Aussagen von Haselsteiner & Co: Was René Benko ins Gefängnis brachte
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„Rene, darf ich mir 1,5 Mio aus der LPS nehmen um das Finanzamt auf den verschiedensten Ebenen zu bedienen“, schrieb ein mit Zahlungsvorgängen betrauter Mitarbeiter aus dem Reich von Signa-Gründer René Benko im Februar 2023 an den Immobilien-Tycoon. Benko soll binnen Sekunden mit „ja“ geantwortet haben. Das Problem dabei: „LPS“ steht aller Wahrscheinlichkeit nach für „Laura Privatstiftung“. Und bei der hat Benko offiziell eigentlich gar nichts zu sagen. Aber was lief inoffiziell?
Es sind Ermittlungsergebnisse wie diese, die Benko vergangene Woche in Untersuchungshaft gebracht haben. Am Donnerstag war der Gründer der Ende 2023 zusammengebrochenen Signa-Gruppe in Innsbruck festgenommen worden. Mittlerweile sitzt er in Wien in der Justizanstalt Josefstadt – profil berichtete. Als das Landesgericht Wien am Freitag über die U-Haft entschied, machte Benko zu den Vorwürfen gegen ihn keine Angaben. profil hat nun recherchiert, was im Detail in der Festnahmeanordnung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) steht.
Die Stiftung und der Lebensstil
Ein zentraler Punkt: die von Benko mit seiner Mutter gegründete „Laura Privatstiftung“, in der wesentliche Teile des Familienvermögens gebunkert sind. Vereinfacht gesagt, ermöglichte es die Stiftungskonstruktion dem Signa-Gründer bisher, trotz persönlicher Pleite als Einzelunternehmer im März 2024 weiterhin wie ein Milliardär zu leben. Allerdings kann Benko offiziell nur indirekt davon profitieren: Zum Begünstigtenkreis der Stiftung zählen – jedenfalls auf dem Papier – enge Familienmitglieder, nicht jedoch er selbst. Das macht die Situation etwas kompliziert, hat aber den Nebeneffekt, dass das in der Stiftung liegende Vermögen bis dato immun gegen den Zugriff des Insolvenzverwalters und der Gläubiger ist.
Aufgrund umfangreicher Ermittlungen hegt die WKStA nun jedoch den Verdacht, dass „die Stiftungskonstruktion lediglich zum Schein besteht und vorrangig dazu dient, nach wie vor vorhandenes Vermögen, das faktisch René Benko zuzurechnen ist, weiterhin dem Zugriff der Behörden, Masseverwalter und Gläubiger zu entziehen und ihm dennoch über seine Mutter als Strohfrau erhebliche finanzielle Zuwendungen, geldwerte Nutzungen und eine faktische Zugriffsmöglichkeit zu gewähren“. So steht es – profil-Recherchen zufolge – in der nicht ganz vierzig Seiten umfassenden Festnahmeanordnung. Damit argumentiert die WKStA die aus ihrer Sicht bestehende Tatbegehungsgefahr – neben Verdunkelungsgefahr einer der beiden Haftgründe, welche Benko nun zumindest vorübergehend ins Gefängnis gebracht haben.
Haselsteiner: „Das macht die Mama"
Wie kommt die WKStA darauf? Einerseits führt sie Erkenntnisse aus abgehörten Telefonaten und aus der Auswertung von E-Mails und Handy-Chats ins Treffen. Andererseits verweisen die Ermittler auf zahlreiche Zeugenaussagen. Befragt wurden dabei nicht nur Mitarbeiter aus dem Benko-Reich, sondern auch höchst prominente Investoren. Einer davon: Hans Peter Haselsteiner, Gründer des Baukonzerns Strabag und Signa-Großinvestor.
Gemäß Darstellung der WKStA äußerte Haselsteiner als Zeuge unter Wahrheitspflicht die Vermutung, Benkos Mutter habe alles unterfertigt, was ihr Sohn ihr vorgeschlagen habe. Die Laura Privatstiftung habe sich – soweit er sich erinnern könne – niemals von sich aus in eine Vereinbarung eingebracht, sondern es sei Benko gewesen, der gemeint habe „das macht die Laura Privatstiftung beziehungsweise das macht die Mama“. Oder: „Die Mama kriegt immer von der Laura Privatstiftung das Geld und die Mama schenkt es mir.“ Ein weiterer hochrangiger Signa-Investor soll ausgesagt haben, Benko sei sowohl in der Signa-Gruppe als auch in der Firmengruppe rund um die Laura Privatstiftung „allmächtiger Alleinherrscher“ gewesen. In der Festnahmeanordnung hält die WKStA trocken fest: „Seine Angaben werden durch vorliegende Whats-App-Nachrichten gestützt.“
Anwalt: „Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen“
Benko hat immer bestritten, im Hintergrund so etwas wie der faktische Machthaber oder Geschäftsführer der Signa-Gruppe beziehungsweise der Laura Privatstiftung gewesen zu sein. Zu den nun auf dem Tisch liegenden Vorwürfen machte er am Freitag gegenüber dem Gericht keine Angaben. Daraufhin wurde U-Haft gegen ihn verhängt. Benkos Rechtsanwalt Norbert Wess ließ danach wissen: „Wir haben die Gerichtsentscheidung zur Kenntnis zu nehmen, möchten diese öffentlich aber nicht weiter kommentieren.“ Spätestens am 7. Februar muss das Gericht entscheiden, ob die U-Haft fortgesetzt wird. Es gilt in vollem Umfang die Unschuldsvermutung.
In Zusammenhang mit der Laura Privatstiftung geht es – gemäß Verdachtslage – nicht um irgendwelche Nebensächlichkeiten, sondern immerhin um den Vorwurf der betrügerischen Krida. profil-Informationen zufolge geht die WKStA davon aus, dass Benko entgegen der offiziellen, rechtlichen Ausgestaltung der Stiftung „einem Eigentümer gleich die Belange der Stiftung lenkt, unmittelbar über ihr Vermögen verfügt und sich finanzielle Zuwendungen in beträchtlichem Ausmaß zur Finanzierung seines aufwendigen Lebensstils aneignet“. Der – eigentlich zuständige – Stiftungsvorstand sei „durch beeinflussbare Vertrauensleute“ besetzt worden.
Benko-Gegenstände durch „Strohleute“ zurückgekauft?
Aus Telefonüberwachungen und einer Zeugenaussage von Benkos Insolvenzverwalter schließt die WKStA übrigens auch, dass wesentliche Vermögensgegenstände Benkos, die bisher im Rahmen des Insolvenzverfahrens versteigert worden sind, „von dessen Mutter beziehungsweise sonstigen Strohleuten für ihn zurück erworben wurden“. Diesbezüglich liege nahe, dass das Geld dafür aus der Laura-Gruppe stamme. Benko selbst habe sogar versucht, Einfluss auf die Versteigerung zu nehmen. Der Signa-Gründer habe einen Mitarbeiter des Auktionshauses angerufen, um „mit allen Mitteln“ eine Termin-Verschiebung zu erreichen. Ein versteigertes Boot Benkos soll nach dem Rückerwerb von einem Stiftungsvorstand der Laura Privatstiftung, der früher Benkos Pilot gewesen ist, abgeholt worden sein.
„Zahlreiche weitere Protokolle zeigen, dass die Stiftungskonstruktion lediglich nach außen hin zum Schein Bestand hat“, fasst die WKStA zusammen. Nicht zuletzt gehört der Laura Privatstiftung auch jene Villa in Igls, südlich von Innsbruck, in der Benko zuletzt hauptgemeldet war. Die Ermittler bezeichnen das zig Millionen Euro teure Gebäude als „Villa N“. Dort sei monatelang überhaupt keine Miete bezahlt worden, heißt es profil-Recherchen zufolge in der Festnahmeanordnung: Es sei „nicht ersichtlich, dass ein „an wirtschaftlichen Kriterien orientierter Vermieter“ eine „vermögenslose und insolvente Person mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 4000 Euro“ monatelang in einem Haus mit einer – medial kolportierten – Monatsmiete von rund 245.000 Euro wohnen lassen würde, wenn auch von Dritter Seite keine Miete bezahlt werde.
Und noch ein Geldtopf
Die Laura Privatstiftung ist nicht der einzige Geldtopf der Familie Benko. Es gibt unter anderem auch noch die „INGBE Stiftung“ in Liechtenstein. In der Festnahmeanordnung verweist die WKStA darauf, dass am 22. November und am 12. Dezember 2023 von der INGBE Stiftung insgesamt fünf Millionen Euro auf ein Konto von Benkos Mutter überwiesen wurden. Rund vier Millionen Euro seien in der Folge auf ein Konto Benkos weitergeflossen. Zur zeitlichen Orientierung: Am 29. November 2023 war mit der Pleite der Dachgesellschaft „Signa Holding“ das Ende der Immobiliengruppe eingeläutet.
Die WKStA untermauert in der Festnahmeanordnung die – aus ihrer Sicht – herausragende Rolle der Stiftungen für Benko: Der Großteil der Zahlungseingänge im Jahr 2023 auf dem privaten Konto Benkos sei letztlich „aus den Sphären der Laura Privatstiftung sowie der INGBE Stiftung“ gekommen. Die Ermittlungen hätten gezeigt, dass Benko aus „eigenen Einkünften“ im Jahr 2022 nur rund 25 Prozent und von Jänner 2023 bis Februar 2024 rund 21 Prozent „der Aufwendungen für seine und die Lebensführung seiner Familie bestreiten konnte“. Der Rest sei „vorgeblich“ durch Darlehen, Prämien-Akontos und „Überträge“ finanziert worden.
Im Juni 2024 fand in der „Villa N“ eine Hausdurchsuchung statt, bei der unter anderem 15 Schusswaffen sichergestellt wurden. Die Ermittler hegen den Verdacht, dass zumindest ein Teil der Waffen zum Schein von Benko an eine Firma der Laura Privatstiftung verkauft worden ist, welcher ein Jagdgut in der Steiermark gehört. In Bezug auf drei Waffen mit einem Anschaffungswert von 25.000 Euro besteht laut WKStA der Verdacht, dass auf einen „Scheinverkauf“ vergessen wurde, im Nachhinein jedoch eine entsprechende „Weiterverrechnung“ fingiert worden sei. Diese – laut Verdachtslage: nachträglich hergestellte – Rechnung ließ Benko über seine Anwälte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vorlegen. Die WKStA hegt den Verdacht der Beweismittelfälschung – und sieht den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gegeben.
Mutmaßliches 35-Millionen-Karussell
Neben dem Krida-Vorwurf stützt die WKStA den dringenden Tatverdacht gegen Benko, der Grundlage für die U-Haft ist, auch noch auf zwei weitere Verdachtskomplexe. So steht gegen den Signa-Gründer Betrugs- und Untreueverdacht in Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung bei der Signa Holding im Jahr 2023 im Raum. Kurz zusammengefasst, sollen Investoren dazu verleitet worden sein, Geld zuzuschießen, indem ihnen vorgespiegelt worden sei, die „Familie Benko Privatstiftung“ würde ebenfalls Geld in die Hand nehmen. Dabei handelt es sich um eine dritte Stiftung aus dem Benko-Reich. Gemäß Verdachtslage soll die Stiftung jedoch gar nicht über ausreichende Mittel verfügt haben. Stattdessen sollen rund 35 Millionen Euro, die andere Investoren bereits einbezahlt hatten, im Kreis geschickt worden sein.
Zum Hintergrund: Schon Anfang 2023 zeichnete sich bei Signa ab, dass das Geld knapp wird. Zum einen drohten in diesem Jahr massive Abschreibungen und Wertberichtigungen der einst sehr hoch bewerteten Luxus-Immobilien im Signa-Reich. Die EZB hatte wegen der hohen Inflation die Zinsen angehoben, der Immobilienmarkt geriet in ganz Europa unter Druck und das hatte natürlich auch Auswirkungen auf Signa. Zum anderen war Benkos Signa-Imperium massiv verschuldet. Wie aus einigen Signa-Bilanzen aus dem Jahr 2022 hervorgeht, sollten 2023 zahlreiche Kreditrückzahlungen und eine Anleihen-Tilgung anstehen. Der Kapitalbedarf war jedenfalls riesig. Signa brauchte internen Unterlagen zufolge um die 350 Millionen Euro an Cash. Und dafür benötigte Signa dringend frisches Geld – auch von den eigenen Investoren.
Benko sollte hier mit guten Beispiel vorangehen und zunächst in die eigene Tasche greifen – oder zumindest sollte es so aussehen. Heute ist bekannt, dass zumindest zwei Investoren Benkos Kapitalaufruf folgten. Signa Investor Ernst Tanner schoss Ende Juni 2023 2,1 Millionen Euro zu. 33,25 Millionen kamen vom Investor Eugster/Frismag, dessen Anteile treuhändig die „Familie Benko 2017 GmbH“ hielt. Mehr als 50 Millionen Euro wollte Benko auch von der Haselsteiner Familien-Privatstiftung und weitere 8,6 Millionen Euro von Fressnapf-Gründer Thorsten Toeller. Zu einer Auszahlung kam es dann aber doch nicht. Heute sind Toeller und Haselsteiner Zeugen im spektakulären Wirtschaftskrimi Signa.
Ein perplexer Stiftungsvorstand
Tatsächlich solle es sich beim Geld, das Benkos Familienstiftung dann bei der Signa Holding einzahlte, laut den Ermittlern aber Großteils um das Geld von Eugster/Frismag gehandelt haben, das durch eine Reihe an Überweisungen schlicht im Kreis geschickt worden sein soll. Ende Juni 2023 etwa flossen 28 Millionen Euro von der Signa Prime, der besonders werthaltigen Gesellschaft mit zahlreichen Luxusimmobilien, an die Signa Development, der Entwicklungssparte des Immobilien-Konglomerats. Und zwar ohne einen hinreichenden Rechtsgrund oder wirtschaftlicher Notwendigkeit, meinen die Ermittler. Ungefähr zeitgleich soll die Familie Benko Privatstiftung, die mittlerweile insolvent ist, einen „nicht fremdüblichen“ Kreditvertrag mit der Laura Finance Holding in der Höhe von 35,35 Millionen Euro geschlossen haben. Überwiesen wurde das Geld aber letzten Endes von der Signa Development. Die Laura Finance soll wiederum genau 35,35 Millionen Euro von der Laura Holding als Kredit bekommen kommen haben.
Gemäß Verdachtslage ergab sich eine Kaskade an Überweisungen über mehrere Unternehmen hindurch, die letzten Endes nur den Anschein erwecken sollten, Benko habe Geld aus seiner eigenen Familienstiftung für die Stützung der Signa in die Hand genommen.
Zu diesem Zeitpunkt verfügte aber Benkos Familienstiftung laut den Ermittlern gar nicht mehr über so viel Geld und wäre somit gar nicht im Stande gewesen, eine Kapitalerhöhung zu tätigen. Bezeichnend dazu sind die Aussagen eines ehemaligen Stiftungsvorstands gegenüber den Ermittlern. Sinngemäß sei er völlig perplex gewesen, woher die Familie Benko Privatstiftung das Geld für eine solche Auszahlung überhaupt herhabe. Und dass er auch trotz mehrmaliger Nachfrage keine Antwort darauf bekommen habe, wo denn nun die 35 Millionen herkommen. Dass Millionen in eine Stiftung ein- und ausgehen, ohne dass der zuständige Vorstand diese Zahlungen nachvollziehen kann, ist ein durch und durch unüblicher Umstand.
Laut dem Insolvenzverwalter von Benkos Familienstiftung soll seit Sommer 2023 – also praktisch zur Zeit der Kapitalerhöhung – die Stiftung schon zahlungsunfähig gewesen sein. Auf ihren Konten seien nur noch ein paar tausend Euro und keine 35 Millionen Euro gelegen.
Vorwurf zu Villen-Firma
Der dritte Vorwurf, auf den die WKStA den dringenden Tatverdacht stützt, bezieht sich auf die Übertragung einer Villen-Projektfirma von der Signa Holding an die INGBE Stiftung. Die Stiftung bezahlte nicht mit Geld sondern mit Aktien der „Signa Prime Selection AG", in der wichtige Immobilien gebündelt sind. Die Ermittler hegen jedoch – kurz gesagt – den Verdacht, dass die Aktien zum fraglichen Zeitpunkt nicht mehr den entsprechenden Wert hatten.
All das ist jetzt ein Fall für die Justiz. Die ermittelt nicht nur gegen René Benko selbst, der in U-Haft sitzt. Auch gegen zahlreiche ehemalige Signa-Manager und weitere Personen laufen Erhebungen. Ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.