Causa Chorherr: Freispruch für alle Angeklagten
Es war ein Korruptionsprozess, der in der jüngeren österreichischen Rechtsgeschichte seinesgleichen sucht: Am Wiener Straflandesgericht teilte sich über die vergangenen Wochen ein prominenter – mittlerweile: ehemaliger – Politiker die Anklagebank mit einer Reihe der bekanntesten und mächtigsten Unternehmer des Landes. Dem früheren Planungssprecher der Wiener Grünen, Christoph Chorherr, war von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Zusammenhang mit einer Reihe von Flächenwidmungsverfahren in Wien Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch vorgeworfen worden. Er soll – so der Verdacht – über Spenden an einen gemeinnützigen Verein, bei dem er Obmann war, geschmiert worden sein. Den neun mitangeklagten Unternehmern wurde wiederum mutmaßliche Bestechung und Beitragstäterschaft zum Amtsmissbrauch zur Last gelegt. Zu den Angeklagten zählten einige der wichtigsten Immobilienentwickler Österreichs, darunter Michael Tojner, René Benko, Erwin Soravia und Günter Kerbler, sowie der Finanzexperte Wilhelm Hemetsberger. Alle haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten – und nun in erster Instanz Recht bekommen.
Am Montagnachmittag hat ein Schöffensenat unter Leitung von Richter Michael Tolstiuk nach kurzer Beratung sämtliche Angeklagten freigesprochen. Abgewiesen hat das Gericht zudem sämtliche Anträge der WKStA auf Verhängung von Geldbußen gegen 20 Firmen und den früheren Chorherr-Verein s2arch nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz. Der frühere Gemeinderat Chorherr habe seine Funktion nicht missbraucht, Befangenheit sei ebenfalls nicht gegeben gewesen, urteilte das Gericht. Ebensowenig habe man feststellen können, dass die übrigen Angeklagten den Politiker bestechen hätten wollen. Es habe ein tatsächliches Interesse an dem Projekt des gemeinnützigen Vereins gegeben, der zwei Schulen in Südafrika errichtete und betrieben hat. Das Urteil ist nicht rechtskräftig: Die WKStA hat eine Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet.
Chorherr bat zunächst um Diversion
Bemerkenswert ist, dass Chorherr im Zuge des Ermittlungsverfahrens selbst einen Antrag auf Diversion gestellt hat: eine Verfahrenserledigung, die zwar kein Schuldeingeständnis darstellt, aber sehr wohl eine gewisse Verantwortungsübernahme beinhaltet. Chorherr erkannte an, „dass seine Tätigkeit als Amtsträger zeitgleich mit seiner Vereinsobmannschaft aufgrund der an den Verein ergangenen Spenden vor dem Hintergrund der geltenden Korruptionsbestimmungen ein Fehler war.“ Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch hat der frühere Politiker freilich immer bestritten.
profil hat sich in den vergangenen Jahren intensiv und wiederholt mit der Causa Chorherr befasst. Beginnend mit August 2021 berichtet profil exklusiv über zentrale Ermittlungsergebnisse der WKStA in Bezug auf das umstrittene Heumarkt-Immobilienprojekt Tojners. Es zeigte sich, dass der Milliardär und seine Mitarbeiter offenbar wild entschlossen gewesen waren, eine Menge Hebel für das Projekt in Bewegung zu setzen. Im Rahmen ihrer Ermittlungen stieß die WKStA zudem auf direkte Kommunikation zwischen Tojner und Chorherr. Im November 2021 wurde schließlich Anklage erhoben.
Nun ist das erstinstanzliche Urteil gefallen. Das letzte Wort dürfte in dieser prominenten Causa jedoch noch lange nicht gesprochen sein.