Blindflug am Airport: Wer steckt hinter dem größten Aktionär des Wiener Flughafens?
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Wer kontrolliert die Flughafen Wien AG? In wessen Händen liegen die derzeit 84 Millionen Stück Aktien der Gesellschaft, die seit 1992 an der Wiener Börse notieren? Die Antworten darauf schienen lange Zeit berechenbar, im wahrsten Sinne: Die Länder Niederösterreich und Wien halten jeweils 20 Prozent – und weil sie ein Syndikat bilden (also in Hauptversammlungen stets akkordiert abstimmen), bilden sie auch die größte Aktionärsgruppe. Zehn Prozent der FWAG-Aktien hält die „Flughafen Wien Mitarbeiterbeteiligung Privatstiftung“, welche die Interessen der gut 4500 Beschäftigten in Wien-Schwechat vertritt.
Und dann wäre da noch eine Luxemburger GmbH namens „Airports Group Europe S.à.r.l.“, die in den vergangenen acht Jahren nach und nach Aktien auf dem freien Markt aufgekauft hat. Diese Firma wird einem „australischen Fonds“ namens „IFM Global Infrastructure Fund“ zugerechnet. 2014 hatten die „Australier“, wie sie zuweilen auch genannt werden, auf einen Schlag 29,9 Prozent des Flughafens erworben, 2016 wurde auf 38,1 Prozent aufgestockt, mittlerweile kommen sie auf knapp über 40 Prozent – und wollen noch mehr.
Die „IFM-Gruppe“, wie sie schließlich auch genannt wird, betreibt die Übernahme des weitaus größten Teils des verbliebenen Streubesitzes – im Wege eines bis 6. Oktober befristeten „öffentlichen Teilangebots“ (dazu später).
Am Ende dieses Prozesses könnten sich die seit Jahrzehnten etablierten Machtstrukturen in der Flughafen Wien AG nachhaltig verschoben haben: Die Länder Wien und Niederösterreich wären nicht länger die größte Aktionärsgruppe (was sie richtigerweise schon jetzt nicht mehr sind) – sondern die nach Down Under verorteten Investoren.
In dieser Geschichte ist so einiges nicht stimmig, wie eine mehrwöchige Spurensuche von profil und ORF ergab. Das auch vom Vorstand der Flughafen Wien AG immer wieder bediente Narrativ der „Australier“ hat Schwächen und Lücken, deutliche sogar.
Die Spurensuche führt von Wien-Schwechat zu einem schmucklosen Bürohaus mit viel Glasfläche am Boulevard de la Foire in Luxemburg, in dessen Foyer sich Hunderte Firmen einige wenige Briefkästen teilen, von da ins Firmenbuch des Herzogtums, von da zu einer Treuhandgesellschaft auf den Cayman Islands und von da zu einer großen Anwaltskanzlei in Hamilton auf Bermuda, die seit Jahrzehnten im Offshore-Geschäft etabliert ist. Man muss schon lange und umwegreich suchen, um dann irgendwie doch in Australien zu landen.
Eigentümer? Unbekannt
Wer sind nun die tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentümer von womöglich bald 49,99 Prozent der Flughafen Wien AG, immerhin eines der größten Infrastrukturunternehmen des Landes, in öffentlichem Teileigentum zumal? Verblüffende Antwort: Man weiß es nicht. Die Spurensuche endet in der westlichen Karibik, selbst das Management des Flughafens muss zugeben, keine Ahnung zu haben, wem all diese Anteile eigentlich letztgültig zuzurechnen sind.
Die Recherchen führen zu einem Geflecht aus Offshore-Gesellschaften, Treuhändern und Treuhandverhältnissen, dessen schematische Darstellung in einigermaßen verständlicher Weise durchaus herausfordernd war (siehe dazu das Organigramm, das übrigens keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt).
Schauplatz Luxemburg
Boulevard de la Foire Nummer 1-3, Luxemburg. Im Eingangsbereich des fünfstöckigen Bürokomplexes mit dem Namen „Stargate“ findet sich eine Handvoll Briefkästen. Was auf den ersten Blick ganz überschaubar wirkt, muss bei näherer Betrachtung der Albtraum eines jeden Postlers sein: Die einzelnen Briefkästen sind mit Aufklebern oder angehefteten DIN-A4-Listen beschriftet – teilweise klein bedruckt. Insgesamt firmieren hier weit mehr als zweihundert Gesellschaften. Dass nicht alle von ihnen über eigene Büroräumlichkeiten oder gar Personal verfügen, liegt auf der Hand: Weshalb sollte man sich sonst den Briefkasten teilen? Das Gründen und Verwalten von Firmen als Massengeschäft ist ein typisches Merkmal von Offshore-Oasen in aller Welt, zu denen letztlich auch Luxemburg zählt.
Dass einer der Briefkästen im Foyer der Firmengruppe eines sanktionierten russischen Oligarchen zuzurechnen ist, wirkt fast schon symptomatisch.
Die Flughafen-Großaktionärin Airports Group Europe S.à.r.l. scheint auf einem Briefkasten auf, den sie sich mit 16 weiteren Firmen teilt. Dabei könnte sich die Gesellschaft locker einen eigenen leisten – und zwar aus purem Gold.
Im Luxemburger Bürokomplex "Stargate" teilen sich mehr als 200 Firmen einige wenige Briefkästen. Die Flughafen Wien-Großaktionärin „Airports Group Europe S.à.r.l. (und ihre Muttergesellschaft) sind auch zu finden.
Von 2015 bis 2019 vereinnahmte die Airports Group, wie sich aus ihren Jahresabschlüssen ableiten lässt, insgesamt rund 97 Millionen Euro aus Dividenden ihrer einzigen Beteiligung, der Flughafen Wien AG. Darin enthalten ist auch ein zunächst steuerrechtlich umstrittener Teilbetrag von rund 2,6 Millionen Euro – dazu später mehr. 2020 und 2021 verzichtete die österreichische Flughafen-Betreibergesellschaft corona-bedingt zwar auf Gewinnausschüttungen. Nichtsdestoweniger findet sich im Jahresabschluss der luxemburgischen Airports Group für das Geschäftsjahr 2021 ein nicht näher bezeichneter Beteiligungsertrag („other income from participating interests“) von 20,2 Millionen Euro. Wie genau dieser zustande kam, geht daraus nicht hervor. Insgesamt verbuchte die Firma in den vergangenen Jahren rund 117 Millionen Euro in Zusammenhang mit dem Investment in den Flughafen Wien-Schwechat.
Nicht schlecht für ein Unternehmen, das allem Anschein nach keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt, dafür aber dieselben Geschäftsführer hat wie die unmittelbare Muttergesellschaft.
Diese Mutterfirma heißt Global InfraCo S.à.r.l. und hat ihren Sitz an derselben Adresse in Luxemburg. Ihr Name findet sich dort auf gleich zwei Briefkästen (jeweils wieder neben etlichen anderen Namen). Auf der Spur des Flughafen-Geldes ist die Global InfraCo jedenfalls die nächste Station: Die Airports Group leitet nämlich den Großteil der aus Österreich stammenden Gelder an sie weiter – und zwar in Form von Dividenden.
Von 2015 bis 2021 schüttete die Airports Group rund 94 Millionen Euro an ihre Muttergesellschaft Global InfraCo aus. Laut den im Firmenbuch Luxemburg hinterlegten Jahresabschlüssen hatte diese Global InfraCo wiederum hohe Zinszahlungen an ihre Eigentümer mit Sitz auf den Cayman Islands zu leisten.
Schauplatz Finanzamt
Dass die Konstruktion – möglicherweise sogar auf missbräuchliche Art - dazu dienen könnte, Steuern zu minimieren, vermuteten bereits das österreichische Finanzamt und in der Folge sogar das Bundesfinanzgericht. 2015 kassierte die luxemburgische Airports Group erstmals Dividenden der FWAG (für das Jahr 2014). Der Flughafenbetreiber zog jedoch die Dividenden-Kapitalertragsteuer ab und überwies diese der Finanz - immerhin ein Betrag von rund 2,6 Millionen Euro. Angesichts der beträchtlichen Summe verwundert es nicht, dass sich die Airports Group um eine Erstattung bemühte. Das ist im Ausland ansässigen Aktionären österreichischer Aktiengesellschaften unter bestimmten Bedingungen rechtlich durchaus möglich. Zum Beispiel dann, wenn sie wirtschaftlich in einem anderen EU-Land beheimatet sind.
Das zuständige Finanzamt schob dem Ansinnen einer Steuererstattung im Jahr 2016 jedoch zunächst einen Riegel vor. Begründung: Die von der Airports Group vorgelegten Unterlagen hätten nicht ausgereicht, um den Verdacht zu entkräften, dass die Firmenkonstruktion geschaffen worden sei, um missbräuchlich Steuern zu vermeiden. Aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei die Gewinnausschüttung - kurz gesagt - nämlich nicht den Firmen in Luxemburg, sondern dem außerhalb der EU ansässigen Fonds zuzurechnen.
Die Airports Group wehrte sich gegen diese Einschätzung. Zunächst gab das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt Recht. Im Jahr 2019 siegte jedoch die Airports Group in letzter Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Im Rahmen des Verfahrens war unter anderem festgestellt worden, dass die Global InfraCo seinerzeit lediglich einen Geschäftsführer, einen Bilanzbuchhalter und einen Büroleiter beschäftigt hatte. Der VwGH meinte jedoch, dass sich daraus nicht das Fehlen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ableiten ließe.
Mittlerweile dürfte sich die Belegschaft in Luxemburg ein wenig vergrößert haben: Gemäß dem jüngsten veröffentlichten Jahresabschluss beschäftigte die Global InfraCo im Jahr 2021 - inklusive Management - elf Mitarbeiter. Für ein Unternehmen mit einer Bilanzsumme von mehr als elf Milliarden Euro und rund einem Dutzend Beteiligungen scheint auch das nicht übertrieben viel zu sein. Wie dem auch sei: Letztlich ergibt sich aus der VwGH-Entscheidung wohl, dass die Dividenden der FWAG steuerfrei nach Luxemburg fließen dürfen - zulasten des österreichischen Steueraufkommens.
Schauplatz Cayman Islands
Folgt man den gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen, führt der Weg von Luxemburg auf die Cayman Islands. Dort hat die Treuhandfirma Conyers Trust Company (Cayman) Limited ihren Sitz, auf Grand Cayman um genau zu sein, der größten der drei Kaiman-Inseln. Die sind zwar nach Krokodilen benannt, hauptsächlich aber dafür bekannt, ein diskretionäres wie steuerschonendes Umfeld für Finanzgeschäfte aller Art zu bieten. Die Caymans sind eines der weltweit ältesten Briefkastenparadiese.
Conyers Trust, vormals Codan Trust, erbringt „Offshore Trust Services“, Treuhanddienstleistungen, für Leute, die sich das leisten können und wollen. Wer im Geschäfts- und Geldverkehr selbst nicht in Erscheinung treten will, womöglich auch den einen oder anderen netten Steuervorteil nutzen kann, der bucht die Dienste von Treuhändern wie Conyers.
Errichtet wurde die Firma auf Grand Cayman von der im Offshore-Geschäft tatsächlich traditionsreichen Anwaltskanzlei Conyers Dill & Pearman, die ihren Stammsitz auf Bermuda hat, einem britischen Überseegebiet im Atlantik.
Gegründet 1928 vom namensgebenden Juristen Sir James Reginald Conyers, genannt „Reggie“, einem passionierten Cricket-Spieler, „Commander of the Order of the British Empire” (1879-1948), zählt die Kanzlei längst zu den bedeutendsten Anbietern der Branche: Büros auf Bermuda, den Cayman Islands, den British Virgin Islands, in Hongkong, Singapur und London. Nicht ohne Grund wird Conyers Dill & Pearman dem „Offshore magic circle“ zugerechnet – ein ironisierender Sammelbegriff für die größten multinationalen Anwaltskanzleien mit einschlägiger Expertise.
Da verwundert es auch nicht, dass der Name „Conyers“ im einen oder anderen Offshore-Daten-Leak der vergangenen Jahre auftaucht. So spielen die Offshore-Experten etwa eine zentrale Rolle in einem Rechercheprojekt namens „Mauritius Leaks” des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ)
Die bereits genannte Conyers Trust Company (Cayman) Ltd. ist insofern von zentraler Bedeutung, als dort die Fäden der Beteiligung am Flughafen Wien-Schwechat zusammenlaufen. Die Firma auf den Cayman Islands ist die Alleingesellschafterin der Luxemburger Holding Global InfraCo S.à.r.l., die wiederum Alleingesellschafterin der Luxemburger Airports Group Europe S.à.r.l. ist, die wiederum als Flughafen-Großaktionärin auftritt.
Man kann es auch von unten nach oben erzählen: Bereits gut 40 Prozent der Flughafen Wien AG-Aktien – also so viel wie Niederösterreich und Wien zusammen halten – werden von einer Luxemburger Firma kontrolliert, die einer weiteren Luxemburger Firma gehört, die einer von Offshore-Anwälten eingerichteten Treuhandfirma auf den Cayman Islands gehört, die ihre wirtschaftlichen Eigentümer nicht offenlegt – was ja der Witz an der Sache ist. In der öffentlichen Angebotsunterlage zum laufenden Übernahmeangebot heißt es dazu nur: „Conyers Trust hat mehrere indirekte Gesellschafter, von denen jedoch wirtschaftlich keiner mehr als 5 Prozent der Anteile oder eine kontrollierende Beteiligung hält.“
Flughafen: „Eigentümer sind nicht bekannt.”
profil und der ORF übermittelten dem Flughafen am Montagnachmittag eine umfangreiche Anfrage, in der tags darauf übermittelten Stellungnahme heißt es unter anderem: „Die hinter Conyers Trust Company (Cayman) stehenden Eigentümer sind nicht bekannt.“
Aber was hat all das nun mit dem vielzitierten „australischen Fonds“ IFM zu tun?
An diesem Punkt der Geschichte wird es noch merkwürdiger. Denn weder gibt es den Fonds im gesellschaftsrechtlichen Sinne, schon gar nicht ist er „australisch“. Wenn in der Vergangenheit in Medienberichten (oder Stellungnahmen des Flughafens) von IFM die Rede war, dann war stets der „IFM Global Infrastructure Fund“ gemeint, kurz IFM GIF.
Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Fondsgesellschaft im Sinne einer juristischen Person. Der IFM GIF ist ein nach dem Treuhandgesetz der Caymans Islands errichteter „Unit trust“. Das ist ein in Österreich kaum bekanntes, im angelsächsischen Raum aber durchaus gebräuchliches Investment-Werkzeug.
Ein Unit Trust klingt nach Firma, ist aber keine. Er hat keinerlei Rechtspersönlichkeit, kann keine vertraglichen Verpflichtungen eingehen, keine Beteiligungen oder sonstige Vermögenswerte halten. Ein Unit Trust ist ein vertragliches Treuhandverhältnis, geschlossen zwischen Treuhändern und Treugebern, auf dessen Grundlage Geld eingesammelt und investiert wird. Wenn man so will, ist der vorgebliche Flughafen-Großaktionär IFM GIF nicht viel mehr als ein Stück Papier, das eine Treuhandgesellschaft auf den Cayman Islands gut versperrt hat.
„Möglicherweise missverständlich“
Einiges davon lässt sich in Dokumenten nachlesen, welche die Luxemburger Airports Group Europe selbst veröffentlicht hat. So auch im Rahmen des laufenden „freiwilligen öffentlichen Teilangebots“, das bis 6. Oktober befristet ist. Bis dahin können Anlegerinnen und Anleger ihre Flughafen-Aktien für 33 Euro das Stück an die Bieterin verkaufen.
Es erscheint jedoch geradezu bemerkenswert, dass in die 29-seitige Angebotsunterlage ein irreführendes Organigramm eingehängt wurde. Es erweckt geschickt den Eindruck, als stünde hinter der Beteiligung am Flughafen Wien tatsächlich der „IFM Global Infrastructure Fund“ – die eigentlich bestimmende Treuhandfirma Conyers Trust wurde in der schematischen Aufbereitung buchstäblich zur Seite gerückt (siehe Faksimile). „Die graphische Darstellung der Eigentümerstruktur in Punkt 2.3.6. der Angebotsunterlage ist möglicherweise missverständlich“, erklärte der Flughafen auf Anfrage.
In der Unterlage für das laufende Übernahmeangebot findet sich ein irreführendes Organigramm zur Struktur der „IFM-Gruppe“. Hier sieht es so aus, als würden die Luxemburger Flughafen-Großaktionärin Airports Group und deren Mutter Global InfraCo zu einem „Fonds“ namens IFM gehören. Doch das trifft so nicht zu. Der IFM hat keinerlei Rechtspersönlichkeit und kann folglich gar keine Anteile halten. Tatsächlich gehalten werden diese von der im Organigramm nach rechts gerückten Treuhandfirma Conyers Trust, die ihren Sitz auf den Cayman Islands hat und ihre Letztbegünstigsten nicht offenlegt.
Aber wessen Interessen vertritt nun die Treuhandfirma Conyers Trust? Und wessen Geld steckt in dem Cayman-„Fonds“ IFM GIF? Das lässt sich nicht befriedigend beantworten. In der öffentlichen zugänglichen Angebotsunterlage ist von „institutionellen Investoren“ beziehungsweise „Pensionsfonds“ die Rede: „Die Investoren von IFM GIF stammen aus verschiedensten Rechtsordnungen, einschließlich Australien, dem Vereinigten Königreich, Kontinentaleuropa, den Vereinigten Staaten und Kanada. Der Großteil der Investoren sind institutionelle Pensionsfonds, die im Namen von Millionen von Arbeitnehmern Vermögen veranlagen“, heißt es da.
Vonseiten des Flughafens heißt es nur: „Der Flughafen Wien AG sind weder die wirtschaftlichen Eigentümer noch die Begünstigten bekannt.“
Die „Australier”
Es gibt natürlich „Australier“ in dieser Geschichte, einige sogar. Sie treten allerdings erst ganz oben in der Offshore-Kaskade in Erscheinung, und da auch nicht als wirtschaftliche Eigentümer oder Begünstigte, sondern lediglich als „Berater“.
Hier führt die Spur zu einem in den 1990er Jahren in Melbourne entstandenen Finanzdienstleister namens IFM Investors, der damals wie heute im Einflussbereich von plusminus zwei Dutzend australischer Pensionsfonds steht.
IFM Investors agiert als Vermögensberatung und -verwaltung für rund 600 institutionelle Investoren rund um den Globus, Fonds, Versicherungen, Stiftungen, auch Universitäten. Nach eigener Darstellung hatte IFM zuletzt umgerechnet rund 122 Milliarden Euro an Vermögenswerten „under management“, davon sollen 58 Milliarden Euro in Infrastrukturinvestments stecken: Häfen, Terminals, Mautstraßen, Wasserversorgung, Abfall – und Airports. Neben dem Flughafen Wien-Schwechat werden aktuell Beteiligungen an 16 weiteren Betreibergesellschaften ausgewiesen.
Laut den öffentlich zugänglichen Unterlagen hat IFM Investors aus Melbourne mit der Conyers Trust Limited auf den Cayman Islands einen „Beratervertrag“ geschlossen, der den australischen Managern allerdings keinerlei Mitsprache einräumen soll. Im Angebotsprospekt steht dazu: „IFM Investors ist durch einen Beratungsvertrag mit Conyers Trust für IFM GIF als ,Principal Advisor’ tätig; die letztliche Entscheidungskompetenz für IFM GIF verbleibt jedoch bei Conyers Trust als unabhängiger Treuhänder.“ Und da steht auch: „Conyers Trust handelt nicht nur für IFM GIF, sondern auch für eine Vielzahl von anderen Treugebern.“
Wenn also in dieser Geschichte Australier auftreten, dann tun sie es allenfalls in ihrer Rolle als Berater, nicht als wirtschaftlich Berechtigte. Über die im Cayman-„Fonds” IFM GIF gebündelten Vermögenswerte – und damit letztlich auch über die Beteiligung an der Flughafen Wien AG – gebietet offenbar eine Treuhandfirma auf den Cayman Islands, die ihre Begünstigten nicht offenlegt. Es bleibt also unklar, wer die letztgültige Kontrolle über die in Luxemburg geparkten Flughafen-Anteile ausübt.
Vorstand empfiehlt Ablehnung
Das Faszinierende an dieser Geschichte ist, dass sich gerade das Flughafen-Management nie daran gestoßen hat, eigentlich nicht recht zu wissen, wer oder was sich hinter der Cayman-Treuhandfirma Conyers verbirgt. Man wusste zwar sehr wohl um die komplexe wie intransparente Offshore-Konstruktion, beließ es aber bei der Erzählung von den „Australiern”. Das ist umso erstaunlicher, als das Management schon länger keine rechte Freude mehr mit dem wachsenden Einfluss der (formellen) Großaktionärin Airports Group Europe aus Luxemburg hat.
Schon anlässlich des zweiten öffentlichen Übernahmeangebots 2016 (das erste hatte es 2014 gegeben) hatte der Vorstand den Aktionären davon abgeraten, dieses anzunehmen. Eine solche Stellungnahme durch die „Zielgesellschaft” ist ein gesetzlich geregelter Teil jedes öffentlichen Übernahmevorgangs.
Auch zum laufenden Angebot kam bereits eine ablehnende Empfehlung des Vorstands, welcher sich auch der Aufsichtsrat angeschlossen hat. Die Argumente waren damals wie heute ähnlich: Der Angebotspreis sei zu niedrig, die Flughafen Wien AG deutlich unterbewertet – und eine weitere Reduktion des Streubesitzes weder aus Sicht der Firma noch der Anleger wünschenswert. Umso weniger, als die Flughafen Wien AG, die derzeit noch im „Prime Segment” der Wiener Börse notiert, nun der Abflug von derselben droht.
Je nachdem, wie erfolgreich die Airports Group Europe beim Einwerben der Aktien ist, könnte der Airport aus dem Prime Market fliegen – wenn der verbliebene Streubesitz einen Marktwert von 40 Millionen Euro unterschreitet; er könnte aber genauso gut ganz von der Börse fliegen – wenn gar kein Streubesitz mehr vorhanden ist. Auf exakt 50 Prozent der Gesellschaft könnten die Bieter übrigens nicht kommen, da die Flughafen Wien AG mittlerweile 125.319 eigene Aktien hält, die sie nicht abzugeben gedenkt, vorerst zumindest. So oder so werden die Offshore-Investoren alsbald mehr Einfluss am Flughafen geltend machen. Bisher waren sie mit nur zwei Leuten im Aufsichtsrat vertreten, der traditionell von den Bundesländern Niederösterreich und Wien dominiert wird. Was in der Praxis heißt, dass ÖVP und SPÖ sich die Besetzung des Flughafen-Direktoriums bisher untereinander ausmachen konnten. Das könnte fortan etwas komplizierter werden.
Noch läuft das aktuelle Teilangebot unter Vorbehalt. Das Wirtschaftsministerium hat zwischenzeitlich eine Prüfung nach dem seit 2020 geltenden Investitionskontrollgesetz eingeleitet. Dieses soll vermeiden, dass Investoren aus Drittstaaten außerhalb der EU unbedrängt beherrschenden Einfluss und Zugriff auf sensible Infrastruktur in Österreich erlangen. Bei nennenswerten Investitionen in Unternehmen, die für die „öffentliche Sicherheit und Ordnung” relevant sind, muss das Wirtschaftsministerium zustimmen – es kann die Genehmigung aber auch versagen.
Das österreichische Prüfverfahren ist noch nicht abgeschlossen, ein zweites läuft unabhängig davon auf Malta. Der dortige Airport (der einzige der Insel, zivil und militärisch zumal) wird von der Flughafen Wien AG kontrolliert. Mehr Einfluss der Offshore-Investoren hier, hieße auch mehr Einfluss dort. Wiewohl man sagen darf, dass Malta mit Offshore-Investoren in der Vergangenheit insgesamt sehr gute Erfahrungen gemacht hat.
IFM: „Kaimaninseln üblich“
profil und ORF übermittelten der PR-Agentur von IFM Investors in Österreich eine umfangreiche Anfrage. Details blieben unbeantwortet. Ein Sprecher teilte lediglich allgemein mit:
„IFM Investors wurde vor mehr als 25 Jahren von gemeinnützigen australischen Pensionsfonds in Partnerschaft mit der australischen Gewerkschaftsbewegung mit dem Ziel gegründet, die langfristigen Altersvorsorgeleistungen von Erwerbstätigen zu schützen und auszubauen. Heute investieren wir im Auftrag von mehr als 600 institutionellen Investoren für die Altersvorsorge von 120 Millionen Erwerbstätigen auf der ganzen Welt, darunter Pflegepersonal, Lehrer, Bauarbeiter und Mitarbeiter im Gastgewerbe.
Jene Fonds, die IFM Investors verwaltet oder berät, investieren sehr langfristig, um den Mitgliedern von Pensionsfonds einen würdigen Ruhestand zu ermöglichen und gleichzeitig die Erwartungen der unterschiedlichen Gesellschaften zu erfüllen, in die wir investieren. Der Einsatz von Fonds mit Sitz in Jurisdiktionen wie den Kaimaninseln ist für globale Investmentfonds, die internationales Kapital aufnehmen und einsetzen, üblich.“
Keine Antwort gab es unter anderem auf die Fragen, ob und wie gewählte Offshore-Struktur der Steueroptimierung dient, und ob es sich bei der Airports Group Europe S.à.r.l. um eine Briefkastenfirma handelt. Die Bitte, eine vollständige Liste der Investoren des IFM Global Infrastructure Fund zu übermitteln, wurde nicht erfüllt.
Die Offshore-Kanzlei Conyers wiederum ließ eine Anfrage bis Redaktionsschluss gänzlich unbeantwortet.
Update 22. September, 17.30 Uhr: Zwischenzeitlich hat Conyers geantwortet. Im Original: „We are unable to provide further information. Conyers does not discuss confidential client matters."