Investigativ

Causa Ott: Die verräterischen Marsalek-Chats des MI5

Jan Marsalek leitete von Moskau aus einen Spionagering, der bis nach Österreich wirkte. Ex-BVT-Mann Egisto Ott und Konsorten sollen Teil davon sein. profil vorliegende Chats zeigen, wie ein Laptop, Handys, Geld, Pässe – aber auch Weihnachtsgeschenke ihren Weg gen Moskau nahmen.

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Egisto Ott. Der Name steht schon jetzt als Synonym für den größten Spionagefall in Österreichs Geschichte. Es wird seit sieben Jahren intensiv ermittelt. Den Durchbruch brachten nun aber Chats, die der britische Inlandsgeheimdienst MI5 sichergestellt hat. Sie führten kurz vor Ostern zu Otts Verhaftung. Seitdem sitzt der unter Spionageverdacht stehende Ex-BVT-Beamte in U-Haft – er hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten. 

Die von den britischen Behörden ausgewertete Handy-Kommunikation erzählt die Geschichte eines russischen Spionagerings in Großbritannien, der – von Russland aus – vom flüchtigen Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek gelenkt worden sein soll und in mehreren europäischen Ländern operierte. Mutmaßlich korrupt gewordenen Verfassungsschützer wie Egisto Ott und sein ehemaliger Vorgesetzter Martin Weiss und deren Verbündete sollen Teil davon sein. Die Chats, über die zuerst der „Standard“ berichtete, liegen jetzt profil, SZ und WDR vor.

Die britischen Behörden stürmten im Februar 2023 die Wohnungen von fünf Bulgaren, die in Großbritannien für Russlands spioniert haben soll. Einem der Agenten, Orlin R., wurde ein Handy abgenommen, auf dem sich abenteuerlich anmutende Chats mit Marsalek fanden. Marsalek – ein Österreicher – floh im Sommer 2020, nachdem Wirecard die größte Wirtschaftspleite in der deutschen Geschichte seit Jahrzehnten hinlegt hatte. Seitdem wird er in Moskau unter dem Schutz der russischen Geheimdienste vermutet – ein Verdacht, den die nunmehrige Chatauswertung massiv erhärtet: Die Behörden halten Marsalek mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für einen russischen Spion.

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.