Sebastian Kurz, SK Management GmbH
Investigativ

Causa Kurz: Antikorruptionsbehörde wertete Mails zu Spenden aus

Neue Aktenteile gewähren Einblick in die türkise Spendenmaschinerie, die 2016 angeworfen wurde, um Sebastian Kurz an die Macht zu bringen. Alte, im Ermittlungsverfahren um den Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) sichergestellte Mails könnten in der Causa noch Zündstoff bergen.

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Wahlkämpfe sind teuer. Die ÖVP bekam im Jahr 2017 von ihren Fans eine ordentliche Finanzspritze: Mehr als drei Millionen Euro konnten zusammengetragen werden, eine Rekordsumme. Grund für die Spendenfreudigkeit war der neue Star am türkisen Himmel: Sebastian Kurz war frischgebackener ÖVP-Chef und führte die Partei schließlich auch zum Sieg, er konnte die SPÖ vom Kanzler-Thron stoßen.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat ihre Zweifel, dass dabei alles mit rechten Dingen zuging und beleuchtet nun die Spenden an die Partei. Ein profil vorliegender Aktenvermerk zeigt, wie minutiös der Aufstieg der damaligen ÖVP-Zukunftshoffnung vom Außenminister zunächst an die Spitze der Partei und dann an die der Republik vorbereitet wurde. In einem „Sichtungsbericht“, der inklusive Beilagen mehr als 300 Seiten stark ist, tritt zu Tage, wie sich ein Netzwerk aus einflussreichen und bestens vernetzten Geschäftsleuten und Privatpersonen dafür eingesetzt hat, dass ausreichend finanzielle Mittel zusammenkommen.

Da wurden Listen mit vermögenden Personen erstellt, bei denen man Spenden keilen konnte. Es gab Einladungen zu Events in kleiner, elitärer Runde mit Sebastian Kurz – etwa ein Frühstück im Außenministerium, aber auch zu Abendessen im privaten Rahmen. Offenbar hatte eine kleiner Personenkreis die Fäden in der Hand und agierte wiederum in Abstimmung mit Vertrauten von Sebastian Kurz.

Starke Seilschaften

Die PR-Beraterin Gabriela Spiegelfeld, eine begabte Netzwerkerin, spielt dabei eine tragende Rolle. Gleich am Beginn des Berichts hält der Fachexperte der WKStA fest, aus diversen Auswertungen und Aussagen würde hervorgehen, dass „die öffentliche geäußerten Spekulationen bezüglich Gabriela Spiegelfeld, sie haben Spenden für die ÖVP gesammelt bzw. ‚gekeilt‘ und dazu Termine mit möglichen SpenderInnen organisiert, grundsätzlich zutreffend ist“.

In ausgewerteten E-Mails finden sich zahlreiche Hinweise auf Namen von potenziellen und tatsächlichen Spenderinnen und Spendern. Insgesamt erinnert das Vorgehen an professionelles Fundraising, das schon sehr früh begann, nämlich deutlich bevor Kurz Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner auch ganz offiziell die Parteiführung streitig machte.

Umgekehrt stellt sich auch die Frage, was sich die Spender für ihre nicht zu geringen finanziellen Beiträge erwarteten. Der Bauunternehmer und ÖVP-Großspender Klaus Ortner schrieb im November 2016 bezüglich einer Einladung zu einem Abendessen mit Sebastian Kurz im Hause Spiegelfeld in Wien-Döbling: „Auf jeden Fall bin ich an einem Gespräch mit Herrn BM. Kurz sehr interessiert und glaube auch zu einem regen Meinungsaustausch, einer Meinungsbildung und einer unbedingt notwendigen Unterstützung beitragen zu können.“

Der Ehemann einer – laut WKStA – Mitstreiterin Spiegelfelds bei der Spendensammelaktion wollte nach der geschlagenen Wahl Ende November 2017 bei Elisabeth Köstinger gleich einmal einen bestimmten Kandidaten in Stellung bringen, um „in Kärnten Gas zu geben“.

In einem weiteren Emailverkehr mit einer Unternehmerin, die unterstützend tätig war, steht folgendes: „Manche waren ja schon bei Essen mit Sebastian, manche haben schon gezahlt, manche wollten zahlen, haben aber doch nicht“.

Auch Starinvestor Christian Angermayer kündigt potenzielle Spender sowie Prominent an. In einem E-Mail an Kurz finden sich folgende Zeilen: Peter Thiel feiert seinen 50. Geburtstag in Wien (...) Peter und einige seiner VIP Gäste (u.a. der neue US Botschafter in Österreich und eventuell Marc Zuckerberg würden dann am Sonntag auch gerne zu Eurer Wahlparty kommen falls wir eingeladen sind.

Noch mehr Daten

Anlass für die Datenauswertung zu den ÖVP-Spenden sind Ermittlungen gegen den früheren Kurz-Mitstreiter Gernot Blümel und den ehemaligen Novomatic-Chef Harald Neumann wegen Bestechungsverdachts in Zusammenhang mit einem möglichen Spendenangebot – beide haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Zu Neumann tauchten in den Spiegelfeld-Mails offenbar keine neuen Erkenntnisse auf.

Höchst spannend ist jedoch der Umstand, wie die WKStA überhaupt zu den Daten gekommen ist. Diese wurden laut Bericht nämlich teils im Rahmen eines anderen Ermittlungsverfahrens sichergestellt. Dabei geht es um den Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF).

Die Justiz ermittelt seit Jahren unter anderem wegen der Frage, ob der Fonds Wohnungen zu günstig verkauft hat. Diese ab 2016 sichergestellten Daten wurden nun wieder aus der Lade gezogen. E-Mail-Nachrichten von Kurz-Vertrauten sorgten dafür, dass der Fonds auch mit Blick auf das Thema Inseratenvergaben in die Diskussion geriet. Es geht um Abstimmungen, wo welche Inserate platziert werden sollten, viele davon im Boulevard. Möglicherweise waren Kurz und Kurz-Vertraute in die Kampagnenplanung des Fonds involviert – das war auch schon mehrfach Thema im U-Ausschuss. Nun beschäftigt es auch die Justiz. Sollte die Berichterstattung dadurch positiv beeinflusst werden?

Der Integrationsfonds war Kurz erstes Machtinstrument, das ihm als Integrationsstaatssekretär mit 25 Jahren im Jahr 2011 unter Innenministerin Johanna Mikl-Leitner überantwortet wurde. Dort gab es Budgetmittel und personelle Power. Beides wuchs über die Jahre stetig. Zu Kurz' Antritt betrugen die budgetären Mittel 8,6 Millionen Euro, es gab 147 Mitarbeiter – heute sind es 454. Das Budget hat sich mehr als vervierfacht. Auf dem Weg dahin war auch eine Flüchtlingskrise im Jahr 2015 und stetig wachsende Asylzahlen.

Alle Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.  

Der Ehemann von Gabriela Spiegelfeld, Georg Spiegelfeld, wurde übrigens im März 2018 auf Vorschlag des Finanzministeriums in den Aufsichtsrat der Österreichischen Bundesforste gewählt. Zuvor hatte sich seine Ehefrau diesbezüglich hinter den Kulissen stark gemacht.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.