung Ihres Vermögens. Ganz im Sinne des Privatsekretärs der alten Schule kümmern wir uns bei Bedarf auch um Ihre persönlichen Belange.“ Gründer und Verwaltungsratspräsident ist ein gewisser Norbert Wicki. Und wie es scheint, hat sich Wicki in den vergangenen Jahren besonders aufmerksam um die „persönlichen Belange“ von Walter Meischberger, Karl-Heinz Grasser und dessen Schwiegermutter Marina Giori-Lhota gekümmert.

Über eine in Belize domizilierte Gesellschaft mit Namen Mandarin Group Ltd. bewegte Wicki für seine prominente Klientel hohe Geldbeträge, die aus höchst umstrittenen Geschäften wie der Buwog-Privatisierung und dem Verkauf der mittlerweile notverstaatlichten Kärntner Hypo Group Alpe-Adria stammen. Die nicht immer nachvollziehbaren Vorgänge auf den Konten von Mandarin beschäftigen seit geraumer Zeit die Strafverfolgungsbehörden in Liechtenstein und Österreich. Selbst die liechtensteinische Hausbank von Mandarin zieht zahlreiche Angaben von Norbert Wicki in Zweifel.
„Aufgrund der besonderen Abklärungen in Sachen Mandarin Group Ltd. haben wir Indizien dafür gefunden, die darauf hindeuten, dass uns Herr Norbert Wicki durch unwahre Angaben getäuscht hat“, heißt es in einem mit 29. März 2010 datierten Aktenvermerk der Raiffeisenbank Liechtenstein. Seit sich die Staatsanwaltschaft Vaduz im Rahmen eines Verfahrens wegen Geldwäscherei gegen Walter Meischberger und andere auch für die Konten des Vehikels Mandarin interessiert, ist man bei der Raiffeisenbank Liechtenstein um Aufklärung bemüht. Bei diesem Institut hatte Wicki am 24. Oktober 2007 bei der Eröffnung des Bankkontos mit der Nummer 109061 ein „Profil der Geschäftsbeziehung“ ausgefüllt und unterschrieben. „Als WB (wirtschaftlich Berechtigte, Anm.) wurde uns Frau Inge Wicki (…) auf den Formularen Feststellung des WB sowie Antrag zur Kontoeröffnung, beide datiert vom 18.10.2007, bestätigt.“ Norbert Wicki hatte der Bank erklärt, seine Mutter habe eine Erbschaft gemacht und würde ihm einen Teil des geerbten Vermögens nun zur Veranlagung anvertrauen.

Die folgenden Aktivitäten auf dem Konto im Zeitraum von Ende 2007 bis Mitte 2009 dürften allerdings eher wenig mit dem angeblichen Vermögen der alten Dame zu tun gehabt haben. Alle noch vorhandenen Gelder auf dem Konto wurden auf Geheiß des Fürstlichen Landgerichts in Vaduz mittlerweile eingefroren. Die Initialzündung für den seltsamen Reigen aus regelmäßigen Bargeldeinzahlungen, Darlehensrückzahlungen und umfangreichen Aktienkäufen lieferte im Dezember 2007 ein alter Bekannter: Walter Meischberger. Der ehemalige FPÖ-Politiker war zu diesem Zeitpunkt mehr als liquide. Im Rahmen der Privatisierung von rund 60.000 Bundeswohnungen (Buwog) im Jahr 2004 hatten Meischberger und sein Partner Peter Hochegger rund zehn Millionen Euro an Provision vom siegreichen Bieterkonsortium rund um die börsennotierte Immobiliengesellschaft Immofinanz erhalten. Seinen Anteil an der Summe – mehr als sieben Millionen Euro – hatte Meischberger über eine zypriotische Briefkastengesellschaft an der Steuer vorbei nach Liechtenstein transferieren lassen. Dort harrten die Millionen einer weiteren Verwendung. Einen Teil ließ sich Meischberger von Geldboten in bar nach Wien übermitteln. Darüber hinaus wollte Meischberger Teile seines Auslandsvermögens möglichst gewinnbringend veranlagen. Und wo sonst sollte eine treue Seele wie Walter Meischberger investieren als in der von seinem Freund Karl-Heinz Grasser gemanagten Meinl International Power? Meischberger, ansonsten eher nicht bekannt für seine zurückhaltende Art, wollte dabei allerdings nicht selbst in Erscheinung treten. So kam Norbert ­Wicki ins Spiel. „Nach Aussage von Herrn Meischberger suchte dieser jemanden, der für ihn treuhänderisch Aktien an der Meinl International Power Ltd. (kurz MIP) erwirbt.

Zwar wollte Meischberger in MIP-Aktien investieren, aufgrund der Tatsache, dass er ein sehr guter Freund von Karl-Heinz Grasser war, wollte er jedoch nicht selbst in Erscheinung treten“, so Anwalt Ralph Wanger, Rechtsvertreter der Mandarin Group, in einem Schreiben an das Fürstliche Landgericht in Vaduz. Und weiter: „Die Idee dieses Kreditvertrages vom 5.12.2007 war es demnach also, dass Meischberger der Mandarin Group Ltd. den Betrag von EUR 500.000,– leiht, damit die Mandarin Group Ltd. damit Aktien der Meinl Internatio­nal Power Ltd. erwirbt.“ Die Überweisung der halben Million zum Kauf von MIP-Papieren war möglicherweise schon bei der Eröffnung des Mandarin-Kontos im Oktober 2007 vereinbart gewesen: Norbert ­Wicki gab damals bei der Raiffeisenbank Liechtenstein an, dass eine „geplante Ersteinzahlung“ in der Höhe von 500.000 Euro von der Hypo Vorarlberg auf das Mandarin-Konto überwiesen werden soll. Seiner Bank gegenüber gab Norbert Wicki an, seine Mutter habe das Geld geerbt. Am 12. Dezember 2007 gehen tatsächlich 500.000 Euro auf dem Konto mit der Nummer 109061 ein, zwar nicht von der Hypo Vorarlberg, dafür von der Hypo Investment Bank Vaduz. „Dass die ursprüngliche Erbschaft genau in dieser Höhe ausgefallen und von der gleichen Bankengruppe ausgeführt worden wäre, scheint uns ein großer Zufall“, heißt es dazu argwöhnisch im Aktenvermerk der Raiffeisenbank Liechtenstein. Kein Wunder. Das Geld stammte ja nicht aus einer Erbschaft, sondern von Walter Meischberger.

Warum aber meldete Norbert Wicki seiner Bank nicht, dass das Konto zu einem ganz anderen als dem ursprünglich angegebenen Grund verwendet wurde? Und: Was hatte eigentlich die Mandarin Group von der Kreditvereinbarung mit Meischberger?

Verlustbeteiligung. Mandarin-Anwalt Wanger in seinem Schreiben an das Fürstliche Landgericht in Vaduz: „Auf Seiten der Mandarin Group Ltd. war das Geschäft deshalb lukrativ, da die Mandarin für dieses Darlehen nur 3,5% Zinsen zahlen musste, im Gegenzug aber den Gewinn für den Aktienverkauf behalten konnte. Aufgrund eigener Abklärungen ist ­meine Mandantin davon ausgegangen, dass die Aktien durchaus zwischen 20 bis 25% an Wert zunehmen würden. Im Gegenzug musste die Mandarin Group Ltd. Herrn Meischberger jedoch zusichern, dass die Stimmrechtsausübung anlässlich von Generalversammlungen alleine auf Instruktion von Walter Meischberger durchgeführt werden sollte. Nachdem die Mandarin Group Ltd. am Geschäft selbst und damit also am Aktienverkaufsgewinn interessiert war, war dieses Geschäft durchaus interessant für die Mandarin Group Ltd.“

Tatsächlich war der Deal aber nur für Walter Meischberger interessant: Er konnte dabei nicht verlieren. Dies geht aus dem profil vorliegenden, mit 5. Dezember 2007 datierten Kreditvertrag zwischen Meischberger und der Mandarin Group hervor. In dieser Vereinbarung ist nämlich keineswegs vorgesehen, dass die Mandarin Group an einem etwaigen Aktienverkaufsgewinn beteiligt gewesen wäre. Unter „Zinssatz/Erfolgsbeteiligung“ heißt es in dem gerade einmal eine Seite umfassenden Papier: „Entweder garantierter Zinssatz von 3,50% … oder sofern bei der Kapitalrückführung aus dem Kauf/Verkauf der Meinl International Power Ltd. Aktie ein Nettoertrag resultiert, der den garantierten Zinssatz von 3,5% übersteigt, ist dieser Betrag als Erfolgsbeteiligung an den Kreditgeber zu überweisen.“ Kreditgeber war Walter Meischberger.

Das heißt: Die Mandarin Group borgte sich bei Walter Meischberger eine halbe Million Euro aus, um in dessen Auftrag Aktien zu kaufen. Dafür zahlt Mandarin in jedem Fall 3,5 Prozent Zinsen im Jahr, wird aber an einem möglichen Gewinn beim Weiterverkauf nicht beteiligt. Warum sollte jemand ein derart nachteiliges Geschäft eingehen? profil übermittelte Mandarin-Rechtsvertreter Ralph Wanger schriftlich einen Katalog an Fragen zu diesem Themenkomplex. Dieser ließ die Anfrage allerdings unter Verweis auf das Anwaltsgeheimnis unbeantwortet.

Walter Meischberger war vergangene Woche für profil nicht zu erreichen, bestätigte aber schon zuvor gegenüber der Staatsanwaltschaft Wien diese Version. „Ich habe im zweiten Halbjahr 2007 begonnen, in MIP zu investieren. Ich wurde dann unsicher und wusste nicht genau, wie es weitergeht. Ich wollte aber weiter MIP und sogar kaufen, weil ich einerseits gehört habe, dass trotz dieser Meinl-Krise es am Ende des Weges ein lukratives Geschäft wird, und andererseits aus persönlichem Interesse meines Freundes Karl-Heinz Grasser. Ich wusste, dass es schwierige Entscheidungen im Wege von Generalversammlungen geben wird … Um bei eventuellen Entscheidungen bei Generalversammlungen aktiv mitwirken zu können, wäre es von Vorteil gewesen, viele Aktien zu besitzen, um entsprechende Stimmberechtigung zu haben“, so Meischberger bei einer seiner Einvernahmen. Die von ihm angesprochenen „schwierigen Entscheidungen“ waren ab Frühsommer 2008 absehbar. Damals organisierte sich eine Gruppe von MIP-Aktionären, um in Kampfabstimmungen einen Wechsel im Vorstand der Gesellschaft und vor allem eine Auflösung der aus ihrer Sicht nachteiligen Verträge mit der von Karl-Heinz Grasser geführten Managementgesellschaft durchzusetzen – was schließlich auch gelang. Just zu dem Zeitpunkt, als der Machtkampf bei MIP entbrannte, kaufte Mandarin erstmals MIP-­Aktien. 90.000 Stück am 4. Juni 2008 und noch einmal 60.000 Stück in drei Tranchen im Oktober 2008.
Das Seltsame daran: Der Kreditvertrag zwischen Meischberger und Mandarin datiert vom 5. Dezember 2007, eine Woche später hatte Meischberger das Geld bereits überwiesen. Warum aber wartete Mandarin ein halbes Jahr mit dem Erwerb der MIP-Titel? Der Preis kann dabei keine Rolle gespielt haben. Zwischen Jahresende 2007, als das Geld bereits auf dem Mandarin-Konto angekommen war, und Februar 2008 sackte der Wert der MIP-Papiere an der Wiener Börse von rund 6,3 Euro auf 4,8 Euro je Aktie. Ein guter Zeitpunkt, um zu kaufen. Als Mandarin am 4. Juni insgesamt 90.000 Stück MIP-Aktien orderte, geschah dies aber zu einem Preis von 6,89 Euro je Aktie – ein absoluter Höchstwert für die ansonsten ständig auf Talfahrt befindliche Aktie. Wirtschaftlich ergibt das Handeln der Mandarin Group keinerlei Sinn. Das Ende des MIP-Geschäfts zwischen Mandarin und Meischberger kam erwartungsgemäß mit Verlusten für das in Belize eingetragene Vehikel:

Am 12. Oktober stellt Meischberger schriftlich den Kredit fällig. „Da ich in Kürze dringende Steuerforderungen zu bezahlen habe, sehe ich mich heute veranlasst, den Ihnen seinerzeit gewährten Kredit in Höhe von EUR 500.000 zum Erwerb von Aktien der PI Power Inter­national Ltd. (vormals Meinl International ­Power Ltd.) sofort zu kündigen“, schreibt der Buwog-Lobbyist an die Mandarin Group. Diese überweist zwei Tage später umstandslos die 500.000 Euro plus die vereinbarten Zinsen in Höhe von rund 32.000 Euro. Zu diesem Zeitpunkt waren die bei Mandarin verbliebenen MIP-Papiere nicht einmal mehr die Hälfte des Kaufpreises wert.

Erhebliches Risiko. Zurück zum Start in Liechtenstein. Dort kam wenige Wochen nach der ersten Einzahlung durch Walter Meischberger Bewegung in das Konto mit der Nummer 109061 bei der Raiffeisenbank Liechtenstein. Im Laufe des Jahres 2008 wurden in drei Tranchen hohe Bargeldbeträge eingezahlt: 290.000 Euro am 4. März, 443.000 Euro am 5. Juni und 210.000 Euro am 23. Oktober. Insgesamt also 943.000 Euro. Angeblicher Hintergrund der Zahlungen: Erbschaft und Liegenschaftsverkäufe der „wirtschaftlich Berechtigten“ Ilse Wicki. Die Bank wurde misstrauisch. In der Dokumentation der Transaktionen findet sich bereits im De­zember 2007 der Eintrag „erhöhtes Risiko“ und ab der dritten Einzahlung im Oktober 2008 sogar „erhebliches Risiko“.

Auch im folgenden Jahr 2009 stoßen die Mitarbeiter der Raiffeisenbank Liechtenstein auf Zahlungseingänge, die mit den Erklärungen von Norbert Wicki nicht im Einklang stehen. So landen beispielsweise am 3. Februar 2009 auf dem Mandarin-Konto 783.972 Euro. Die Bemerkung des Sachbearbeiters dazu: „Die Mutter der WB lebte im Süden von Wien und ist im vergangenen Jahr verstorben. Als Unternehmerswitwe lebte sie in sehr guten Verhältnissen. Die Barbeträge wurden bereits von der Tochter als Alleinerbin auf diese Gesellschaft transferiert. Immobilien und Antiquitäten sind noch im Verkauf – ein Großteil ist abgewickelt. Aus dem Verkauf dieser Erbschaft stammen die Gelder.“ Und wieder die Erbschaft der alten Frau Wicki. Und wieder nicht wahr. In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Betrag um jene Summe, die Karl-Heinz Grasser für seine Schwiegermutter Marina Giori-Lhota in ein Genussscheinmodell für private Investoren beim Einstieg der Berlin-Gruppe bei der Hypo Alpe-Adria veranlagt hatte. Aus den investierten 500.000 Euro wurden binnen kürzester Zeit 783.972 Euro.
Mandarin-Anwalt Ralph Wanger in seinem Schreiben: „Herr Wicki betreut schon seit 15 Jahren eine Frau Marina Giori-Lhota in finanziellen Angelegenheiten. Frau Giori-Lhota ist die Schwiegermutter von Karl-Heinz Grasser. Nach Aussage der Mandantin von Herrn Wicki übergab Frau Giori-Lhota ihrem Schwiegersohn im Jahr 2005 EUR 500.000 zur Veranlagung. Herr Grasser war offenbar sehr erfolgreich, sodass er seiner Schwiegermutter im (Jahr, Anm.) 2009 insgesamt den Betrag von EUR 783.971,50 zurückzahlen konnte.

Nachdem Herr Wicki der Vermögensverwalter von Fam. Giori-Lhota ist, hat er das Geld treuhänderisch entgegen nehmen (sic!).“ Marina Giori-Lhota dürfte einen ausgeprägten Instinkt dafür haben, den richtigen Männern ihr Geld anzuvertrauen. Denn das von Karl-Heinz Grasser so erfolgreich veranlagte Geld wurde von Norbert Wicki noch einmal vermehrt, wie aus der Darstellung von Mandarin-Anwalt Wanger hervorgeht: „Der Grund, warum die Mandarin Group Ltd. schlussendlich nicht den Betrag von 783.971,50, sondern vielmehr EUR 908.000 weiterüberwiesen hat, ist der, dass Herr Wicki, als er sich im Jahr 2000 selbstständig gemacht hat, von Frau Giori-Lhota EUR 100.000 Startgeld erhalten hat. Diesen Betrag überwies Herr Wicki nun plus Zinsen in Höhe von EUR 24.000, sodass er Frau Giori-Lhota insgesamt den Betrag von EUR 908.000 auf das Konto bei der St. Galler Kantonalbank … überwiesen hat.“

Obwohl ihr Geld so gewinnbringend veranlagt wurde, zog Marina Giori-Lhota im Juni 2009 ihre Mittel von der Mandarin Group ab. Die Bemerkung des Sachbearbeiters bei der Raiffeisenbank Liechtenstein dazu: „Übertrag an die St. Galler Kantonalbank, da der Kunde das Vertrauen in den Bankplatz Liechtenstein verloren hat und sich aus Gründen der Banksicherheit wünscht, das Kapital bei einer Kantonalbank veranlagen zu können.“

Wer kann ihr das schon verdenken?