Aufhebung der Immunität: Neue Vorwürfe gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
Wolfgang Sobotka hat wieder einmal Troubles – dieses Mal historischen Ausmaßes. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat nach profil-Informationen die Aufhebung seiner Immunität beantragt. Das Ersuchen wurde bereits an das Präsidium übermittelt. Grund dafür sind Aussagen von Ex-Finanzgenerelsekretär Thomas Schmid zu angeblichen Steuerinterventionen, es sollen Ermittlungen eingeleitet werden.
Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid hat über eine Steuerprüfung (2017-2018) rund um die Erwin-Pröll-Stiftung berichtet – und gegenüber der WKStA in diesem Zusammenhang von Beeinflussungs- und Interventionsversuchen gesprochen. Das war in der Vergangenheit auch schon Thema des Parlamentarischen U-Ausschusses. Sobotka wies die Vorwürfe bisher strikt zurück. Er stimme nicht, dass er sich an Schmid mit Wünschen gewandt habe. Laut profil-Informationen sind nun neue Chats aufgetaucht, die die Anklagebehörde offenbar doch bewogen haben, weitere Schritte zu setzen. Der ehemalige Sektionschef Eduard Müller (und späterer Minister) soll Schmid eine Nachricht geschickt haben, wo es um die Pröll-Stiftung geht. Diese Nachricht hat der ehemalige Finanzgeneralsekretär selbst der Anklagebehörde vorgelegt.
Dubiose Stiftung
Die Privatstiftung geriet im Jahr 2017 in die Kritik, weil sie zwar über viel Geld verfügte, aber keine sichtbare Tätigkeit entfaltete. Einerseits wurde die Stiftung durch Spenden gespeist – eine größere Summe wurde zum 60. Geburtstag des ehemaligen niederösterreichischen Landeshauptmanns einbezahlt. Andererseits floss Steuergeld: Rund 1,35 Millionen Euro an Förderungen sollen hineingeflossen sein.
Im Mai 2017 wurde sie schließlich aufgelöst, 300.000 Euro Subventionen wurden an das Land Niederösterreich zurückgezahlt. Das Finanzamt wollte bei der Prüfung wissen, ob es sich um Förderungen oder Subventionen gehandelt habe – denn das ist steuerrechtlich anders zu bewerten. Schlussendlich musste im Jahr 2018 dann doch Kapitalertragssteuer nachbezahlt werden.
Sobotka war von April 2016 bis Dezember 2017 Innenminister. Am 20. Dezember 2017 wurde Sobotka als Mitglied des Nationalrats zu dessen Präsidenten gewählt und 2019 wiedergewählt.
Es sind nicht die ersten strafrechtlichen Anschuldigungen, die es gegen Sobotka gibt – es gab in den vergangenen Jahren etliche Anzeigen, Anfangsverdachtsprüfungen – und auch viele Einstellungen. In einer Causa laufen die Ermittlungen allerdings noch. Es geht um angebliche Postenschacherei. Sobotka soll bei der Bestellung des Vizepräsidenten der Landespolizeidienststelle Wien einem Kandidaten den Vorzug gegeben haben - der Mann war der Erstgereihte der Personalkommission. Die WKStA ortet also Amtsmissbrauch und Anstiftung. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Nach profil-Informationen steht die Causa kurz vor einem Abschluss, der Vorhabensbericht soll bereits im Justizministerium liegen.
Ermittlungen gegen Sobotka
Grundsätzlich sind Nationalratsabgeordnete vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt. Damals musste die Immunität nicht aufgehoben werden weil die inkriminierte Handlung vor Sobotkas Nationalratsmandat stattfand und deshalb kein offensichtlicher Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit „des Abgeordneten“ besteht.
Das sieht die WKStA dieses Mal anders: „Im Hinblick auf die bestehende Immunität für Mitglieder des Nationalrates hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wie gesetzlich vorgesehen vor Kurzem ein Ersuchen um Zustimmung des Nationalrates zur strafrechtlichen Verfolgung des Präsidenten des Nationalrates Mag. Wolfgang Sobotka an das Präsidium des Nationalrates gestellt. Gegenstand des Ersuchens an den Nationalrat ist der Vorwurf, der Genannte hätte beim damaligen Generalsekretär des BMF interveniert und ihn dadurch zur missbräuchlichen Erwirkung der Abstandnahme bzw. zur unsachlichen Beeinflussung der Steuerprüfung einer Privatstiftung veranlasst. Bis zur Entscheidung des Nationalrates darüber wurde das Ermittlungsverfahren gegen Mag. Wolfgang Sobotka abgebrochen“, heißt es auf profil-Anfrage. Der Zeitraum der gewünschten Untersuchung beläuft sich von Sommer 2017 bis Herbst 2018.
Dass Strafverfolgungsbehörden um die Aufhebung der Immunität von Nationalratspräsidenten bitten, kam in der Vergangenheit nicht sehr oft vor – aber auch Norbert Hofer und Martin Graf, beide FPÖ, waren in diesen Funktionen davon betroffen.
Die Opposition hat in der Vergangenheit mehrfach den Rücktritt von Sobotka gefordert, auch, weil immer wieder strafrechtlich relevante Vorwürfe aufs Tapet kamen. Sobotka, ein politischer Panzer, dachte bisher nicht daran, dieser Aufforderung nachzukommen und tut es auch jetzt nicht.
Gegenüber profil heißt es aus Sobotkas Büro: „Diese falschen Anschuldigungen wurden bereits vor mehr als einem Jahr öffentlich, weshalb wir eigentlich schon früher mit diesem Schritt gerechnet hätten. Schon damals hat der Präsident des Nationalrates klargestellt, dass die Vorwürfe falsch und auf das Schärfste zurückzuweisen sind. Er wird dementsprechend alles unterstützen, was zu einer raschen Aufklärung führt und den Immunitätsausschuss des Nationalrates bitten, dem Auslieferungsbegehren so rasch wie möglich zu entsprechen, damit die Behörden endlich den Sachverhalt aufklären können“, so der Sprecher des Präsidenten.