Grundsätzlich handelt es sich bei diesem Herunterrechnen auf bestimmte Standard-Längen um eine Industriepraxis, die nicht nur bei HS Timber und nicht nur in Rumänien zum Einsatz kommt. Das Argument: Stämme müssen eben ein paar Zentimeter länger sein als die Latten, die daraus gesägt werden. In Rumänien gab es allerdings 2022 eine Gesetzesänderung. Seither gilt, dass für die Volumenberechnung die „effektive“ Länge des Stammes herangezogen werden muss. HS Timber stellte 2023 seinen Abrechnungsmodus dahingehend um, dass die bis dato nicht separat verrechneten „Überlängen“ nunmehr explizit abgerechnet werden. Auf einer anderen rechtlichen Ebene schaut die rumänische Justiz nun jedoch deutlich weiter zurück – und prüft die steuerliche Seite der Angelegenheit.
Verdacht: Kriminelle Vereinigung
Gemäß Verdachtslage soll eine Reihe von Managern und Mitarbeitern von HS Timber in Rumänien von 2010 bis 2017 eine kriminelle Vereinigung gebildet beziehungsweise unterstützt haben – dies mit dem Ziel, Steuern zu hinterziehen. Die mutmaßliche Steuerhinterziehung soll durch das Nicht-Erfassen der Überlängen – also der Differenz zwischen nominaler und realer Länge der Stämme – in der Buchhaltung oder in anderen Dokumenten stattgefunden haben. Über die Vorwürfe berichtet aktuell die rumänische Investigativplattform „Rise Project“ unter Bezugnahme auf ein DIICOT-Papier aus dem Dezember 2024. profil liegt das Dokument ebenfalls vor.
Darin verweisen die Ermittler auf eine Experten-Berechnung zur Überlängen-Thematik. Demnach soll von 2010 bis 2017 der Erwerb von rund 580.000 Kubikmetern Holz im Wert von rund 158 Millionen Lei (rund 31 Millionen Euro) sowie dessen Weitervermarktung nicht ordnungsgemäß dokumentiert worden sein. Durch den daraus folgenden Umsatzsteuer-Entgang könnte der rumänische Staat um rund 37 Millionen Lei (rund sieben Millionen Euro) geschädigt worden sein.
Geld verschoben?
Laut Verdacht sollen darüber hinaus von 2008 bis 2020 Gewinne in Rumänien – unter anderem auch solche aus den Überlängen – nach Österreich verschoben worden sein. Dies durch die Zahlung mutmaßlicher Schein-Provisionen an die österreichische SPB Beteiligungsverwaltung GmbH. Dadurch soll – so der Verdacht – letztlich in Rumänien die Steuerbemessungsgrundlage reduziert worden sein. Zum Hintergrund: Eine ursprüngliche Firma der Schweighofer-Gruppe mit diesem Namen wurde 2016 aufgespalten. Das Holz-Geschäft – genauer: der „Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen der holzverarbeitenden Industrie“ – und der Name gingen auf eine neue Firma über. Diese wurde später in „HS Timber Group GmbH“ umbenannt und ist eine wichtige Holding-Gesellschaft der Holz-Gruppe.
„Alle Verpflichtungen eingehalten“
Ein Sprecher von HS Timber teilte auf profil-Anfrage mit, die Firma in Rumänien, deren frühere Manager nun in Verdacht stehen, habe „stets in Übereinstimmung mit allen geltenden nationalen und internationalen Rechtsvorschriften gehandelt“. Seit vielen Jahren seien „umfangreiche Anstrengungen zur Förderung von Nachhaltigkeit und Transparenz in der Holzindustrie unternommen“ sowie ein umfassender Aktionsplan „entwickelt und umgesetzt“ worden. „Diese Bemühungen gingen weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus“, betont der Holzkonzern und hält fest: „Das Unternehmen hat und wird stets uneingeschränkt mit Behörden zusammenarbeiten, um eine umfassende Transparenz zu gewährleisten. Die Einhaltung aller geltenden nationalen und internationalen Rechtsvorschriften ist eine grundlegende und selbstverständliche Verpflichtung.“
profil hat in der Vergangenheit mehrmals zur Überlängen-Thematik berichtet und im Zuge der damaligen Recherchen wiederholt und ausführlich mit HS Timber kommuniziert. Eine der Kernfragen ist, ob der Konzern seine Lieferanten für die Überlängen bezahlt hat oder nicht. Diesbezüglich hatte es zunächst geheißen, es werde „der grundsätzlich nutzbare Zylinder, nicht der Stamm“ gekauft. Später argumentierte das Unternehmen dann, die Überlängen wären „integraler Bestandteil der zugelieferten Ware, für die wir natürlich den vereinbarten Preis zahlen“.
Die Frage des Weiterverkaufs
Wie das genau gehandhabt wurde, könnte nun auch in den Ermittlungen eine Rolle spielen. War das zusätzliche Holz ohnehin eingepreist, wäre zumindest der Ankauf nicht quasi unter der Hand erfolgt. Diffizil ist jedoch auch die Frage, was in der Folge mit dem abgeschnittenen Holz aus den Überlängen – den sogenannten Kappstücken – passiert ist. Und in welchem Ausmaß HS Timber diese zu Geld machen konnte.
Auf eine frühere profil-Anfrage hatte HS Timber zunächst mitgeteilt, dass „Sägenebenprodukte, zu denen auch Kappstücke gehören (…) verkauft oder zu Hackschnitzel oder Pellets verarbeitet“ würden. Später hieß es dann allerdings, man verarbeite lediglich rund 50 Prozent der Sägenebenprodukte zu Pellets: „Wir brauchen dafür kein Holz aus Überlängen.“ Konkrete Zahlen zu Umsatz und Gewinn aus der Weiterverarbeitung beziehungsweise dem Weiterverkauf der Kappstücke blieb HS Timber schuldig. Es wurde jedoch darauf verwiesen, dass Holz aus Überlängen gemeinsam mit anderen Abfällen aus dem Sägeprozess als Industrieholz weiterverkauft werde – wobei dieses Industrieholz „zum überwiegenden Großteil aus dem Sägeprozess selbst“ stamme.
Alles ein großes Holz-Gemisch? HS Timber wird dieses für die rumänischen Ermittler nun wohl genau auseinanderklauben müssen.