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Causa Meinl Bank Antigua: Österreich leistete Rechtshilfe an Kolumbien

Im größten Bestechungsskandal der Welt um den Baukonzern Odebrecht haben sich kolumbianische Ermittler an die österreichische Justiz gewandt. Im Fokus: verdächtige Zahlungen, die über eine ursprüngliche Meinl-Bank-Tochter in der Karibik liefen – und zumindest teilweise auch über Wien.

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Zwischen Österreich und Kolumbien liegen rund 9.000 Kilometer, fünf Zeitzonen – und auch sonst Welten. Der nördlichste Staat Südamerikas weist etwa viermal die Fläche Deutschlands auf und erstreckt sich von den Regenwäldern Amazoniens im Süden bis zur Karibikküste im Norden. Bevölkerungsmäßig steht Kolumbien mit rund 50 Millionen Einwohnern in Lateinamerika zwar nur an der zweiten Stelle – hinter dem südöstlichen Nachbarn Brasilien. Als weltweit unangefochtene Nummer eins gilt das Land hingegen in der Kokain-Produktion. Kolumbien ist geprägt von jahrzehntelangen Kämpfen mit Drogenkartellen und Guerilla-Gruppen sowie von tief sitzender Korruption im großen Stil. Ausgerechnet in Bezug auf letzteres Problem zeigen sich nun  bemerkenswerte Verbindungen nach Österreich.

Recherchen von profil und mehreren Partnermedien zufolge, stellte die kolumbianische Staatsanwaltschaft im Jahr 2021 ein formelles Rechtshilfeersuchen an die österreichische Justiz. Dabei ging es um den größten Bestechungsskandal der Welt – jenen um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht. Es ist eine Affäre die seit 2015 Lateinamerika erschüttert: Odebrecht hat zugegeben, über eineinhalb Jahrzehnte hinweg Politiker in einer ganzen Reihe von Staaten geschmiert zu haben, um an lukrative Aufträge zu gelangen. Millionenschwerer Lohn für korrupte Entscheidungsträger und dubiose Mittelsmänner. Auch nach Kolumbien zieht sich die Spur des schwarzen Geldes. Und wie sich nun zunehmend verdichtet, dürfte zumindest ein Teil davon zuvor über Österreich geflossen sein. 

Projekt „NarcoFiles“

profil ist Teil einer weltweiten Recherchekooperation, die unter dem Namen „NarcoFiles: The New Criminal Order“ seit Anfang dieser Woche bereits zahlreiche Artikel veröffentlicht hat. Das länderübergreifende Investigativprojekt befasst sich mit dem Organisiertem Verbrechen auf einer globalen Ebene, mit neuen Entwicklungen in diesem Bereich, mit seinen Nebenerscheinungen und mit jenen, die diese Form der Kriminalität bekämpfen.

Das Projekt wird vom „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (OCCRP) in Partnerschaft mit dem „Centro Latinoamericano de Investigación Periodística“ (CLIP) geleitet. Ausgangspunkt war ein Leak von E-Mails der kolumbianischen Staatsanwaltschaft. Mehr als vierzig Medienpartner auf der ganzen Welt haben das Material geprüft und mit Hunderten anderen Dokumenten, Datenbanken und Interviews untermauert. In Österreich berichten neben profil auch der Investigativpodcast „Die Dunkelkammer“ sowie „Der Standard“.

In den vergangenen Tagen veröffentlichte profil erste Rechercheergebnisse in Zusammenhang mit dem internationalen Drogenhandel. Doch die kolumbianische Staatsanwaltschaft befasst sich nicht nur mit der Bekämpfung des Kokaingeschäfts, sondern auch mit der Aufklärung großer Korruptionsfälle. Ein besonders umfangreicher Ermittlungskomplex hat dabei den kolumbianische Ausläufer des Odebrecht-Bestechungsskandals im Fokus – im übertragenen Sinne ein Ausläufer, der Hunderte Kilometer lang, gut eine Milliarde US-Dollar schwer und in Asphalt gegossen ist.

Weg der Sonne und des Geldes

Die „Ruta del Sol“ (zu Deutsch: „Sonnenroute“ oder „Weg der Sonne“) gilt über Kolumbien hinaus als eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte Lateinamerikas. Ziel des Unterfangens, das in seiner aktuellen Form vor rund 15 Jahren gestartet wurde: Eine mehr als eintausend Kilometer lange Autobahn soll – ausgehend von der im Zentrum des Landes gelegenen Hauptstadt Bogota – wesentliche Ballungsräume bis zur Karibikküste miteinander verbinden. Zu diesem Zweck sollten teils neue Straßen errichtet, teils bestehende ausgebaut werden. Des staatliche Megaprojekt zur maßgeblichen Stärkung der kolumbianischen Wirtschaft wurde insgesamt mit umgerechnet rund 2,7 Milliarden US-Dollar budgetiert und aufgeteilt auf drei Teilabschnitte ausgeschrieben.

Den Zuschlag für das zweite und mit 528 Kilometern längste Teilstück erhielt ein Konsortium unter Führung des brasilianischen Odebrecht-Konzerns. Das ursprüngliche Volumen: 1,047 Milliarden Dollar. Dazu kam später noch ein Auftrag für eine weitere Straßenverbindung, welche die „Ruta del Sol“ an einer wichtigen Stelle queren sollte. Insgesamt ein lukratives Geschäft, das – wie man heute weiß – dem Baukonzern einiges wert gewesen sein dürfte.

Zig Millionen für Bestechung

Wie Recherchen von CLIP ergeben haben, sollen im Odebrecht-Skandal in Kolumbien umgerechnet mehr als 56 Millionen US-Dollar an Bestechungszahlungen geflossen sein. Es gab bereits mehr als ein Dutzend Verurteilungen – darunter sowohl Politiker als auch Mittelsleute, die den verdeckten Transfer der Gelder organisiert hatten. Überschattet wurden die Ermittlungen zudem vom einen oder anderen mysteriösen Todesfall.

Trotz der teils weit gediehenen Arbeit der kolumbianischen Justiz blieben aber offenbar in einigen Bereichen Unklarheiten bestehen. Und so wandten sich die Ermittler im Jahr 2021 auf offiziellem Weg an die österreichischen Behörden. Österreich dürfte nämlich im verschlungenen Odebrecht-Zahlungsgeflecht eine nicht ganz unwesentliche Rolle gespielt haben.

Die Meinl-Bank-Connection

6. September 2016: Eine prominente Bank aus Wien setzt einen ungewöhnlichen Schritt. Die damalige Meinl Bank AG übermittelt der Geldwäschemeldestelle im österreichischen Innenministerium eine Verdachtsmeldung. Diese richtet sich nicht gegen irgendeinen auffälligen Neukunden, sondern gegen die ihr bestens bekannte „Meinl Bank Antigua Ltd.“, an der die Wiener Meinl Bank bis Oktober 2015 selbst beteiligt gewesen ist, sowie gegen mehrere dort als Direktoren tätige Brasilianer. Kurz zuvor ist eine Involvierung der Meinl Bank Antigua in Zahlungen rund um Odebrecht bekannt geworden. Nun zieht man in Wien die Reißleine – oder besser gesagt: Man versucht es. Denn letztlich wird es der Meinl Bank nicht gelingen, den Skandal auf Antigua zu begrenzen.

2019 entzog die Europäische Zentralbank (EZB) dem zuvor in „Anglo Austrian AAB Bank AG“ umbenannten Geldinstitut die Bankkonzession. Grund dafür waren massive und jahrelange Mängel bei den bankeigenen Vorkehrungen zur Geldwäscheverhinderung und bei internen Kontrollverfahren – nicht zuletzt in Bezug auf die Meinl Bank Antigua. Die EZB verwies im Bescheid zum Konzessionsentzug auf „schwerwiegende Verdachtsmomente“, dass die Meinl Bank Antigua „seit rund 2011 von Odebrecht zum Zwecke der Geldwäsche und Verteilung von Bestechungsgeldern“ genutzt worden sei. Von 2011 bis Oktober 2015 habe jedoch die Meinl Bank in Wien nicht nur über eine Sperrminorität bei der Meinl Bank Antigua verfügt, sondern sei auch „effektiv an der Kontrolle über die Meinl Bank Antigua beteiligt“ gewesen. Die Wiener Meinl Bank habe ab August 2013 zudem bei allen Zahlungstransaktionen der Antigua-Bank als Korrespondenzbank fungiert, die Konten der Meinl Bank Antigua geführt und sei für die Geldwäsche-Überwachung der Konten und Zahlungstransaktionen der Meinl Bank Antigua verantwortlich gewesen. Alarm geschrien hat man offenbar erst, als 2016 ohnehin alles aufflog.

Die Milliarden-Drehscheibe

Ursprünglich war die Meinl Bank Antigua eine Tochter der Meinl Bank. Im Jahr 2011 wurde jedoch die Mehrheit an der Antigua-Bank an eine Offshore-Firma mit Verbindungen zu Odebrecht verkauft. Einer der brasilianischen Ex-Direktoren der Meinl Bank Antigua soll später als Kronzeuge angegeben haben, die Meinl Bank Antigua sei ausschließlich zu Zwecken der Geldwäsche erworben worden. Gegenüber den brasilianischen Behörden sagte er aus, dass insgesamt 1,6 Milliarden Dollar über Meinl-Antigua bewegt worden seien.

In Österreich interessieren sich die Strafverfolgungsbehörden auch für die Rolle der Wiener Meinl Bank in Bezug auf die Odebrecht-Causa. Im März 2017 erstattete die Finanzmarktaufsicht Anzeige bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), welche Ermittlungen gegen die Bank und frühere Manager einleitete. Das Ermittlungsverfahren ist immer noch im Laufen. Als Mitte 2021 die kolumbianischen Odebrecht-Ermittler per Rechtshilfeersuchen bei ihren österreichischen Kollegen anklopften, konnten Letztere also bereits auf einiges an gesammelten Erkenntnissen zurückgreifen. Und die österreichische Justiz war auch bereit, diese zu teilen.

Zahlungen über Österreich

Im November 2021 übermittelte die WKStA der Staatsanwaltschaft in Bogota einen zuvor vom Bundeskriminalamt erstellten Bericht. Darin wurde zunächst die Grundstruktur der Meinl Bank Antigua und ihr Verhältnis zur Meinl Bank in Wien dargelegt. Dies mit dem Verweis darauf, dass die Bank in Wien einst den internationalen Zahlungsverkehr für den Ableger in der Karibik übernommen habe, da Meinl-Antigua über keinen eigenen Zugang zum Zahlungsverkehrssystem SWIFT verfügt hätte. Sämtliche Zahlungen im relevanten Zeitraum seien somit über österreichische Konten gelaufen.

Bekanntermaßen wurden bei der Meinl Bank Antigua Konten für eine Reihe von Offshore-Firmen  eingerichtet, die als Vehikel zum Geld-Durchschleusen gedient haben sollen. Von diesen Konten flossen große Summen an andere Briefkastenfirmen. Das Geld sollte – so die Vermutung – offenbar auf möglichst schwer zu durchblickende Art bis zum jeweiligen Endempfänger transportiert werden. Odebrecht hat zugegeben, über eine eigene Abteilung verfügt zu haben, welche das Bestechungs-System organisierte. Nicht in allen Fällen ist es bisher gelungen, der Spur des schmutzigen Geldes bis zum Ende zu folgen.

Justiz übermittelt Transaktionsunterlagen

In ihrem Rechtshilfeersuchen an Österreich dürften sich die kolumbianischen Ermittler für ganz bestimmte Empfängerfirmen und Transaktionsnummern interessiert haben. Daraus könnte man schließen, dass in diesen Fällen die Profiteure der komplexen Zahlungsströme bisher nicht eindeutig identifiziert werden konnten. Letztlich übermittelte die österreichische Justiz den Kollegen in Kolumbien Transaktionsunterlagen zu fünf Empfängerfirmen, welche im Ersuchen aus Bogota konkret erwähnt worden waren.

Um allfällige Ermittlungen nicht zu gefährden, nennt profil die Namen dieser Firmen nicht. Nur so viel: Einige von ihnen dürften in Asien registriert gewesen sein. Dem Bundeskriminalamt lagen bezüglich dieser fünf Firmen Daten zu zehn Einzeltransaktionen vor – allesamt aus dem Zeitraum Februar bis August 2014. Die Gesamtsumme belief sich auf rund 4,6 Millionen US-Dollar.

System Odebrecht

Über das konkrete Ansuchen hinaus lieferten die heimischen Ermittler den kolumbianischen Behörden quasi aus Eigeninitiative allerdings auch noch Daten zu zwei weiteren Empfängerfirmen mit. Diese können problemlos genannt werden, da der dahinterstehende Profiteur in Kolumbien bereits gerichtlich verurteilt wurde. Es ist ein konkreter Fall, der dabei hilft, das System Odebrecht und die Rolle Wiens in diesem Zusammenhang zu verstehen.

Die bisherigen Ermittlungen und Gerichtsverfahren in Kolumbien haben gezeigt, dass ein funktionierendes Schmiergeldsystem nicht nur aus Gebern und Nehmern besteht, sondern auch aus Vermittlern. Diese sorgen für die – mitunter recht komplizierte – Abwicklung: Um hohe Summen unauffällig loszueisen, müssen zum Beispiel Scheinverträge organisiert werden. Personen müssen gefunden werden, die ihre Firmen für unsaubere Geldtransfers zur Verfügung stellen. Mitunter ist es auch notwendig, Schecks einzulösen und das Geld von A nach B zu tragen.

Der Vermittler

Federico G. war ein derartiger Vermittler in Kolumbien. Einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2021 zufolge soll er Odebrecht dabei geholfen haben, die ursprünglichen Vertragskonditionen für den Bau der „Ruta del Sol“ zu verbessern und den Zuschlag für die Errichtung einer zusätzlichen, die Autobahn querenden Straße zu erhalten. Zu diesem Zweck leitete er Schmiergeld an Politiker weiter. Solche Dienste sind freilich nicht kostenlos. Auch die Vermittler wollen entlohnt sein – und bei entsprechend hohem Risiko nicht allzu knapp.

Federico G. wurde nicht nur wegen Geldwäsche und krimineller Verschwörung verurteilt, sondern auch wegen illegaler Bereicherung. Dabei rechnete ihm das Gericht unter anderem Gelder zu, die über zwei Firmen in Panama liefen: „Coast Helicopters“ und „Helicontinente“. Transaktionsdaten dieser beiden Firmen finden sich auch in der Beantwortung des kolumbianischen Rechtshilfeersuchens durch die österreichische Justiz. Demnach gingen am 23. September 2014 vom Meinl-Antigua-Konto einer Zwischenfirma namens Intercorp rund 264.000 Dollar an „Coast Helicopters“ sowie rund 248.000 Dollar an „Helicontinente“.

Laut Bericht des Bundeskriminalamts im Rahmen des Rechtshilfeersuchens erfolgten die Zahlungen über das Korrespondenzbank-Konto von Meinl-Antigua bei der Meinl Bank AG. Bis zur Ankunft in Panama dürfte das Geld jedoch noch weitere Stationen hinter sich gebracht haben. Im Rahmen des Investigativprojekts „FinCEN Files“, das vom „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) und von „BuzzFeed News“ organisiert worden war, berichteten profil und der ORF bereits im September 2020 über einen Hinweis einer US-Bank, der darauf hindeutete, dass diese beiden Zahlungen über die Raiffeisen Bank International RBI) geflossen sein dürften. Durchaus denkbar wäre also, dass die Geldtransfers nacheinander mehrere Korrespondenzbanken unterschiedlicher Größe und unterschiedlicher internationaler Vernetzung durchlaufen haben. (Die RBI betonte damals 2020 auf Anfrage, dass man selbstverständlich alle gesetzlichen Verpflichtungen einhalte. Man melde Verdachtsfälle und beende auch Kundenbeziehungen, wenn entsprechende Verdachtsmomente bestünden. Nach Durchführung einer Detailanalyse habe man die Geschäftsbeziehung mit dem betroffenen Kontoinhaber beendet.)

Die Zahlungen an „Coast Helicopters“ und „Helicontinente“ entsprechen – nach Umrechnung in kolumbianische Pesos – der Höhe nach jenen, die im Gerichtsurteil gegen Federico G. angeführt sind. Der Vermittler soll selbst zugegeben haben, Nutznießer der Gelder gewesen zu sein: Odebrecht habe ihm für seine Arbeit etwas geschuldet. Das Gericht verurteilte G. zu 79 Monaten Gefängnis, entließ ihn allerdings gleich wieder auf Bewährung, da er bereits seit 2017 in Haft war und drei Fünftel der Strafe somit bereits abgesessen waren.

Dubiose Verbindungen

Im Rahmen des Projekts „NarcoFiles“ hat sich CLIP näher mit G. befasst. Den Recherchen zufolge stand der Odebrecht-Lobbyist auch in Geschäftsbeziehung mit einem gewissen Jose P., welcher von der US-Sanktionsbehörde OFAC als „Patron der Drogenhändler in Kolumbien“ bezeichnet werde. P. sitzt derzeit wegen Geldwäsche in Kolumbien in Haft und wird mit kriminellen Gruppierungen wie dem Medellin-Kartell, dem Cali-Kartell, „Oficina de Envigado“ (Anm.: ebenfalls ein Drogenkartell),  kolumbianischen Paramilitärs und dem aus Paramilitärs hervorgegangenen Verbrechersyndikat „Clan del Golfo“ in Verbindung gebracht.

Jose P. soll Federico G. unter dubiosen Umständen eine Ranch verkauft haben. Dabei dürfte eine Firma involviert gewesen sein, die auch im Odebrecht-Schmiergeldskandal eine Rolle spielt. Die besonderen Umstände der Transaktion haben abermals die Ermittlungsbehörden auf den Plan gerufen.

Ermittlungen in den USA

Doch nicht nur in Lateinamerika arbeitet die Justiz auf Hochtouren an der Aufklärung der Causa Odebrecht, sondern auch in den USA, wo Auslandskorruption mitunter besonders konsequent verfolgt wird. Der Baukonzern einigte sich bereits 2016 auf einen Deal mit der US-Justiz. Dabei bekannte sich Odebrecht schuldig, von 2001 bis 2016 rund 788 Millionen Dollar an Schmiergeldern bezahlt zu haben – dies in Bezug auf mehr als hundert Projekte in zwölf Ländern, darunter auch Kolumbien. Dies habe dem Baukonzern und seinen Mittätern Vorteile von rund 3,3 Milliarden Dollar eingebracht. Gerichtsunterlagen zufolge einigte sich Odebrecht mit der US-Justiz darauf, dass eigentlich ein Strafzahlung von 4,5 Milliarden Euro angemessen wäre. Da dies jedoch die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens überschritten hätte, wurde die Geldbuße mit 2,6 Milliarden Euro festgelegt.

Im Zuge des Odebrecht-Geständnisses fand übrigens auch „die Antigua-Zweigstelle einer österreichischen Bank“ Erwähnung, welche laut US-Gerichtsdokumenten die Mitwirkenden der Odebrecht-Verschwörung 2010 oder 2011 gekauft hatten: Aufgrund dieser Akquisition hätten andere Beteiligte – darunter hochrangige Politiker verschiedener Länder, die Schmiergeld erhielten – Bankkonten eröffnen und Geldtransfers erhalten können, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Die Meinl Bank Antigua wird hier zwar nicht namentlich genannt. Aufgrund der Angaben ist jedoch klar, dass sie damit gemeint war.

Ex-Meinl-Manager droht Auslieferung

Fest steht, dass die US-Justiz die Meinl Bank im Laufe der Jahre nicht vergessen hat. Im Mai 2021 wurde der frühere Bankchef Peter Weinzierl auf Geheiß der US-Justiz in London festgenommen. Seit damals kämpft Weinzierl gegen eine Auslieferung an die Vereinigten Staaten, wo Anklage gegen ihn und einen weiteren früheren Meinl-Bank-Manager erhoben worden ist. Der Vorwurf kurz zusammengefasst: Weinzierl soll für Odebrecht Hunderte Millionen US-Dollar gewaschen haben. Beide Angeklagte waren sowohl Manager der Meinl Bank in Wien als auch Mitglieder des Direktoriums der Meinl Bank Antigua. Die Meinl Bank hat immer betont, dass es sich um „non-executive“ Funktionen gehandelt habe. Die beiden von ihr entsandten Direktoren seien nicht ins operative Geschäft eingebunden gewesen. Die frühere Privatbank, die zuletzt noch unter der Bezeichnung „Anglo Austrian AAB AG“ firmierte, hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Sie befindet sich nach dem Entzug der Konzession in einem Konkursverfahren.

Auch Weinzierl hat sämtliche Vorwürfe immer zurückgewiesen: Mit dem Verkauf der Mehrheit der Meinl-Bank-Antigua 2010/2011 habe die Meinl Bank in Wien operativ dort nichts mehr mitzureden gehabt. Er sei nicht involviert gewesen. Für Weinzierl steht viel auf dem Spiel. Bei einer Verurteilung in den USA würden dem früheren Bankmanager bis zu 70 Jahre Haft drohen.

WKStA ermittelt gegen zahlreiche Beschuldigte

Odebrecht hat sich in „Novonor“ umbenannt und betont gegenüber CLIP, dass man seit 2016 mit Behörden aus unterschiedlichen Jurisdiktionen zusammenarbeite. In den vergangenen Jahren habe das Unternehmen eine tiefgreifende Umstrukturierung seines Corporate-Governance-Programms durchgeführt und dabei anerkannte und wirksame Compliance-Standards in seinen internen und externen Prozessen umgesetzt.

Und wie ist der aktuelle Stand der Causa Meinl Bank Antigua/Odebrecht in Österreich? Die WKStA teilte auf Anfrage mit, man ermittle aktuell gegen sieben namentlich bekannte natürliche Personen, gegen acht juristische Personen nach dem sogenannten Verbandsverantwortlichkeitsgesetz und gegen einen unbekannten Täter wegen des Vorwurfs der Bestechung und der Geldwäscherei. Das Ermittlungsverfahren dauere noch an – insbesondere seien mehrere Rechtshilfeersuchen ergangen. Details dazu will man nicht preisgeben. Auch zum Rechtshilfeersuchen, das den vorliegenden Recherchen zufolge aus Kolumbien in Österreich eingelangt ist, hüllt man sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen in Schweigen. 

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).