Deforestation Inc.

Blut-Holz: Wie Teak aus Myanmar trotz Sanktionen in die EU gelangt

Burma-Teak gilt als König der Hölzer. Da die Militärdiktatur in dem asiatischen Land damit ihre grausame Herrschaft finanziert, wurde der Import nach Europa gestoppt. Nun führen Spuren von einem verdächtigen Container aus einem polnischen Hafen bis nach Österreich.

Drucken

Schriftgröße

56 Standorte in 17 Ländern, 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mehr als 30.000 Kunden: Die JAF-Gruppe mit Hauptsitz im niederösterreichischen Stockerau hat sich in ihrer 75-jährigen Unternehmensgeschichte zu einem wichtigen Großhändler für Holz und Holzwerkstoffe in Zentraleuropa gemausert. Nun taucht sie in einer mysteriösen Affäre auf. Einer Affäre, die über Deutschland, Polen und Estland bis ins südostasiatische Myanmar führt. Einer Affäre um einen Rohstoff, der so wertvoll wie schmutzig ist: Teak. König der Hölzer. Finanzierungsquelle einer brutalen Diktatur.

profil befasst sich im Rahmen einer internationalen Recherchekooperation mit den dunklen Seiten des Holzgeschäfts. Das Projekt mit dem Namen „Deforestation Inc.“ wird vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in Washington geleitet. Einer der Schwerpunkte: der Handel mit Teak-Holz aus Myanmar. profil und ORF als österreichische Teilnehmer der Recherche sind diesem speziellen Aspekt unter anderem gemeinsam mit dem Magazin „Der Spiegel“, mit „paper trail media“, dem NDR, dem WDR, der  „Süddeutschen Zeitung“ und mit der polnischen „Fundacja Reporterow“ nachgegangen. Ausgangspunkt der wochenlangen Spurensuche: ein Container mit Tropenholz, der im Februar 2022 im Hafen von Gdansk (Danzig) aufgeschlagen war – und in der Folge Behörden in mehreren Ländern in Alarm versetzte.

Sanktioniert und heiß begehrt

Teak gilt vielen Holzexperten als das Non plus ultra. Kaum etwas Anderes, das die Wälder dieses Planeten hervorbringen, soll qualitativ daran heranreichen. Gemeint ist allerdings nicht jenes Teak-Holz, das vergleichsweise schnell in Plantagen herangezogen wird. Das echte Top-Produkt reift langsam im Urwald und zwar in genau einem Land: Myanmar. Von Fußböden über Terrassen bis hin zum Deck-Belag von Oligarchen-Yachten: „Burma-Teak“ – benannt nach dem früheren Namen des an Thailand und China grenzenden Staates – ist für jene, die es sich leisten können, das Holz der Wahl. Es hat allerdings einen ganz entscheidenden Schönheitsfehler: Selbst früher konnten europäische Abnehmer kaum zweifelsfrei feststellen, ob eine Lieferung aus Myanmar illegal geschlagenes Holz enthielt. Schon immer war bei diesen Holzgeschäften im fernen Asien einfach zu viel Korruption im Spiel. Importe nach Europa waren zwar nicht rundheraus untersagt, jedoch an zunehmend strenge Auflagen geknüpft. Nun hat sich die Situation noch einmal verschärft: Seit 2021 eine Militärjunta per Putsch den Staat übernommen und die Demokratie beendet hat, ist es schlichtweg nicht mehr erlaubt, Burma-Teak in die EU zu bringen.

Per 21. Juni 2021 verhängte die EU Sanktionen, die den Handel mit dem Unternehmen „Myanmar Timber Enterprise“ (MTE) verbieten. MTE sorgt dafür, dass der lukrative Handel mit Tropenhölzern Devisen in die Kassen der Militärregierung spült. Letztere finanziert damit auch einen Bürgerkrieg gegen Demokratiebefürworter im eigenen Land. Da MTE das Exportmonopol für Holz zukommt, ist ein Import von Teak aus Myanmar in die EU nicht mehr legal möglich. So sieht es jedenfalls das in Österreich für die Überwachung des Holzhandels zuständige „Bundesamt für Wald“. Aber heißt das auch, dass derartige Einfuhren in der Praxis nicht mehr stattfinden?

Suche nach Umgehungsmechanismen

Einiges deutet darauf hin, dass es schon unter den früheren, erschwerten Bedingungen eine gewisse Praxis gab, Teak-Importe über einzelne EU-Länder durchzuführen, wo die Regeln weniger streng gehandhabt wurden. Von dort – so der Verdacht – dürfte das Holz dann weiterverteilt worden sein. Sobald die Ware einmal in der EU war, entfielen schließlich die Auflagen.

Im Rahmen des Projekts „Deforestation Inc.“ ist das Recherchekonsortium der Frage nachgegangen, ob es unter den jetzigen Sanktionsbedingungen ähnlich funktionierende Umgehungsmechanismen geben könnte. Eine letztgültige Antwort darauf ist schwierig. Vielleicht handelt es sich bei der Sache mit dem Container in Gdansk auch nur um ein großes und einmaliges Versehen. Fest zu stehen scheint aber: Mehr als ein halbes Jahr nach Beginn der Sanktionen wurde tonnenweise Teak in Myanmar auf ein Schiff geladen und in die EU transportiert – wo das Holz dann anstandslos weiterverkauft werden konnte. Das bestätigte zumindest das zentral in die Vorgänge involvierte Unternehmen gegenüber profil und dessen Recherchepartnern – nämlich die österreichische JAF-Gruppe, deren Tochterfirma in Polen die Empfängerin der Teak-Lieferung war.

JAF: „Kontrollmechanismen versagt“

Das Unternehmen mit Sitz in Niederösterreich gibt sich zerknirscht: „Selbstverständlich ist, dass unsere Unternehmen und Mitarbeitenden nicht nur verpflichtet sind, alle gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, sondern auch unsere darüber hinausgehenden strengen internen Beschaffungsrichtlinien. In dem von Ihnen erwähnten Fall haben jedenfalls interne Kontrollmechanismen versagt.“ Man bedaure das sehr. Die Kontrollmechanismen seien inzwischen weiter verschärft worden. Es sei ein Fehler passiert – und sehr wahrscheinlich sei das Gesetz gebeugt oder sogar gebrochen worden.

JAF bestreitet allerdings, dass das polnische Tochterunternehmen das Burma-Teak – immerhin rund 17 Tonnen beziehungsweise 21,7 Kubikmeter – selbst in die EU importiert habe. Man habe den Container hingegen von einem estnischen Großhändler gekauft. „Normalerweise würden wir nur Teak aus Myanmar handeln, das Jahre vor Beginn der Sanktionen in die EU importiert worden ist“, beteuert JAF. Diesmal sei jedoch ein menschlicher Fehler passiert. Wie JAF selbst zugibt, hat das Holz niemals estnischen Boden berührt, sondern ging von Yangon in Myanmar geradewegs nach Gdansk. Derartige Direktlieferungen seien im Holzhandel nicht ungewöhnlich, lässt JAF auf Anfrage wissen.  Diese Praxis wirft freilich ein interessantes Licht auf die – im konkreten Fall durchaus entscheidende - Frage, wann von einem Erstimport in die EU ausgegangen werden kann.

Behörden reagierten zu spät

Aufgeflogen dürfte die Angelegenheit übrigens deshalb sein, weil der Container vom Lieferanten zunächst zur weiteren Verzollung an die deutsche Grenze gebracht wurde – jedoch letztlich in Polen blieb. Den deutschen Behörden kam das alles offenbar merkwürdig vor. Sie alarmierten die zuständigen Stellen in Polen und Österreich – allerdings erst im April 2022. Bis die polnische Behörde eine Überprüfung einleitete, hatte JAF das begehrte Burma-Teak längst erfolgreich verwertet. Es sei von März bis Mai 2022 an sechs polnische, einen estnischen und einen finnischen Kunden verkauft worden, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Polnische Unternehmen seien bekannt für den Bau von Yachten, die mit Burma-Teak ausgestattet würden. Daher gebe es in diesem Land eine spezielle Nachfrage.

Die Überprüfung durch die polnische Behörde ist noch nicht abgeschlossen. JAF geht jedoch davon aus, selbst keinen Sanktionsbruch begangen zu haben, da man nicht der Importeur gewesen sei. Dies sei der Großhändler aus Estland gewesen. Eigenen Angaben zufolge importierte JAF selbst zuletzt im Jahr 2017 (drei Container) und 2018 (einen Container) Burma-Teak. In früheren Jahren habe man zudem „geringe Volumina“ Teak aus Myanmar von einer italienischen Firma erworben. Diese Käufe seien jedoch nicht von Sanktionen betroffen gewesen und hätten eine solide rechtliche Grundlage gehabt. „Wir lehnen die Umgehung von Handelssanktionen genauso ab, wie diese direkt zu  missachten“, teilt JAF mit.

Kontrollen in Österreich

Das österreichische „Bundesamt für Wald“ betont auf Anfrage, dass „Holz und Holzerzeugnisse aus Myanmar seit vielen Jahren im Fokus der Kontrollen“ stünden. Im Vorjahr habe es Kontrollen bei acht Unternehmen in Österreich gegeben, wobei nach derzeitigem Stand seit 21. Juni 2021 keine direkten Burma-Teak-Lieferungen mehr festgestellt worden seien. Weitere diesbezügliche Recherchen seien jedoch auch Teil des Kontrollplans für das heurige Jahr.

Vor Beginn der Sanktionen – in den Jahren 2015 und 2016 – habe es einige wenige österreichische Betriebe gegeben, die Teak aus Myanmar im EU-Binnenmarkt in Verkehr brachten und deshalb kontrolliert worden seien, wie das Bundesamt für Wald ohne Nennung von Namen mitteilt. Das niederschmetternde Ergebnis: „Keiner dieser Marktteilnehmer konnte dem Bundesamt für Wald dabei die Anwendung einer ordnungsgemäßen Sorgfaltspflichtregelung nachweisen, mithilfe welcher er das Risiko illegal geschlägerten Holzes entsprechend bewertet und auf ein vernachlässigbares Maß gemindert hatte.“ In allen Kontrollfällen sei bei den zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden Anzeige erstattet worden, die daraufhin Verwaltungsstrafverfahren durchführten. Dies – wohlgemerkt – schon lange vor Beginn der Sanktionen.

 

Korrektur, 2.3.2023 um 12:12 Uhr: Bei der 2022 in Polen gelandeten Menge Burma-Teak handelte es sich um 21,7 Kubikmeter - nicht um 212 Kubikmeter, wie ursprünglich vermerkt. Das Volumen von 212 Kubikmetern wurde von JAF hingegen in den Jahren 2017 bis 2019 erworben. 

Elena Crisan

Elena Crisan

war bis Oktober 2024 Journalistin im Online-Ressort.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).