Die Chronologie: Im Juni 2022 wurde Steinhart Präsident der Ärztekammer. Sein Nachfolger als Kurienobmann wurde Huber. Diesem fielen schon bald Ungereimtheiten in den Finanzen der E4O auf. Umfangreiche Prüfungen führten dann unter anderem zu zahlreichen Verdachtsmomenten gegen ehemalige Geschäftsführer der E4O. Dass die Prüfer in der maroden Firma auf leere Aktenordner und gelöschte Mail-Accounts stießen, erschwerte die Aufarbeitung.
Verfolgte Verfolger
Doch Hubers Aufräumarbeiten brachten diesen selbst in Schwierigkeiten. profil liegt eine Anzeige wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs vor, die gegen Huber Anfang Oktober 2023 eingebracht wurde – gegenseitige Anzeigen sind offenbar das übliche Mittel bei Auseinandersetzungen in der Ärztekammer. Laut dieser Anzeige soll Huber „durch künstlich inszenierte, unrichtige und gezielt manipulierte Berichterstattung“ gegen Ärztekammer-Vertreter einen „kaum wieder gut zu machenden Imageschaden“ sowie einen „beträchtlichen Schaden“ am Vermögen der Kammer verursacht haben. Die „enormen Kosten“ der von ihm beauftragten Anwaltskanzleien hätten die finanziellen Möglichkeiten der Kuriengesellschaften überstiegen. Auf profil-Anfrage erklärt auch die Ärztekammer, dass „durchaus bemerkenswerte Kosten zu Tage getreten“ seien. Diese würden nun wiederum von Experten analysiert und anschließend bewertet werden.
Huber weist die Vorwürfe gegenüber profil zurück: „Mir ging es darum, den Schaden möglichst gering zu halten und die, die den Schaden verursacht haben, zur Rechenschaft zu ziehen.“ Bei allen Zivilprozessen habe man Kosten und Nutzen genau abgewogen, betont er: „Verfahren, die die Qualitätskriterien nicht erfüllt haben, wurden auch nicht geführt.“ Ihm selbst wurden die Auseinandersetzung zu viel. Im Oktober 2023 trat er zurück.
Untersuchung beendet
Neben der Justiz bemühte sich auch die Ärztekammer zunächst selbst um die Aufklärung der Affäre: Im Februar 2023 hatte sie unter großem Aufsehen einen internen Untersuchungsausschuss eingesetzt, um die Vorgänge in der E4O zu beleuchten. Dieser Ausschuss wurde Ende Dezember beendet. Davon wussten allerdings sogar manche Ärztekammer-Funktionäre bisher nicht. Ein Abschlussbericht liegt noch nicht vor – viel verändert hätte er ohnehin nicht mehr.
Denn der politische Kampf um die Ärztekammer-Spitze ist entschieden: Lange Zeit hatte musste von der Affäre angeschlagene Steinhart fürchten, als Ärztekammer-Präsident abgewählt zu werden. Mehrere Spitzenfunktionäre – darunter Huber und der Obmann der Kurie der angestellten Ärzte Stefan Ferenci – stellten sich gegen ihren Präsidenten und forderten öffentlich seinen Rücktritt. Doch Steinhart blieb standhaft und schmiedete eine neue Allianz, ausgerechnet mit seinem Vorgänger als Präsident Thomas Szekeres. Um die Mehrheit in den Kammer-Gremien zu sichern, sollen Funktionäre mit bezahlten Referatsposten versorgt worden sein.
Steinharts Widersacher warfen das Handtuch – oder werden das wie Ferenci im Februar tun. „Nicht immer gewinnen die Guten“, resignierte dieser zuletzt im „Falter“. Erik Huber zeigt sich optimistischer: „Ich bin überzeugt: Am Ende siegt das Gute doch.“
Huber selbst droht allerdings eine weitere Niederlage. Die von ihm im März 2023 initiierte Anzeige gegen Steinhart wegen Nötigung wird bekämpft: Schon Ende August ließ die Ärztekammer per Gutachten prüfen, ob die von Huber beauftragte Kanzlei ihre Verdachtsmomente gegen den Präsidenten überhaupt der Staatsanwaltschaft hätte melden dürfen, obwohl sie auch für die Kammer tätig war. Fazit: Die Anzeige sei „offenkundig geeignet, die Interessen der Ärztekammer für Wien zu beeinträchtigen“, die Kanzlei hätte daher Rücksprache mit der Kammer halten oder ihr Mandat zurücklegen müssen. Allein in Hubers Auftrag zu handeln, reiche nicht.
Auf Anfrage von profil will die Kanzlei mit Verweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht keine konkrete Auskunft geben, erklärt aber: „Schwierig ist die anwaltliche Vertretung immer dann, wenn ein Organwalter selbst von einem Interessenkonflikt betroffen ist und sich mit strafrechtlich relevanten Vorwürfen konfrontiert sieht, die die Interessen der juristischen Person beeinträchtigen könnten.“ Anders gesagt: Sollte Steinhart oder ein anderer Funktionär gegen die Interessen der Ärztekammer verstoßen haben, könne man ihn schlecht fragen, ob man ihn deshalb anzeigen dürfe.
Die Ärztekammer sieht das anders und löste auf Grundlage des Gutachtens das Mandatsverhältnis mit der Kanzlei auf. Der Treppenwitz der Geschichte: Da die Kanzlei die komplexen Wirtschaftsverfahren in der E4O-Affäre an andere Anwälte übergeben musste, steigen die Kosten der Aufklärung für die Ärztekammer weiter.