Causa Signa: Die Spur des Geldes
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Es sollte das nächste funkelnde Prestigeprojekt von Signa werden: das „Vienna Twentytwo“ in Wien-Donaustadt. Nun geht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) jedoch dem Verdacht nach, dass dort Geld verschwunden sein könnte. Dort – und auch noch bei einer ganzen Reihe weiterer Immobilienprojekte. Es geht um zig Millionen Euro eines deutschen Investors, der sich betrogen fühlt. Dies ergibt sich aus Ermittlungsakten, die profil einsehen konnte.
Im Zentrum der Vorwürfe, die vergangene Woche mit ein Grund für eine Hausdurchsuchung bei einem jahrelangen Signa-Manager waren, steht das „Vienna Twentytwo“: Gemeinsam mit der ARE Austrian Real Estate GmbH – das ist eine hundertprozentige Tochter der staatlichen Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) – sollte im 22. Wiener Gemeindebezirk ein sechsteiliger Gebäudekomplex entwickelt werden. Büros, Geschäftslokale, Wohnungen. Die ARE und Signa waren mittels Joint Venture über eine Firma namens „FoDo Holding GmbH und Co KG“ an dem Projekt beteiligt – zu jeweils 49 und 51 Prozent. Wie die WKStA in ihren Akten festgehalten hat, sollte der Großteil der Baukosten mittels Bankkredit finanziert werden, wobei die Banken 25 bis 30 Prozent Eigenmittel vorausgesetzt hätten. Die Signa Development Selection AG, das war die Entwicklungssparte von Signa, soll zu Projektbeginn 2016 rund 11,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben, die ARE 10,8 Millionen Euro.
Um den Bau am Laufen zu halten, waren aber naturgemäß weitere Einzahlungen nötig. Mal zahlte die ARE ein, mal Signa. Und hier setzt der vorliegende Tatverdacht an: Im Dezember 2017 soll die zur Signa gehörende Forum Donaustadt Holding GmbH sogenannte Genussscheine zur Finanzierung des Projekts begeben haben. Gezeichnet hat diese Wertpapiere in der Höhe von 22,5 Millionen Euro die deutschen Hansainvest – eine Kapitalverwaltungsgesellschaft, die zum Versicherungs- und Finanzdienstleistungskonzern Signal Iduna gehört. Der Hansainvest soll durch zwei Geschäftsführer der Signa zugesichert worden sein, dass das Geld ausschließlich in die Umsetzung des Projekts „Vienna Twentytwo“ fließt. Das sei – so der Verdacht – aber nicht eingehalten worden. Stattdessen sei das Geld zweckwidrig in die Signa-Gruppe weitergeschleust worden. Der Verdacht lautet auf schweren Betrug.
Wie sich aus Ermittlungsakten, die profil einsehen konnte, ableiten lässt, geht dieser Ermittlungsstrang nicht zuletzt auf eine Anzeige der Hansainvest zurück. Einer der betroffenen Signa-Manager ist demnach Manuel Pirolt, in den Signa-Immobilienholdings für die Finanzen zuständig und so etwas wie die Nummer zwei nach Benko. Pirolt hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Gegen Benko wird in diesem Zusammenhang übrigens nicht ermittelt.
„Der Hansainvest sei inzwischen von ARE bestätigt worden, dass kein Cent des Genusskapitals in Höhe von 22,5 Millionen Euro dem Projekt zugeführt worden sei.“
„Der Hansainvest sei inzwischen von ARE bestätigt worden, dass kein Cent des Genusskapitals in Höhe von 22,5 Millionen Euro dem Projekt zugeführt worden sei“, hält die WKStA den Vorwurf in einer Durchsuchungsanordnung fest. Auf profil-Nachfrage sagt eine Sprecherin der ARE: „Die ARE Austrian Real Estate steht in keinerlei Verbindung zu diesen Genussscheinen. Einzelne Mitarbeiter wurden in Zusammenhang mit dem Projekt als Zeugen einvernommen.“ Die deutsche Hansainvest möchte die Ermittlungen auf Nachfrage nicht kommentieren.
Der WKStA liegt aber eine erst kürzlich eingelangte ergänzende Sachverhaltsdarstellung vor, welche sich ebenfalls mit mutmaßlich „betrügerisch herausgelocktem Genusskapital“ beschäftigt: Demnach soll es von 2020 bis 2022 zumindest vier weitere Fälle gegeben haben: Für das Bauvorhaben „BEAM“ in Berlin soll Hansainvest Genussscheine mit einem Nominale von 20 Millionen Euro gezeichnet haben, für das Projekt „Flüggerhöfe“ in Hamburg zehn Millionen Euro, für das „Werftareal Korneuburg“ weitere zehn Millionen Euro und für das Projekt „Franklinstraße“ in Berlin insgesamt 20 Millionen Euro. „In sämtlichen Fällen sei das Genusskapital aber vereinbarungswidrig nicht ausschließlich in das jeweilige Projekt geflossen, sondern anderweitig verwendet worden. Insbesondere sei es als Up-stream-Darlehen an die Muttergesellschaft Signa Development Selection AG weiterreicht worden“, schreibt die WKStA mit Verweis auf die ergänzende Anzeige. Mit anderen Worten: Gemäß Verdachtslage soll Projektgeld abgezweigt und in andere Sphären des Signa-Reichs verschoben worden sein. Immer und immer wieder.
Vienna Twentytwo
Es sollte das nächste funkelnde Prestigeprojekt von Signa werden: das „Vienna Twentytwo“ in Wien-Donaustadt. Ein deutscher Investor fühlt sich nun betrogen. Das Genusskapital von 22,5 Millionen Euro soll, nicht wie vereinbart, in die Projektentwicklung geflossen sein.
Das Geld aus dem Notverkauf
Im Dezember verkaufte Signa eine letzte Immobilie vor der großen Pleitewelle. Am 14. Dezember 2023 ging das sogenannte Meinl-Haus am Wiener Graben um 80 Millionen Euro an die Wiener Ärztekammer. Der Deal warf von Anfang an eine Menge Fragen auf. Zum damaligen Zeitpunkt war die Dachgesellschaft Signa Holding schon pleite. Die Signa Prime Selection, in der die Luxusimmobilien der Gruppe gebündelt waren, etwa das Meinl-Haus, brauchte dringend frisches Geld. Dennoch war die Ärztekammer bereit, einen Preis über den Signa-internen Bewertungen für die Immobilie zu bezahlen. Sie soll um ein Viertel mehr geboten haben als ein potenzieller weiterer Käufer. Aus Sicht der Ärztekammer und auf Basis eigener Bewertungen sei das trotzdem ein guter Deal gewesen, hieß es vergangene Woche gegenüber profil. Die Frau eines involvierten Signa-Managers agierte zudem als Maklerin bei dem Deal.
profil-Informationen zufolge geht die WKStA nun einerseits dem Verdacht nach, die Manager-Gattin könnte „ohne wirtschaftliche Veranlassung“ als Maklerin engagiert worden sein. Dies auch mit Blick darauf, dass laut Verdachtslage auch noch eine zweite Maklerin tätig war: nämlich die Firma SIGNA REM Transactions GmbH. Die Ermittler prüfen nun, ob diesbezüglich eine Untreue vorliegen könnte.
Graben 19
Im Dezember 2023 verkaufte Signa das "Meinl-Haus" am Wiener Graben an die Ärztekammer Wien - um 80 Millionen Euro. Jetzt ermittelt die WKStA, ob rund um die Pleite der Signa Prime Selection AG ein deutlicher zweistelliger Millionenbetrag verschoben werden sollte.
Darüber hinaus geht es aber auch um die Frage, ob rund um die Pleite der Signa Prime Selection AG ein deutlicher zweistelliger Millionenbetrag verschoben werden sollte. So soll versucht worden sein, kurz nach dem Verkauf des Meinl-Hauses die stolze Summe von 28 Millionen Euro von einem Konto der bisherigen Besitzgesellschaft der Immobilie zu überweisen. Und zwar auf das Konto einer liechtensteinischen Privatstiftung der Familie Benko. Laut Verdachtslage blieb es – zumindest zunächst – beim Versuch: Die Empfängerbank habe nämlich die Entgegennahme des Betrags mit dem Hinweis auf eine mögliche Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen abgelehnt. Laut WKStA stehe aber im Raum, dass diese „Blockade“ in der Folge durch „Zwischenschaltung eines rechtsanwaltlichen Treuhandkontos umgangen“ worden sei. Der Verdacht, der sich wiederum nicht gegen Benko, sondern gegen zwei Signa-Manager richtet, lautet auf betrügerische Krida.
Manuel Pirolt zählt auch hier zu den Betroffenen. Sein Anwalt Michael Rohregger betont auf profil-Anfrage: „Die Vorwürfe sind haltlos, und das wird sich im Verfahren auch ergeben.“ Ebenfalls zum Beschuldigtenkreis gehört das Manager-Makler-Ehepaar, das eine Anfrage jedoch unbeantwortet ließ.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.