Alles muss raus: Wie die Signa-Rettung gescheitert ist
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Es liest sich wie eine Nachricht aus längst vergangenen Zeiten: „Seit der Gründung im Jahr 1999 ist es gelungen, Signa zu einem Unternehmen internationalen Formats zu entwickeln. Heute zählt Signa zu den bedeutendsten Immobilieninvestoren in Europa und betreibt namhafte Handelsunternehmen.“ Diese Eigenbeschreibung des Firmenimperiums von René Benko stammt nicht etwa aus dem Jahre Schnee, sondern stand noch im März 2023 in großer Schrift auf der Website der Gruppe. Jetzt, ein Jahr später, ist aus der angeblichen Erfolgsstory von einst die Geschichte eines mehrfachen Scheiterns geworden. Zunächst zerschellte das „Immer größer“-, „Immer teurer“-, „Immer prestigeträchtiger“-Geschäftsmodell des Tiroler Tycoons. Dann misslangen die Rettungs- und Sanierungsversuche. Jetzt naht die Stunde der Wahrheit.
Am kommenden Montag geben einander im siebten Stock des Wiener Handelsgerichts die Gläubigervertreter der wichtigsten Signa-Sparten die Klinke in die Hand. Um 13 Uhr sind jene der Signa Prime Selection AG zur „Sanierungsplantagsatzung“ geladen, zwei Stunden später die der Signa Development Selection AG. Dort stimmen sie über die Zukunft von dem ab, was einst die beiden stolzesten Flaggschiffe im Benko-Universum waren: die „Prime“ mit hochklassigen Gebäuden in besten Lagen wie dem „Goldenen Quartier“ in Wien oder dem „Kaufhaus Tyrol“ in Innsbruck; die „Development“ mit riesigen Immobilien-Entwicklungsprojekten in Österreich, Deutschland und Norditalien. Es geht um Milliarden. In den Tagen vor der Gläubigersitzung wurden die Weichen derart gestellt, dass am Ende des Tages nichts mehr von den Unternehmen übrig bleiben könnte. Neues Ziel: die Verwertung des gesamten Vermögens unter Aufsicht eines Treuhänders – profil berichtete exklusiv. Faktisch ist das ein Eingeständnis, dass die bisherigen Rettungsversuche gescheitert sind.
Wie konnte es dazu kommen? So aggressiv das Geschäftsmodell der Signa im vergangenen Jahrzehnt war, so zaghaft nahm man im Vorjahr die Rettung in Angriff, als sich die Probleme bereits mehr als deutlich abzeichneten. Maßnahme eins: Ein erfahrener Sanierungsexperte aus Deutschland sollte es richten. Arndt Geiwitz dürfte seinen Job jedoch letztlich nie so wirklich angetreten haben. Maßnahme zwei: Ende November 2023 schickte man die Signa Holding GmbH in die Insolvenz – eine Art Dach-Gesellschaft ohne direkten Zugriff auf das Immobilienvermögen. Ein Insolvenzversuch unter den gelindest möglichen Mitteln, nämlich unter Eigenverwaltung des bisherigen Managements. Die Eigenverwaltung wurde später aufgegeben. Maßnahme drei: Bei der Signa
Prime und der Signa Development übernahm der prominente Sanierer Erhard Grossnigg das Ruder. Bald darauf musste aber auch er für die beiden Immobilien-Holdings Insolvenz beantragen. Versuche, Geldgeber aufzutreiben, um eine einigermaßen geordnete Sanierung durchzuführen, fruchteten bei „Development“, nicht jedoch bei der „Prime“, wo es um ein Vielfaches an benötigtem Kapital gegangen wäre. Jetzt wird abverkauft, und das, was dabei hereinkommt, an die Gläubiger verteilt.
Die teuerste Firmenpleite Österreichs ist jedenfalls auch der komplizierteste Sanierungsfall. Wobei: Von einer klassischen Sanierung, in der das Unternehmen quasi gesundgeschrumpft wird und nach zwei Jahren weitergeführt wird, kann bei Signa keine Rede mehr sein. Wie profil exklusiv berichtete, wird das Vermögen der Signa Prime – der Luxusimmobiliensparte von Signa – treuhändisch an die Gläubiger übergeben. Die gleiche Lösung ist auch für die Signa Development geplant, also die Immobilien-Entwicklungseinheit.
Das bedeutet also, dass die wesentlichen Immobilien, Forderungen, Dividenden und Haftungsansprüche an die Gläubiger gehen. Mehr Zugeständnis an Gläubiger ist kaum möglich. Denn sie bekommen so gut wie alles Geld, das nach den Verkäufen und der Tilgung der hypothekarisch besicherten Kredite übrig bleibt. Wie viel auch immer das am Ende sein mag. Die Investoren gehen höchstwahrscheinlich leer aus. Und das nicht unbedingt zu deren Freude, wie aus der Signa hinter vorgehaltener Hand zu hören ist.
Der Teufel liegt aber auch hier im Detail. „Aufgrund der geringeren Größe ist die Signa Development beherrschbarer, weil dort weniger Liquidität notwendig ist“, sagt Florian Nowotny, Berater bei „Alvarez & Marsal“. Das ist ein US-Beratungsunternehmen, das auf Sanierungen und Krisenmanagement spezialisiert ist. Von 2,2 Milliarden an Forderungen wurden bei der Development vorerst 900 Millionen anerkannt.
Alle Immobilien belehnt
Bei der Signa Prime wird es hingegen richtig kompliziert, wie der dritte Bericht der Sanierungsverwalterin und die Stellungnahmen zum Sanierungsplan zeigen. Das Schriftstück liegt profil vor. Und auch die Forderungen sind viel höher. Von 10,78 Milliarden Euro an Forderungen wurden vorerst fast drei Milliarden anerkannt. Aber der Reihe nach.
Der Sanierungsplan, der praktisch einem Abverkauf gleichkommt, sieht vor, dass die Gläubiger der Signa Prime zumindest 30 Prozent ihrer Forderungen erhalten und alles, was darüber hinaus noch zusammenkommt. Laut Plan sollen es bei der Signa Prime zumindest 1,7 Milliarden Euro werden. Und die Treuhandlösung, in der das Management zwar das Vermögen an die Treuhänderin übergibt, aber selbst noch für die Verwertung an Bord bleibt, bietet auch mehr Zeit als der bisherige rechtliche Rahmen. Die Verkäufe müssen dann nicht zwingend in zwei Jahren abgeschlossen sein, sondern erst nach fünf, wenn die Gläubiger zustimmen.
Jetzt kommt das erste große Aber. Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es keine einzige Liegenschaft im Signa-Reich, die nicht belastet ist. Die also nicht irgendwie verpfändet, belehnt oder grundbücherlich besichert ist. Keine einzige. Signa wuchs und wuchs auf Pump. Aber was bleibt dann noch übrig, wenn einmal die Kreditgeber bedient sind?
„Aufgrund der geringeren Größe ist die Signa Development beherrschbarer, weil dort weniger Liquidität notwendig ist."
Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt das Pfandrecht der Schoeller Group. Die Mezz 23 GmbH Co. KG hat Signa im Juli 2023 einen Kredit in der Höhe von 200 Millionen Euro gewährt und dafür ein Pfandrecht für die Signa Prime Capital Invest GmbH bekommen, die wiederum Anteile an Liegenschaften wie dem halbfertigen Elbtower in Hamburg, am Lamarr in Wien oder am KaDeWe („Kaufhaus des Westens“) in Berlin hält. Im Sanierungsbericht wird das Pfandrecht zwar bestritten. Aber wenn die Geldgeberin ihr Pfandrecht doch ziehen könnte, würde das die zahlreichen Gesellschaften darunter massiv unter Druck bringen. Und wegen der Anteilsverschiebung und der verschachtelten Konstruktion samt daran hängender luxemburgischer Signa-Gesellschaften wären unter Umständen dann auch noch 100 Millionen Euro an Grundsteuer in Deutschland fällig.
Die Schoeller Group will jetzt jedenfalls Park Hyatt, Goldenes Quartier, Kaufhaus Tyrol und das Gebäude auf der Wiener Freyung, in dem der Verfassungsgerichtshof Mieterin ist, kaufen und dafür das Pfandrecht abziehen. Bisher ist sie aber mit ihrem Angebot bei den Gläubigern abgeblitzt.
Ein Jahrzehnt lang war Signa um Diskretion und auch um Steueroptimierung bemüht. Die Gruppe besteht aus mehr als 1000 Gesellschaften, viele davon in Österreich und in Deutschland, aber auch in Luxemburg und in der Schweiz. Das hat freilich unterschiedliche Gründe. Aber all diese vielen kleinen und großen Signas und ihre verschachtelten Verbindungen und Verbindlichkeiten werden in der Insolvenz zum Problem. Und das hat im konkreten Fall viel mit der deutschen Grundsteuer zu tun.
Eigentlich sollten ja alle Vermögenswerte an die Treuhänderin und damit an die bisherige Saniererin, einem Team rund um Anwalt Norbert Abel, übertragen werden. Jedoch mit Ausnahme der Anteile an der Signa Capital Invest GmbH, der Signa Warenhaus Immobilien Holding GmbH und der Signa Prime Luxemburg S.á.r.l. Im Wesentlichen hängt unter diesen Firmen alles, was die Signa Prime in Deutschland besitzt. Wenn sich hier Anteile verschieben, könnte das dazu führen, dass man dem deutschen Fiskus auf einen Schlag einen dreistelligen Millionenbetrag schuldet.
„Danke Benko“
„Danke Benko“ prangte bis vor Kurzem in riesigen roten Graffiti-Lettern auf einem Bauzaun auf der Wiener Mariahilfer Straße. Die Schrift ist mittlerweile fast ganz mit Plakaten überklebt. Ein bisschen etwas ist aber noch zu sehen, und die sarkastische Message ist noch immer klar. Hier sollte eigentlich das Luxus-Shoppingcenter Lamarr entstehen. Jetzt ist es nur eine stillgelegt Signa-Baustelle – eine von vielen in Österreich, Deutschland und Italien.
Der neue Sanierungsplan samt Treuhandlösung soll Signa mehr Zeit für die Verwertung bieten, damit es eben nicht zu Panikverkäufen und noch größeren Wertverlusten kommt. Zeit hat aber zumindest die Signa Prime nicht. Denn anders als bei Signa Development ist hier der Liquiditätsbedarf viel größer, und es fand sich bisher auch kein reicher und risikofreudiger Gönner, der mit frischem Geld aushilft. Bei Signa Development hat ja Aktionär Hans Peter Haselsteiner einen Massekredit von 25 Millionen Euro gewährt.
Signa Prime muss jetzt aber entweder ganz schnell etwas verkaufen oder schnell einen Geldgeber finden. Ansonsten schlittern weitere Projektgesellschaften in die Insolvenz, und zahlreiche Bauprojekte können nicht fertiggestellt werden. Halbfertige Baustellen sind aber eine enorme Wertvernichtung, denn sie finden kaum Käufer – vor allem in einer Situation, in der die Zinsen und Baukosten noch immer hoch sind. Allein in Deutschland sind sieben Gesellschaften laut Bericht in einem Regelinsolvenzverfahren und 80 in vorläufigen Insolvenzverfahren. Bis Mitte April hat Signa noch Zeit, um die Gesellschaften aus der vorläufigen Insolvenz zu holen, etwa den Elbtower in Hamburg. Und das kostet eben sehr viel Geld, das bis Ende des Monats aufgetrieben werden muss. Ansonsten droht der endgültige Konkurs samt massiver Wertvernichtung.
Bei Signa herrscht jetzt jedenfalls das Prinzip Hoffnung. Die Gläubiger bekommen nämlich nur dann die versprochenen 30 Prozent ihrer Forderungen, wenn jetzt schnell ein paar Millionen für die Stabilisierung der Projektgesellschaften hereinfließen. Wenn in einem Jahr die Zinsen wieder etwas sinken und Immobilienkäufe wieder etwas attraktiver werden, wenn das Marktumfeld in den kommenden zwei Jahren deutlich freundlicher wird und die wirtschaftlichen Krisen überwunden werden. Und wenn sich genug Käufer finden, die Signa-Immobilien in Toplage kaufen wollen und dafür auch einen angemessenen Preis bezahlen wollen. Den geforderten Summen stehen also sehr viele Wenns gegenüber.
Wo ist Benkos Geld?
In Österreich mussten mittlerweile zumindest zehn Signa-Firmen Insolvenz anmelden, in Deutschland 87 und in Luxemburg weitere 15. Die Pleitespirale, die sich immer schneller dreht, hat zuletzt auch René Benko selbst erfasst. Er brachte Anfang März für sich selbst ebenfalls einen Insolvenzantrag ein. Das Landesgericht Innsbruck eröffnete ein Konkursverfahren, für den 24. April ist eine erste Gläubigerversammlung anberaumt. Jetzt geht es um die Frage, welches Vermögen Benko eigentlich besitzt.
Fest steht, dass zumindest ein Teil des Familienvermögens in Privatstiftungen geparkt ist. Eine davon ist die „Laura Privatstiftung“. Und dort kam es Ende Jänner 2024 zu einer interessanten Veränderung. profil-Recherchen zufolge wurde die Stiftungsurkunde so geändert, dass Benkos unmittelbare Familienangehörigen künftig mehr Einfluss nehmen könnten. Privatstiftungen sind rechtlich unabhängige Vehikel, die von einem eigenständig agierenden Stiftungsvorstand geleitet werden. Die „Laura Privatstiftung“ verfügt jedoch über einen Beirat, der den Stiftungsvorstand „bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens und der Gewährung von Zuwendungen an die Begünstigten“ berät. Im dreiköpfigen Beirat saßen zuletzt Benko selbst, seine Mutter sowie ein Tiroler Wirtschaftstreuhänder. Bisher war vorgesehen, dass jedes Beiratsmitglied im Normalfall seinen Nachfolger selbst bestimmt. Künftig werden die Beiratsmitglieder allerdings von den Begünstigten der Stiftung gewählt – und zwar nur von solchen, die aus dem engsten familiären Umfeld Benkos stammen. Das ergibt sich aus Firmenbuch-Urkunden. Begünstigte sind – soweit bekannt – Familienmitglieder, aber nicht Benko selbst.
Man schließt also den Familienkreis enger. Kein Wunder: Bei der Laura Privatstiftung geht es um enorme Vermögenswerte. profil berichtete Anfang des Jahres etwa über ein Zinshaus-Portfolio in Innsbruck. Über Zwischenfirmen gehört der Stiftung jedoch auch die Tiroler Villa, die als Wohnsitz von René Benko gilt. Die Firma, die im Grundbuch als unmittelbare Eigentümerin der riesigen Liegenschaft aufscheint, reichte vor wenigen Tagen ihre Bilanzen für die Jahre 2018 bis 2022 im Firmenbuch nach. Per Ende 2022 wies allein diese Firma der Laura Privatstiftung ein Anlagevermögen in der Höhe von 57,5 Millionen Euro aus. Wie so oft im Benko-Reich standen dem allerdings beträchtliche Verbindlichkeiten gegenüber, und zwar im Ausmaß von 62 Millionen Euro. Im Grundbuch
besichert sind 18 Millionen Euro zugunsten der Liechtensteinischen Landesbank. Bekanntlich hat sich auch die Republik
Österreich Ende 2023 ein Pfandrecht von zwölf Millionen Euro gesichert – wegen möglicher Steuerforderungen (diese werden bestritten). Ob auch die Gartendeko der Benkos – ein großer, von Schmetterlingen umgebener Totenkopf im Vorgarten – dann an den Fiskus wandert? Fortsetzung folgt.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.