Signa

Benko: Schuldner der Nation

Normalerweise beschäftigt sich die Bankenaufsicht mit Banken und nicht mit einzelnen Kreditkunden. Bei der massiv verschuldeten Signa-Gruppe war das anders. Die Prüfer wollten sichergehen, dass ein Zusammenbruch keinen System-Crash auslösen würde. profil liegen erstmals interne Dokumente dazu vor.

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Der Edelzwirn sitzt noch gut, aber die Anspannung ist nicht wegzulächeln. René Benko hockt mit angezogenen Schultern und leicht zusammengekniffenen Augen da. Als wäre er auf der Lauer. Immer wieder atmet er tief ein und setzt zu einer Antwort an. Dann atmet er doch wieder aus und nimmt seinen Finger vom Mikrofonknopf. Der Blick wandert zu seinem Anwalt, Norbert Wess. Sie tuscheln – immer und immer wieder. Am vergangenen Mittwoch musste Signa-Gründer Benko einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Dieses Mal musste er das wirklich. Nach einer Absage im April hätte ihn sonst die Polizei abgeholt und vorführen lassen.

Die Mandatare hatten eine Menge Fragen an den gefallenen Milliardär, dessen Immobilien- und Handelsimperium Ende des Vorjahres wie ein Kartenhaus zusammenbrach. Beantworten wollte Benko fast keine davon – zumindest nicht im Detail. Er konnte sich entweder nicht erinnern oder entschlug sich, um sich in der anrollenden Verfahrensflut nicht möglicherweise selbst zu belasten.

Von Benkos eingestürztem Imperium sind heute halbfertige Baustellen und Milliarden- schulden übrig. Seine Signa hat die größte Pleite in Österreichs Wirtschaftsgeschichte hingelegt, die Passiva übersteigen zehn Milliarden Euro. Er selbst musste im Februar Insolvenz in seiner Funktion als Unternehmer anmelden. Und just am Tag seiner Befragung im Untersuchungsausschuss fand am Landesgericht Innsbruck die Prüfungstagsatzung im Konkursverfahren gegen die „Familie Benko Privatstiftung“ statt – eines seiner Vermögensvehikel, jedoch nicht sein einziges. 20 Gläubiger fordern hier 2,3 Milliarden Euro.

Benko und seine Signa sind so etwas wie die Schuldner der Nation – und sie waren das bereits 2022. Damals kam es zu einem höchst ungewöhnlichen Vorgang. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) und die Finanzmarktaufsicht (FMA) prüfen normalerweise Banken, nicht einzelne Kreditkunden. Bei Signa wollte man jedoch bereits damals sichergehen, dass ein möglicher Zusammenbruch nicht das heimische Finanzsystem mitreißen würde. Die Bankenaufseher beschäftigten sich monatelang mit Signa. OeNB-Dokumente, die profil exklusiv vorliegen, zeigen nun erstmals, was sich damals hinter den Kulissen abspielte.

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.